Isabel Bogdan und Karin Kalisa lesen beim letzten Termin des literarischen Herbstes in der Darmstädter Stadtkirche
DARMSTADT - Zwei Autorinnen stellten am Dienstag beim letzten Termin des diesjährigen literarischen Herbstes in der Darmstädter Stadtkirche ihre Bücher vor, und im Verlauf der bestens besuchten, zweistündigen Lesung offenbarten sich neben Trennendem auch Gemeinsamkeiten: Sowohl Isabel Bogdan als auch Karin Kalisa legten nach erfolgreichen Debüts kürzlich die jeweils zweiten Romane vor. Doch während die ersten Bücher hier wie da eher heiter angelegt waren, nehmen sich die Nachfolgebände ernsten Sujets an, ohne den früheren Witz ganz außen vor zu lassen.
Beide Werke spielen in Hamburg, dazu stehen Frauen im Fokus, die mit dem Tod eines Angehörigen umgehen müssen. Die Erzählperspektive ist jedoch unterschiedlich. Isabel Bogdans Roman heißt „Laufen“, und dieser Titel ist Programm, denn eine Ich-Erzählerin gerät durch den Verlust ihres Lebensgefährten aus dem Tritt und beginnt daraufhin mit dem Laufen, das zum Bewusstseinsstrom wird. Eigentlich habe sie den Text deshalb als einen einzigen Monolog anlegen wollen, verriet die Autorin, die zunächst atemlos-gehetzt wie ihre Protagonistin und fast ohne Satzstrukturen vortrug.
Später habe sie jedoch entschieden, den Roman in zwölf Monatspassagen zu gliedern, wobei die Veränderung des Textrhythmus mit der langsamen Gesundung der Erzählerin einhergeht. Plötzliche Impressionen und Erinnerungen, Pausen und Verknüpfungen unterstreichen die Emotionen der Akteurin auf ihrem Weg zu sich selbst, wichtige Details wie der Selbstmord des Geliebten aufgrund von Depressionen treten dabei erst allmählich ans Licht. Doch es wird besser: Dies belegte die zweite Passage mit dem Training für den Alsterlauf im September, die auch positive Gedanken und humorvolle Momente umfasst.
Karin Kalisas Roman „Radio Activity“ ist gradliniger entwickelt und handlungsorientiert. Im Mittelpunkt steht Nora Tewes alias Holly Gomighty, die mit zwei Freunden einen unabhängigen Radiosender gründet. Doch was als Huldigung der freien, frechen Rundfunkszene startet, wandelt sich zur Studie des Abschiednehmens. Denn von ihrer sterbenden Mutter erfährt Nora in mehreren Zwiegesprächen, dass sie als Kind sexuell missbraucht wurde, und bald entwickelt sich das Werk zur hartnäckigen Suche nach später Gerechtigkeit jenseits der Verjährungsfristen.
Pfarrer Karsten Gollnow, der beide Autorinnen vorstellte, gefiel hier besonders eine Passage, die sich kritisch mit dem Gottesdienstbesuch der Gläubigen an Weihnachten auseinandersetzt: Sie belegten, dass Karin Kalisa jenseits popkultureller Verweise zahlreiche soziale und gesellschaftspolitische Aspekte in ihrem vielschichtigen Werk verarbeite.