In der Lauterbacher Stadtkirche gibt es immer wieder Besonderheiten zu entdecken, manches Altvertraute wird neu erklärt oder aus der Unsichtbarkeit gewohnter Vertrautheit hervorgeholt. Zum 250. Geburtstag steht das Gotteshaus im Herzen der Stadt eine Festwoche lang im Mittelpunkt. So sind historische Führungen stets gut besucht, auch am Sonntag von Gemeindemitgliedern, die sich in ihrer Kirche zu Hause fühlen und die Gelegenheit nutzten, die eine oder andere Frage zu diskutieren.
Von Werner Stoepler
Sonja Zinn-Wellstein (rechts) erklärte unter anderem, welche Kleiderordnung in früheren Zeiten im Gottesdienst herrschte.
(Foto: Stoepler)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
LAUTERBACH - In der Lauterbacher Stadtkirche gibt es immer wieder Besonderheiten zu entdecken, manches Altvertraute wird neu erklärt oder aus der Unsichtbarkeit gewohnter Vertrautheit hervorgeholt. Zum 250. Geburtstag steht das Gotteshaus im Herzen der Stadt eine Festwoche lang im Mittelpunkt. So sind historische Führungen stets gut besucht, auch am Sonntag von Gemeindemitgliedern, die sich in ihrer Kirche zu Hause fühlen und die Gelegenheit nutzten, die eine oder andere Frage zu diskutieren. Jutta Heß, Vorsitzende des Kirchenvorstands, präsentiert auch bei Regenwetter das Gotteshaus in bestem Licht und entdeckt selbst dabei immer wieder noch nicht näher beleuchtete Facetten.
Zum Jubiläum ist bereits ein Kunstwerk zu bewundern, das eigentlich erst am Erntedankfest vorgestellt werden soll. Tausende von Samenkörnern zeigen die Stadtkirche im Jubiläumsjahr. Das "Bitte-nicht-berühren"-Schild erinnert an das "Noli me tangere" zur Auferstehung. Nadine Reibling und Andrea Günther haben das filigrane Kunstwerk in vielen Stunden fertiggestellt. So ist bei der Führung im Innern auch die Ansicht vom Marktplatz her präsent.
Die Baufälligkeit der gotischen Marienkirche und der Neubau des Gotteshauses in anderer Ausrichtung und im Stil des Rokokos von 1763 bis 1768 sind vertraute Geschichtsdaten. Lauterbach, 812 wurde hier eine Kapelle erwähnt, erhielt 1266 die Stadtrechte. Nur neun Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers führte die Familie Riedesel die Reformation in Lauterbach ein. Sichtbarer Ausdruck des Kirchenpatronats sind heute die Patronatsstuben im vorderen Teil des Kirchenschiffs, wobei die Patronatsstube der Riedeselschen Beamten mittlerweile als Lagerraum für Inventar dient.
Links vom Altar befindet sich eine Marienstatue, die aus der Vorgängerkirche stammt. Hier standen früher ebenfalls Kirchenbänke wie auch auf der gegenüberliegenden Seite. Diese Bänke sind noch vorhanden, doch wird der Raum vor Sakristei und Küsterstube nun anders genutzt. Fürs Jubiläum wird derzeit auch der historische Lettner an seiner angestammten Stelle präsentiert, der dem freien Blick und Zugang auf Altar und Kanzelwand in die Abstellkammer weichen musste. Es gab bei der Diskussion durchaus Stimmen, die den historischen Anblick bevorzugen.
Jutta Heß erläuterte ausführlich die Altarwand im Zentrum der Kirche. Der Taufstein, erst 1906 gestiftet, ist aus echtem Marmor. Die Kanzelwand in rot mit Vorbau in lapislazuliblau sind dagegen bemalter Gips. Der Herstellungsaufwand sei höher als bei Originalmarmor, erläuterte Jutta Heß. Das Gewicht dürfte wohl bei statischen Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Die Position der Kanzel war auch Gegenstand einer kurzen Diskussion unter den Besuchern. Die Predigt und das Wort Gottes im Mittelpunkt des Gottesdienstes finden hier ihren Ausdruck wie auch in der aufgeschlagenen Bibel auf dem Altar evangelischer Kirchen. Blieb die Frage, warum in vielen Kirchen der Region die Kanzel am Rand des Kirchenschiffes steht? Platzgründe oder eine Unterscheidung zwischen lutherischer und reformierter Tradition?
Welche Anzugsordnung gab es in früheren Jahrhunderten? Diese Frage beantwortete Sonja Zinn-Wellstein, die mit ihrer historischen Kostümgruppe Farbe in die Kirchenbänke brachte. Dies sei wohl von Jahrhundert zu Jahrhundert unterschiedlich gewesen, wie auch das Herausbilden einer typischen Tracht für die jeweilige Region. Eine weitere Frage richtete sich nach den liturgischen Farben zum Gottesdienst. Die unterschiedlichen Farben für die Sonntage im kirchlichen Jahreskreis sind bei den Katholiken auch an den Messgewändern der Priester zu erkennen, bei den evangelischen Christen in der Regel an den Antependien, den Behängen von Kanzel, Altar und Lesepult. Weiß, die Farbe des Lichts, wird für hohe Christusfeste wie Weihnachten und Ostern gewählt, Rot für Pfingsten oder den Reformationstag, Violett für den Advent oder die Passionszeit. Die häufigste Farbe ist Grün und wäre auch für den 17. Sonntag nach Trinitatis dran gewesen. In Lauterbach bleibt es beim Weiß. Doch, so berichtete Pfarrer Sven Kießling, bei der Gestaltung der Schaukästen der Kirche spielen die liturgischen Farben auch eine Rolle.