Die Beiträge zu einer Darmstädter Tagung der Christoph-Graupner-Gesellschaft erkunden die künstlerische Praxis in Darmstadt und an anderen Höfen.
BUCHVORSTELLUNG
Der neu erschienene Band wird am Freitag, 28. Februar, um 17 Uhr im Vortragssaal der Universitäts- und Landesbibliothek in Darmstadt (Magdalenenstraße 8) vorgestellt. Neben den Herausgeberinnen spricht Carola Finkel, die auch praktische Beispiele zu den Darmstädter Choreographien nach der Musik des Landgrafen liefert. (job)
Das Buch
Ursula Kramer, Margret Scharrer (Herausgeberinnen)
Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt (1667-1739)
Schott-Verlag in Mainz, 296 Seiten, 49 Euro.
DARMSTADT - Da hat Pierre Dubreil noch einmal Glück gehabt. Er hatte 1718 eine Sammlung von „Darmstädter Tänzen“ an den Landgrafen Ernst Ludwig gesandt, säuberlich aufgezeichnete Choreografien zu Kompositionen des Regenten. Die Hoffnung, auf diese Weise eine Anstellung als Tanzmeister am Darmstädter Hof zu erlangen, erfüllte sich allerdings nicht. Die Enttäuschung darüber dürfte ein Jahr später deutlich nachgelassen haben: Wegen der hohen Staatsverschuldung war Ernst Ludwig 1719 gezwungen, seinen geliebten Opernbetrieb einzustellen und viele Sänger und Musiker zu entlassen. Dubreil hingegen hatte einen sicheren Job beim bayerischen Kurfürsten, den er bis zu seinem Tod im Jahr 1732 ausübte.
Davon berichtete Carola Finkel Ende 2018 auf einer Tagung im Jagdschloss Kranichstein. Die Christoph- Graupner-Gesellschaft hatte Musik- und Kunstwissenschaftler sowie Historiker eingeladen, am Beispiel des Darmstädter Landgrafen Ernst Ludwig die musikalisch-künstlerischen Ambitionen der Regenten im 18. Jahrhundert zu untersuchen. Ernst Ludwig ist ein dankbares Beispiel, er komponierte selbst und war ein hingebungsvoller Freund der Oper, der so oft wie möglich in Hamburg die erste bürgerliche Oper am Gänsemarkt besuchte. Dort lernte er auch Christoph Graupner (1683–1760) kennen, den er als Hofkapellmeister nach Darmstadt holte und nicht mehr gehen ließ, auch als Graupner attraktivere Angebote bekam.
Auch wenn die Sammlung der Beiträge weit über Ernst Ludwig hinausreicht, so bietet der Band doch viele schöne Einblicke in die Darmstädter Kulturgeschichte. Roswitha Jacobsen untersucht die musikalische Bildung der aus Gotha stammenden Landgräfin Elisabeth Dorothea, der Mutter von Ernst Ludwig. Rainer Maaß hat musikalische Spuren bei der Kavalierstour gefunden, die der spätere Regent 1685/86 nach Paris und London unternahm, Helga Meise untersucht Ernst Ludwigs literarische Ambitionen, abzulesen an vor allem religiös motivierten Versen. Das musikalische Interesse war wahrscheinlich größer als das an der Dichtung. Ursula Kramer, Professorin für Musikwissenschaft in Mainz und Vorsitzende der Graupner-Gesellschaft, schildert die vom Landgrafen komponierten Suiten als Höhepunkt seiner musikalischen Ambitionen. Sie zeigt, wie sehr sie auch dreißig Jahre nach dem Paris-Besuch der französischen Musik verpflichtet sind – und schärft in ihrem sehr lesenswerten Aufsatz das Porträt eines Mannes, der die Kunst sehr konsequent in den Mittelpunkt seines Lebens stellte und aktiv am musikalischen Leben der Residenz teilhatte.