Manche haben schon aufgegeben: Instrumentallehrer und Vertreter der Musikschulen im Kreis schilderten bei einem digitalen Treffen mit SPD-Politikern ihre Situation.
Von Björn Gauges
In den hessischen Musikschulen ist derzeit fast nur noch Einzel- oder digitaler Fernunterricht möglich. Foto: dpa
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KREIS GIESSEN - In Zeiten von Pandemie und Lockdown werden zahlreiche strukturelle Probleme wie unter dem Brennglas sichtbar - das gilt auch für die Musikschulen im Land. Der SPD-Unterbezirk Gießen lud zusammen mit dem Arbeitskreis Kultur der Stadt am Montagabend zu einem digitalen Treffen ein, bei dem ein Dutzend Instrumentallehrer und Vertreter der Einrichtungen in Gießen, Buseck, Grünberg und Lich ihre Sorgen und Nöte schilderten. Dabei wurde deutlich: Die Corona-Pandemie hat vor allem den freiberuflichen Honorarkräften schwer zugesetzt. Manch einer der Lehrkräfte habe den Beruf sogar mittlerweile aufgegeben, weil die Einnahmen komplett weggebrochen seien. Aber auch schon vor der Pandemie standen die Musikschulen vor großen finanziellen Problemen, wie in der digitalen Runde deutlich wurde.
Honorare weggebrochen
Katja Marauhn, langjährige Leiterin der Musikschule Gießen, arbeitet mit sechs Angestellten sowie rund 60 Honorarkräften zusammen. Und deren Arbeitsbedingungen seien "so schlecht, dass "ich sie keinem Studierenden empfehlen kann", wie sie beklagte. Allerdings seien unter diesen prekären Bedingungen sowieso keine gut ausgebildeten Lehrkräfte zu bekommen. Und Thorsten Noll, Leiter des Trägervereins der Licher Musikschule, berichtete, dass sich im Gespräch mit Kommunalpolitikern zwar alle prinzipiell über den Stellenwert der Bildungseinrichtungen im Klaren seien. Doch gleichzeitig werde es immer dann schwierig, wenn die konkrete finanzielle Ausstattung zu verhandeln ist. "Ich will nicht jammern. Aber wenn es ums Geld geht, sind wir plötzlich ein Verein wie jeder andere auch. Da treibt mich eine Menge um", sagte Noll.
Silke Risse von der Musikschule Grünberg erklärte, dass freiberufliche Honorarkräfte wie sie häufig in zeitlich befristeten Projekten beschäftigt seien. Neben der Ungewissheit, wie es damit weitergehe, stünde auch das Honorar in keinem Verhältnis zum zu leistenden Aufwand. Und Burkhard Mayer, langjähriger Instrumentallehrer der Musikschule Buseck, brachte es schließlich auf den Punkt: "Ich zähle mich zum bildungsbürgerlichen Prekariat. Nach 30 Jahren Arbeit mache ich mir Sorgen um die Höhe meiner künftigen Rente."
Misstöne allenthalben also. Und vom Thema Unterrichtsausfall sowie den entsprechend verlorengegangenen Honoraren aufgrund der aktuellen Corona-Bestimmungen war zu diesem Zeitpunkt der Diskussion noch gar nicht die Rede. Unterstützung signalisierten den Vertretern der Musikschulen immerhin die zu der Runde einladenden SPD-Politiker. In einem nächsten Schritt müsse es nun darum gehen, "dass Geld ins System kommt", erklärte der SPD-Landtagsabgeordnete und Gießener Unterbezirksvorsitzende Frank-Tilo Becher.
Dazu müsse zunächst erst einmal definiert werden, welche Einrichtungen unter den Oberbegriff öffentlicher Musikschulen fallen, um eine Rechtsgrundlage zu erhalten, erklärte sein Kollege Christoph Degen, gleichzeitig Präsident des Hessischen Musikverbandes. Der Abgeordnete aus dem Main-Kinzig-Kreis hat im Dezember einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, über den die Förderung durch das Land schrittweise über zehn Jahre hinweg um jeweils zwei Millionen Euro erhöht werden soll. Ziel sei es, dass sich das Land zu einem Drittel an den Gesamtkosten der bislang hauptsächlich von den Kommunen finanzierten Musikschulen beteilige. ,"Wir wollen jetzt Pflöcke einschlagen", sagte Degen, der gleichwohl zugestand, dass der Gesetzentwurf angesichts der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse kaum Chancen auf eine Mehrheit in Wiesbaden haben werde. Wichtig ist Degen aber auch, dass die Gebühren für die Eltern niedrig gehalten oder sogar gesenkt werden. "Chancengleichheit ist notwendig. Es darf nicht sein, dass das Einkommen der Eltern über die musikalische Bildung entscheidet."
Doch zunächst gilt es für die Musikschulen erst einmal, die Corona-Phase unbeschadet zu überstehen. Wie die Musiklehrer berichteten, hätten sich angesichts der vielen ausgefallenen Stunden manche Schüler mittlerweile vom Unterricht abgemeldet. Ungewiss bleibe vorläufig zudem, ob die älteren Kursteilnehmer von 70 Jahren und darüber, die nicht über die digitalen Hilfsmittel auf den Fernunterricht umsteigen wollen, sich wieder zurückgewinnen lassen.
Andere hingegen seien sehr froh, auch in diesen Zeiten fehlender Freizeitangebote professionelle Unterstützung zu erhalten, wenn weitgehend auch nur per Online-Kanal. Oder, wie Katja Marauhn für die Musikschule Gießen berichtete, je nach Raumverhältnissen, mittlerweile auch wieder im Einzel- und Kleinstgruppenunterricht. Doch waren sich die Musiklehrer ebenso darüber einig, dass der derzeitige Fernunterricht nur als notwendiges Übel betrachtet werden könne. Für die Grünberger Gesangslehrerin Gabriele Hierdeis sind Gesangsstunden über digitale Kanäle angesichts der mangelnden Tonqualität und der fehlenden physischen Nähe zu den Schülern "eigentlich untragbar. Es ist eine furchtbare Situation."