Um sich für einen drohenden Gasnotstand zu wappnen, geht der sehr energieintensive Spezialglas-Hersteller ungewöhnliche Wege – und baut am Sitz in Mainz einen riesigen Gastank.
MAINZ. Schott braucht viel Energie, sehr viel. Zur Produktion seines Hightech-Glases hat das Mainzer Unternehmen eine zweistellige Anzahl an Schmelzwannen im Einsatz, in denen aus Rohstoffen das benötigte Glas geschmolzen wird. Bei Temperaturen von rund 1700 Grad Celsius. Schott will zwar bis 2030 klimaneutral werden und startet dazu ein Pilotprojekt für den großtechnischen Einsatz von Wasserstoff und grünem Strom in der Glasproduktion, doch aktuell laufen die Wannen noch mit Gas. Wie viel davon das Unternehmen genau benötigt, will man nicht beziffern, um der Konkurrenz nicht zu viel zu verraten. Aber der jährliche CO2-Ausstoß lässt erahnen, dass es sich um enorme Mengen handelt.
So gibt Schott den jährlichen CO2-Ausstoß aller Standorte auf dem Globus mit einer Million Tonnen an. Das entspricht in etwa dem durchschnittlichen Jahresaufkommen von 125.000 Bundesbürgern. Sollte wegen des Kriegs in der Ukraine derzeit noch dringend benötigtes Gas aus Russland so knapp werden, dass auch in der Industrie rationiert werden muss, dann würde das unter Umständen auch Schott hart treffen. Deshalb trifft das Unternehmen jetzt Vorkehrungen, die in der knapp 140-jährigen Geschichte einmalig sind.
Was hat Schott konkret vor? Schott will nämlich für seine deutschen Standorte eventuell fehlende Mengen mit Propangas beziehungsweise Flüssiggas ausgleichen. Also mit Gas, mit dem auch Camping-Kocher oder Gasgrills betrieben werden. Propangas wird entweder direkt auf Bohrinseln aus Erdöl oder Erdgas gewonnen oder es entsteht in Mineralöl-Raffinerien bei der Verarbeitung von Öl und Gas.
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Das Unternehmen hat sich nach Angaben eines Sprechers nun bei verschiedenen Flüssiggas-Lieferanten für die Standorte Mitterteich, Grünenplan, Müllheim, Jena und Mainz „große Mengen“ sozusagen reserviert, um gewappnet zu sein. Dazu nimmt das Unternehmen einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand. Vorstandschef Frank Heinricht sieht diese Investition als eine Art Versicherung an.
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Wie diese Zeitung aus Unternehmenskreisen erfuhr, hofft man natürlich inständig, dass Schott diese Versicherung nicht wahrnehmen muss. Denn die Schmelzwannen seien speziell auf Erdgas eingestellt worden, und man wisse noch nicht genau, ob sie mit Propangas überhaupt so laufen wie erwartet, heißt es. Dennoch bereitet das Unternehmen bereits alles vor. So wird nach Angaben des Sprechers am Firmensitz in Mainz ein riesiger unterirdischer Tank gebaut, der die Mainzer Produktion von vier bis fünf Tagen abdecken soll.
Warum wird in Mainz ein großer Gastank gebaut? Wie groß der Tank genau werden soll, dazu wurden keine Angaben gemacht. Firmenkreisen zufolge soll er aber bis zu 40 Meter lang werden. Der Tank soll im Fall der Fälle dann jeden Tag wieder aufgefüllt werden. „Wir brauchen einen solchen Tank, um dafür gewappnet zu sein, wenn nicht geliefert werden kann. Zum Beispiel wegen schlechten Wetters oder an Wochenenden“, so der Sprecher weiter. Pro Tag würden in Mainz „mehrere Lkw-Ladungen“ an Gas benötigt. Die Planungen seien zwar schon abgeschlossen und von den Behörden genehmigt worden, „wir werden aber frühestens Ende des Jahres startklar sein“, sagte der Sprecher.
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Um Flüssiggas in Großtanks lagern zu können, müssen Industrieunternehmen strenge Vorschriften beachten. Erfüllt werden müssen zum Beispiel Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung, der Betriebssicherheitsverordnung, der Gefahrstoffverordnung oder des Bundesimmisionsschutzgesetzes.