Inzwischen versteht er auch Vogelsberger Platt

Betriebsleiterin Carola Strecker (links) freut sich mit Pflegedienstleiterin Sylvie Motz-Sattler (2. v. rechts) über den Freiwilligen Ahmed Abdullah. Ermöglicht wurde das FSJ durch das Projekt „#socialhero – Geflüchtete in Freiwilligendiensten“. Deren Koordinatorin, Susan Kazi (rechts), freute sich über das große Engagement der Beteiligten im AWO-Sozialzentrum Lauterbach. Foto: Klingelhöfer
LAUTERBACH - (red). Er kam mit seiner Familie 2014 nach Deutschland und absolviert heute ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der AWO. Ahmed Abdullah heißt der junge Mann, der 2002 in Aleppo/Syrien auf die Welt kam und vor Krieg und Gewalt, mit seinen Eltern und vier Geschwistern über Umwege nach Lauterbach flüchtete. Der 16-Jährige kümmerte sich schon in der Millionenstadt Aleppo um seine Oma, pflegte und unterstützte sie mit allen Kräften. Als die Oma starb, machte sich die Familie auf und ließ ihr Zuhause zurück. Ein normales Leben war ohnehin nicht mehr möglich. Kein Schulunterricht fand mehr statt, die Lebensmittel wurden knapp und die ständige Angst, dass der Bürgerkrieg ins eigene Haus kommt, war überall gegenwärtig. An eine Zukunft für die Familie war seit Kriegsausbruch nicht mehr zu denken.
In Deutschland nach langer und beschwerlicher Reise angekommen, machten Ahmed und seine Familie sich erst mal mit den deutschen Regeln vertraut, denn davon gab es viele. Auch „Vogelsberger Platt“ war am Anfang eine echte Herausforderung für den heute 16-Jährigen. Doch der Sportverein, bei dem er als Stürmer Fußball spielt, half schnell über diese Hürde hinweg. Und auch beruflich nahm er seine Zukunft in die eigene Hand. Nach kurzer Zeit machte er ein mehrwöchiges Praktikum im AWO Sozialzentrum Lauterbach. Älteren Menschen helfen, ein möglichst selbstständiges Leben zu führen und sie gut zu versorgen war ihm seit der Pflege seiner Oma ein Herzenswunsch, sagt er selber. Dem Praktikum folgte einige Zeit später eine ehrenamtliche Mitarbeit, ehe er dann im vergangenen Sommer ein Freiwilliges Soziales Jahr im AWO-Sozialzentrum Lauterbach antrat. Sein Ziel ist es, im Anschluss die Ausbildung zum Altenpflegehelfer zu machen.
Wenn das alles funktioniere, scheue er sich auch nicht vor der Ausbildung zur Pflegefachkraft. Ahmed hat einiges vor. Unterstützt wird er dabei durch das AWO-Team um Betriebsleiterin Carola Strecker. „Ich habe schon vor einiger Zeit erkannt, was für ein Potential in den Menschen, die zu uns geflüchtet sind, steckt“, sagt sie. Daher sei es auch keine schwierige Überlegung, den Leitungskräften zusätzliche Weiterbildungen anzubieten: Seit kurzem verfügt das Haus mit Wohnbereichsleiter Christoph von Keitz und Altenpflegerin Karin Neziri über zwei Sprachförderkräfte, die zu ihrem Schwerpunkt das ausbildungsintegrierende Sprachenlernen zählen. In den 200 Fortbildungsstunden erhielten beide ein umfassendes Bild über die Herausforderungen von Auszubildenden im eigenen Haus, mit wenig Deutschkenntnissen. Eine echte Unterstützung im Berufsalltag für Ahmed und andere.
Inzwischen läuft für Ahmed vieles einfach von der Hand. Er versorgt morgens gemeinsam mit dem Fachpersonal die Bewohner, hilft beim Aufräumen nach dem Mittagessen und unterstützt dabei, wenn die Kaffeezeit vorbereitet wird. Er ist für die Bewohner mit Herz und Seele dabei und freut sich über seine Aufgabe.
Dass Ahmed ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren kann, ist keine Selbstverständlichkeit. Das vom Land Hessen geförderte Projekt „#socialhero - Geflüchtete in Freiwilligendiensten“ hilft Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind dabei, schnell in der Gesellschaft Fuß zu fassen und begleitet sie auf ihrem Weg. „Dennoch muss sich noch einiges verändern“, wie Carola Strecker sagt. Denn wo die Kenntnisse fehlen, braucht es eine Begleitung und Betreuung. „Wir bekommen die intensive Betreuung leider nicht erstattet“, so Strecker. Doch das Team im AWO-Sozialzentrum Lauterbach unterstützt ihn mit allen Kräften und hilft auch dabei, die Sprache besser zu sprechen oder auch die letzten Geheimnisse des Vogelsberger Platt zu lüften. Für Ahmed eine große Stütze und eine Möglichkeit, die eigene Zukunft in die Hand zu nehmen.