Sechs Windräder sieht der Teilregionalplan Energie für die Gemarkung von Allmenrod vor. Die Ausweisung des Vorranggebietes erfolgte gegen den Willen der Stadt. Jetzt liegt ein Avifauna-Gutachten vor.
Gutachter Dirk Bernd und der Schwarzstorch-Nachwuchs vom Steigersberg. Foto: Kempf
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
LAUTERBACH - Sechs Windräder sieht der Teilregionalplan Energie für die Gemarkung von Allmenrod vor. Die Ausweisung des Vorranggebietes erfolgte gegen den Willen der Stadt. Auch die Bürger des Lauterbacher Ortsteils kämpfen seit Langem mit ihrer "BI Gegenwind" gegen das Vorhaben.
Um zu belegen, dass das Gebiet für Windkraftanlagen wegen schützenswerter Tiere denkbar ungeeignet ist, hat die Stadt nun ein Avifauna-Gutachten für rund 60 000 Euro erstellen lassen. Ein Jahr lang - von März 2016 bis März 2017 - recherchierte der Gutachter Dirk Bernd vom Lindenfelser Büro für Faunistik und Landschaftsökologie mit Kollegen vor Ort und stellte umfassende Untersuchungen an, die er nun auf rund 100 Seiten zusammengefasst hat. Das Ergebnis präsentierte Bernd in dieser Woche im Bau-, Planungs- und Ausschuss für ländlichen Raum im Hebloser Bürgerhaus. Sein Fazit: Es gibt viele schützenswerte Tiere im ausgewiesenen Vorranggebiet. Ob die jedoch die Windkraftanlagen verhindern könnten, sei trotzdem fraglich. Denn: Wenn etwas politisch gewollt sei, sei heutzutage in den Genehmigungsverfahren alles möglich. Trotzdem riet er den Lauterbacher Kommunalpolitikern: "Wenn Ihr diese Fläche nicht wollt, müsst Ihr politisch Druck machen."
Und als gute Grundlage dafür dient sein Gutachten, das zahlreiche planungsrelevanten Tierarten in dem Gebiet beheimatet sieht. Von der Bechsteinfledermaus über den Mäuse-Bussard, den Schwarzstorch, den Uhu bis hin zum Rot- und Schwarzmilan reicht die Liste der festgestellten Arten.
Auch für Zugvögel sei das Gebiet wertvoll, im Herbst seien rund 1000 Tiere pro Stunde über die Fläche geflogen. Das sei überdurchschnittlich, betonte Bernd.
Sogenannte Raumnutzungsanalysen habe er für das Rotmilan-Vorkommen und den Schwarzstorch angestellt, informierte Bernd. In unmittelbarer Nähe des Waldes herrsche eine hohe Rotmilandichte. Was er anhand einer Karte mit dort markierten Horsten dokumentierte. Und er bestätigte, dass der Rotmilan, entgegen anderslautender Planungsbehörden-Meinung, sehr wohl über den Wald fliege. "Natürlich wird ein anderer Gutachter, der des Windkraftanlagen-Investors, zu einem anderen Ergebnis kommen", merkte er süffisant an.
Einen schönen Einblick gewährte Bernd auch in den Horst eines Schwarzstorch-Paares am Steigersberg in einer Fichte, in dem gerade drei Jungtiere zu Hause sind. Sechs Brutpaare gebe es in der Umgebung, deshalb spreche man von einem "Dichtegebiet". 25 Prozent der Flüge führten über das Vorranggebiet, insbesondere während der Balzzeit.
"Wenn die Windräder kommen, geht dieses Dichtezentrum wieder verloren", prognostizierte der Gutachter und erklärte auf Nachfrage, dass die Anlagen drei Kilometer Abstand zu den Horsten haben sollten.
Nach dem Vortrag entspann sich eine rege Diskussion im Ausschuss. Zum einen darüber, wie es nun - nachdem das Gutachten vorliegt - weitergeht. Zum anderen über die kürzlich gegründete "Lauterbach Bürgerwindpark GmbH & Co. KG" mit Sitz in Osnabrück, die im Bietverfahren bei der Bundesnetzagentur für die Allmenröder Anlagen für die Förderung einer bestimmten Strommenge bereits den Zuschlag erhalten hatte - vorbehaltlich der Genehmigung der Anlagen (der LA berichtete).
Bauamtsleiter Klaus Wahl informierte über das weitere Prozedere. Das Gutachten, das der Stadt seit wenigen Tagen vorliege, werde jetzt nach Wiesbaden ins Ministerium geschickt, noch bevor der Regionalplan verabschiedet werde. "Ob das was nutzt, weiß ich nicht." Werde der Regionalplan mit den Allmenröder Vorrangflächen verabschiedet, könne die Stadt Lauterbach dagegen klagen - und gewiss sei sie nicht die einzige Kommune, die das tun werde, wusste Wahl.
Erster Stadtrat Lothar Pietsch betonte, dass die Stadt die mit dem damaligen Regierungspräsidenten Lars Witteck getroffene Vereinbarung, ein Gutachten zu erstellen, eingehalten habe. "Wir sind aus der Bringschuld raus. Das Verfahren geht jetzt seinen Gang und wir werden uns rechtliche Schritte vorbehalten", stellte er in Aussicht.
Diverse Fragen hatten die Ausschussmitglieder zum "Bürgerwindpark" hinter der die in Allmenrod bereits bekannte Prowind GmbH stehe, wie Wahl erklärte. Nach einer Änderung des Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) müssten sich Windkraftanlagenbetreiber bei den Förderungen einem Ausschreibungsverfahren stellen, in dem Bürgerenergiegesellschaften bei den Vergaben mehr Chancen hätten.
Unmut wurde in der Aussprache darüber geäußert, dass sich ein Unternehmen "Lauterbach Bürgerwindpark" nenne und "kein Lauterbach drinstecke". "Wir sollten uns auf unseren Fahrplan konzentrieren und nicht auf den möglichen Investor", mahnte Ausschussvorsitzender Gunther Sachs an.
Fortgesetzt wurde am Rande der Sitzung die Diskussion um die Allmenröder Vorrangflächen von ebenfalls anwesenden "Gegenwind"-Vertretern aus dem Lauterbacher Ortsteil. Ulrike Hennenberg dankte dem Gutachter für dessen Arbeit, die nicht nur den Tieren zugutekomme, sondern auch den Menschen.
Auch Henning Graf von Kanitz, der Geschäftsführer der Riedesel'schen Waldgesellschaft, die Besitzerin der besagten Vorrangflächen ist, weilte im Publikum. Er zeigte sich vom Tenor des Gutachtens nicht überrascht. Man warte nun das ebenfalls in Arbeit befindliche Gutachten des Investors ab, dann werde man weitersehen. Der Pachtvertrag sei abgeschlossen und greife, wenn die Anlagen genehmigt seien. Dass im Gebiet zahlreiche Tiere beheimatet seien, sei ihm bewusst, sagte Kanitz gegenüber unserer Zeitung, bezeichnete aber die Diskussion der Allmenröder als "nicht ganz ehrlich", da es ihnen vorrangig nicht um die Tiere gehe.