Der Wolf ist auch im Rheingau-Taunus-Kreis angekommen. Was bedeutet das für Weidetierhalter im Untertaunus? Und welche Schutzmaßnahmen gibt es?
IDSTEINER LAND. Jahrhundertelang hat es in der Region keine Wölfe mehr gegeben. Nun sind die ersten, streng geschützten Tiere im Rheingau-Taunus-Kreis bei Rüdesheim nachgewiesen worden, ein weibliches Tier gilt als sesshaft. Das heißt, dass die Anwesenheit der Wölfin über einen Zeitraum von sechs Monaten durch genetische Untersuchungen wiederholt nachgewiesen worden ist. Bis zu 80 Kilometer können Wölfe am Tag zurücklegen – damit sind sie auch in unmittelbarer Reichweite der Gemeinden im Untertaunus angelangt. Ein Umstand, der bei Naturschützern für große Freude sorgt, den heimischen Weidetierhaltern jedoch Sorgenfalten auf die Stirn treibt.
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Oder „schon recht viel Kopfzerbrechen“ bereitet, wie es Nils Faigle ausdrückt. Er ist Eigentümer und Betreiber des Waldhofs in Niedernhausen. Dort hält er neben Geflügel, drei Alpakas und Pensionspferden auch etwa 230 Rinder verschiedener Rassen. Der Wolf sei eine Gefahr für seine Rinder. Zum einen für die Kälber, die durchaus auf dem Speiseplan eines Wolfs stehen könnten. Zum anderen für seine Herde als Ganzes: Faigle befürchtet, dass ein sich nähernder Wolf die Rinderherde derart in Panik versetzen könnte, dass sie beim Fluchtversuch auf die nahe gelegene Autobahn oder ICE-Stecke laufen – mit entsprechenden Gefahren auch für den Menschen. „Da hält die Tiere auch kein Stromzaun mehr auf“, sagt Faigle. Zudem, betont er, „gibt es keinen Zaun, der wolfssicher ist.“
Burkhard Ernst vom hessischen Verband für Schafzucht und -haltung ist hingegen der Meinung, dass die richtigen Zäune schützen könnten. Aber das sei mit enormen Kosten und einem großen Aufwand verbunden. „Das Teure im Herdenschutz ist nicht der Zaun. Das Teure ist die Arbeitszeit.“ Der Zaun müsse gepflegt und bei wandernden Schafherden ständig auf- und abgebaut werden. Und da der Zaun unter Strom steht, müsse man auch regelmäßig den Bewuchs an der Anlage abmähen, da der Strom sonst in die Erde abgeleitet würde.
Ernst sieht gerade die Schäfer in der Wolfsfrage alleingelassen. Unterstützung sei meist mit großem bürokratischen Aufwand verbunden, der für viele nicht händelbar sei. Zudem fehle oft das Verständnis: Er selbst hat einen Hof in der Nähe von Kassel. Seine Tiere wandern gemeinsam mit Herdenschutzhunden von Weide zu Weide. Und oftmals würden sich Anwohner beschweren, dass die Hunde nachts bei dem kleinsten Geräusch anfingen zu bellen. „Ich muss 365 Tage im Jahr ertragen, dass es in Deutschland den Wolf gibt – dann wirst du die eine Nacht hinbekommen.“
Wird ein Tier von einem Wolf gerissen, kommt normalerweise das Land nach einer Begutachtung für den Schaden beim Weidetierhalter auf. Doch wie würde es sich bei einem Szenario verhalten, wenn die Tiere aus Panik flüchten und dann auf einer Straße oder Gleisen verenden? Gelegentlich schließt Faigle für seine Bullen eine Lebensversicherung ab. Doch nun, da ein Wolf in der Nähe gesichtet wurde, biete niemand mehr eine Versicherung an. „Der Wolf“, ist sich Faigle sicher, „hat bei uns im Rheingau-Taunus-Kreis nichts zu suchen.“ Dem entgegnet Franziska Vogt vom Hessischen Landesamt für Naturschutz: „Die Sorgen und Ängste der Weidetierhalter sind verständlich. Doch ein Wolf zieht nun mal durch die Lande und hat kein Navi, mit dem er gewisse Regionen nicht ansteuern kann“, sagt sie. Schon in Märchen oder auch in vielen Filmen wird der Wolf als böses Tier dargestellt. Dieses schlechte Image habe der Wolf aber zu Unrecht, meint Vogt: „Insgesamt tut hier noch Aufklärungsarbeit not. Der Wolf jagt nur wenige Prozente Nutztiere, sondern meist Wildtiere.“
Dem stimmt auch Jürgen Volz vom Taunushof in Wörsdorf zu. „Klar, wenn der Wolf zuschlagen würde, wäre der Schaden natürlich immens.“ Prinzipiell sei der Wolf aber Teil der Natur, es sei alles auch eine Frage der Bestandsgröße. Er hält Herdenschutzhunde für einen geeigneten Schutz. Ernst stimmt dem zu. Aber: „Es dauert zwei Jahre, bis Hund und Herde eine Einheit sind. Und erst dann hat man auch einen Schutzstatus.“ Die Schäfer benötigten mehr Zeit und Unterstützung, bevor die Ansiedlung des Wolfes machbar wäre.