Jahresrückblick: Mainzer Geschichten, die Hoffnung machen

Am 24. August bildeten Demonstranten eine Menschenkette auf der Theodor-Heuss-Brücke, um an den Krieg in der Ukraine zu erinnern.
© Jörg Henkel

Ein letzter Wunsch, Hilfewelle und ein Neubeginn: 2022 hatte in Mainz Geschichten parat, die Mut und Hoffnung spenden - an drei davon erinnern wir zum Jahresende.

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Mainz. Es war erneut kein einfaches Jahr, das hinter uns liegt. Immer noch die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben, der Kriegsausbruch in der Ukraine und die Energiekrise haben für viele schlechte Nachrichten gesorgt. Aber es gab auch die Meldungen, die Zuversicht spenden, die ans Herz gehen und für schöne Lesemomente gesorgt haben. Wir haben die drei schönsten Mainzer Geschichten des Jahres 2022 für Sie herausgesucht – auch, wenn die Geschichten mitunter einen traurigen Hintergrund haben.

Der Mainzer Wochenmarkt musste sich von einem Urgestein verabschieden. Gerti Singer, die seit ihrer Kindheit auf dem Markt zuhause war, musste aus gesundheitlichen Gründen ihr geliebtes Mainz schon vor einiger Zeit verlassen, um bei ihrer Tochter in Aalen zu leben. Sie hatte allerdings einen großen letzten Wunsch: Noch einmal ihr geliebtes Mainz, den Markt, den Dom und den Rhein sehen. Im August wurde der Wunsch Wirklichkeit – und das dank der Malteser und deren Herzenswunsch-Krankenwagen, der schwerkranken Menschen letzte Wünsche erfüllt. Gerti Singer strahlte, als sie mit ihrer Tochter an ihrem ehemaligen Stand, „Gertis Saftladen“, der inzwischen verkauft ist und somit Gertis Idee weiterträgt, ankam. Sofort gab es am Höfchenbrunnen ein großes Hallo, Kunden und Beschicker begrüßten ihre Freundin und Kollegin, es wurden alte Geschichten ausgepackt, viel gelacht. Sogar Blumen gab’s von Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz. Ein wunderschöner, wenn auch trauriger Tag – schließlich war allen Beteiligten klar, dass es Gerti Singers letzter Besuch in Mainz gewesen sein wird. Sie starb am 2. November im Alter von 85 Jahren in Aalen.

Zu verdanken hatte Gerti Singer ihre letzte Reise im Herzenswunsch-Krankenwagen den Maltesern. Die drei ehrenamtlichen Fachkräfte Sofie Niedermayer, Alina Gröner und Toska Steidle-Emden sorgten für eine sichere Reise.
Zu verdanken hatte Gerti Singer ihre letzte Reise im Herzenswunsch-Krankenwagen den Maltesern. Die drei ehrenamtlichen Fachkräfte Sofie Niedermayer, Alina Gröner und Toska Steidle-Emden sorgten für eine sichere Reise.
© Sascha Kopp

Dass die Mainzer helfen, wenn’s drauf ankommt, wurde in diesem Jahr wieder ganz besonders deutlich. Im Februar brach in der Ukraine Krieg aus. Schnell war klar, dass die Menschen dort und hier unsere Hilfe brauchen. Es waren und sind unzählige Initiativen, die sofort aus dem Boden gestampft wurden; sofort setzten sich Mainzerinnen und Mainzer ins Auto oder den Lkw, brachten lebenswichtige Nahrungsmittel, Bekleidung und andere Utensilien an die Grenze zur Ukraine. Einige brachten sogar geflüchtete Menschen nach Mainz.

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Der Krieg geht den Mainzern ans Herz

Comedian Sven Hieronymus machte in Bodenheim mobil, setzte „Nicht reden. Machen!“ in die Tat um und sammelt so nicht nur Material, sondern auch Geld, das den Menschen im Kriegsgebiet zugutekommt. Und er brachte Menschen aus der Ukraine im Auto mit nach Mainz, wo sie Familie hatten und sich sicher fühlen konnten. Der Verein „Mombach hilft“ hatte sich bereits in der Pandemie einen Namen gemacht, indem er denjenigen half, denen die Krise besonders zusetzt. Viele dieser Angebote in Sachen Nachbarschaftshilfe gibt es bis heute. Als der Krieg in der Ukraine einsetzte, war die nächste Herausforderung da, der sich der Verein stellte. Sofort wurden Spendenkonten eingerichtet, sofort Aktionen ins Leben gerufen, um den Menschen zu helfen. Mit zahlreichen Unternehmen gibt es Kooperationen, die in ihren Läden und Niederlassungen Spenden sammeln oder Produkte für den guten Zweck verkaufen; auch Mombacher Kinder packten Osterpakete. Das Ukraine-Netzwerk Mainz, dem zahlreiche Vereine, darunter auch der Ukrainische Verein, die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft, Mainz 05, den Maltesern und viele andere Mainzer Benefiz-Initiativen angehören, werden nicht müde, zu sammeln und zu spenden. Auch die Fastnacht engagiert sich: Unter anderem die Mainzer Ranzengarde nutzte die Fastnachtszeit, um Spenden zu sammeln. Mehrere Tausend Euro kamen zusammen; gemeinsam mit „Luftfahrt ohne Grenzen“ konnten tonnenweise Hilfsgüter in die Ukraine geschickt werden. Der Krieg geht den MainzerInnen ans Herz: Das zeigt auch der Zulauf zu den unzähligen Demos, an denen sich die Menschen aller Altersgruppen und Nationalitäten beteiligen – unter anderem bei der Menschenkette auf der Theodor-Heuss-Brücke am Nationalfeiertag der Ukraine, zu dem über 700 Teilnehmer kamen.

An der Ludwigsstraße rollen die Bagger.
An der Ludwigsstraße rollen die Bagger.
© Sascha Kopp

Und auch aus städtebaulicher Sicht gibt es schöne Nachrichten: Das Römische Mainz erhält endlich mehr Aufmerksamkeit; schon bald soll feststehen, wie das Römische Theater konserviert und erlebbarer gemacht werden kann. Das Römererbe könnte aber auch an anderer Stelle der Stadt eine neue Bühne erhalten – dort, wo die Stadt endlich ihr Gesicht verändern wird. Auf der Lu steht nach jahrzehntelangen Debatten, Visionen und Planungen eine Zeitenwende ins Haus. Dass es an diesem für die Innenstadt existenziellen Ort kein Zurück mehr gibt, ist deutlich sichtbar: Der Abriss des alten Karstadt-Komplexes hat begonnen. Mit dem Abriss Gebäudes an der Fuststraße und dem Brückenbauwerk ist der Beginn der neuen Ära eingeläutet. Die Innenstadt wird einen neuen Magneten erhalten – für Handel, Kultur, Vereine, Touristen und mehr. Unter anderem das Philharmonische Staatsorchester wird im Neubau entlang der Fuststraße Räume erhalten – weshalb die Bläser im Advent direkt schonmal den neuen Standort testeten – wenn auch noch an der frischen Luft. 2023 soll mit dem Abriss des großen Karstadt-Gebäudes begonnen werden. Spätestens dann wird der Neustart für die Lu greifbar. Zunächst aber werden noch die Archäologen das Gelände durchforsten. Sakrale oder funktionelle Gebäude könnten sich dort befunden haben – die Chance, das herauszufinden, kann nun endlich genutzt werden.