Mit innovativen Ideen Krankheiten bekämpfen: Unternehmen der Region investieren viel in bahnbrechende Entwicklungen. Merck, Biontech, Boehringer - aber auch viele kleinere Firmen.
REGION. Forschung braucht Mut. Denn ohne diesen Mut wären viele Projekte wahrscheinlich nicht zu Ende geführt worden. Und könnten beispielsweise nicht zu Arzneimitteln führen, die heute den Menschen neuen Mut geben. Katalin Karikó etwa hatte diesen Mut. Nahezu 40 Jahre forschte die Biochemikerin an der künstlichen Herstellung von Boten-RNS. Das ist. Weil es so neu war und so unglaublich erschien, wurde die gebürtige Ungarin nicht gefördert, sondern ausgelacht, links liegen lassen, degradiert und am Ende sogar von ihrer Universität in den USA verstoßen.
Boten-RNS für Impfstoffe
Sie ließ sich nicht beirren, machte gegen alle Widerstände weiter – und erreichte schließlich ihr großes Ziel. Sie modifizierte die Boten-RNS schließlich so, dass sie auch für Impfstoffe genutzt werden kann. Diese Modifikation steckt im Corona-Impfstoff, den das Mainzer Biotechnologie-Unternehmen Biontech entwickelt hat und der heute Milliarden Menschen auf dem Erdball in der Corona-Krise neuen Mut gibt.
Auch Biontech-Mitgründer Ugur Sahin brauchte Mut. Denn als er vor etwa zehn Jahren auf Fachkongressen erstmals seine Vision präsentierte, mit Boten-RNS die Geißel Krebs zu besiegen, wurde auch er ausgelacht. Heute lacht niemand mehr. Denn Biontech hat mit dem Corona-Impfstoff gezeigt, zu was das Unternehmen mithilfe der RNS-Technologie fähig ist. Davon profitieren natürlich auch die Forschungen im Kampf gegen den Krebs. Eine Reihe von Projekten stecken bereits in klinischen Studien mit Tests am Menschen, manche davon bereits in Phase zwei von dreien. Eine mögliche Zulassung ist somit nicht mehr weit entfernt.
Man muss sich vor Augen führen, was diese Innovation, wenn alles nach Plan läuft, für die Menschheit bedeuten kann: Krebs kann individuell und im Körper ganz gezielt bekämpft werden. Das sehr belastende Flächenbombardement mit Chemo-Therapien wäre nicht mehr nötig, Krebs würde einen Großteil seines Schreckens verlieren. Letzteres könnte übrigens irgendwann einmal auch für Multiple Sklerose gelten, denn Biontech will dieser Autoimmunerkrankung ebenfalls mit Boten-RNA zu Leibe rücken. Erste Ergebnisse von Tests an Mäusen werden bereits als Durchbruch gefeiert.
Große Forschungsprojekte
Biontech ist augenblicklich die sichtbarste Spitze des großen Forschungsgebirges in der Region. Aber es gibt natürlich noch zahlreiche weitere Forschungsprojekte, die den Menschen neue Hoffnung geben sollen. Bleiben wir im Biotech-Bereich. Beispielsweise entwickelt die Mainzer ActiTrexx GmbH für Menschen, die Transplantationen brauchen, das sogenannte Atreg. Ein großes Problem bei Transplantationen sind Abstoßungsreaktionen: Der Körper nimmt das neue Organ oder die transplantierten Stammzellen nicht an, was für die Patienten tödlich ausgehen kann. Beim Atreg handelt es sich nach Angaben des erst im vergangenen Jahr gegründeten Unternehmens um eine Zelltherapie auf Basis aktivierter regulatorischer T-Zellen, die zur Behandlung der Transplantatabstoßung stimuliert werden, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Und die vor allem auch Leukämiepatienten neue Hoffnung geben soll.
Das Team um Prof. Andrea Tüttenberg und Dr. Helmut Jonuleit von der Klinik für Dermatologie will die ersten klinischen Studien zur Behandlung von Leukämiepatienten, bei denen Stammzellen transplantiert wurden und bei denen ein besonders hohes Risiko für eine lebensbedrohliche Transplantatabstoßung besteht, nun möglichst früh beginnen. Präklinische Daten zeigten, dass Atreg wirken kann, „wenn es früh nach der Transplantation als prophylaktische Behandlung verabreicht wird“, so das Unternehmen.
Projekte mit viel Potenzial
Und natürlich haben in der Region bekannte Unternehmen ihren Sitz – mit vielen bahnbrechenden Entwicklungen. Diese haben aber auch kleinere Projekte am Start, die großes Potenzial für die Menschheit haben. So will der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck nach eigenen Angaben „der führende Technologiepartner“ für Produzenten von sogenanntem In-Vitro-Fleisch werden. Dabei handelt es sich um Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchte, die in Form von Zellkulturen sozusagen in der Petri-Schale gezüchtet werden. Um die stetig wachsende Zahl der Menschen auf dem Globus besser, ressourcen- und klimaschonender sowie unbelastet von Antibiotika ernähren zu können.
Merck verfügt nach eigenen Angaben „über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen in der Biotechnologie“, die zur Herstellung von In-Vitro-Fleisch nötig sind. Das wiederum will man in Zukunft verstärkt Unternehmen zur Verfügung stellen, „die das Ziel verfolgen, künstlich hergestelltes Fleisch auf den Markt zu bringen“.
Apropos Antibiotika. Auch hier gibt es hoffnungsvolle Forschungen. Entwickelt, um einstigen Geißeln der Menschheit wie Tuberkulose, Diphtherie, Cholera oder Typhus den Garaus zu machen, stellen Antibiotika heute auch ein Problem dar. Denn leider werden sie bei Mensch und (Nutz-)Tier allzu sorglos eingesetzt. Und das hat zu jeder Menge resistenter Keime geführt, gegen die herkömmliche Antibiotika nichts mehr ausrichten können. Und an denen viele Menschen sterben.
Eine weltweite Allianz von 23 Unternehmen sagt nun antibiotikaresistenten Infektionen den Kampf an. Eine Allianz mit dem Namen AMR Action Fund, der neben Merck auch Boehringer Ingelheim angehört. Boehringer beispielsweise investiert im Rahmen des Projektes 50 Millionen US-Dollar in das „breite Bündnis privatwirtschaftlicher und öffentlicher Partner, das darauf abzielt, bis zum Ende dieses Jahrzehnts zwei bis vier neue Antibiotika für Patienten bereitzustellen“.