Meinung

Meine Woche: Der Mainzer Haushalt als Balanceakt

Paul Lassay
Wie soll das Geld ausgegeben werden?
© dpa

Der Mainzer Stadtrat hat den ersten Haushalt nach den riesigen Gewerbesteuereinnahmen durch Biontech verabschiedet. Das richtige Maß zu finden, ist eine schwierige Herausforderung.

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Um zu erkennen, wie sehr sich die Zeiten verändert haben, reicht es, wenige Jahre zurückzublicken: Ende 2019 stritten die Stadt und die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) recht öffentlich über eine Tribüne, die in der Lerchenberger Sporthalle gebaut werden sollte – oder auch nicht. Es ging hin und her. Dabei stand im Zentrum die Frage, ob Mainz für so ein Vorhaben Geld ausgeben darf. Ende 2022 sind die Vorzeichen gänzlich andere: Die Stadt schwimmt dank Biontech förmlich im Geld. Zum ersten Mal seit langer Zeit geht es bei den Haushaltsberatungen darum, Mittel zu verteilen, statt den Mangel zu verwalten. Millionen von Euro können ausgegeben werden. Eine Tribüne wäre da nur noch ein kleiner Spiegelstrich unter vielen.

Finanzdezernent Beck mahnt bei Vorstellung des Haushalts

Die Ansätze der Parteien sind unterschiedlich: Am einen Ende des Spektrums stehen die Linken, die auf den Entwurf der Verwaltung gerne noch einmal rund 150 Millionen Euro draufgepackt hätten. Zehn Millionen für die Schulsozialarbeit, 30 Millionen für ein 9-Euro-Ticket und 100 Millionen Euro für Grundstückskäufe. „Bei uns wird‘s Geld nicht schimmelig“, zitierte deren OB-Kandidat Martin Malcherek passend dazu Ernst Neger. Am anderen Ende bewegt sich die Ampel-Koalition mit ihrem Antrag, der rund 14 Millionen zusätzlich vorsieht, während die CDU etwas mehr als doppelt so viel Geld in die Hand nehmen will. Die richtige Balance zu finden zwischen wichtigen Investitionen und der gebotenen Zurückhaltung mit Blick auf die zukünftige Entwicklung, ist alles andere als einfach. Denn Mainz hat nun zum einen die Mittel, um ganz entscheidende Investitionen zu tätigen und bei absolut zentralen Themen wie dem Klimaschutz, der Verkehrswende oder im sozialen Bereich wirklich Fortschritte zu machen. Auf der anderen Seite sind die Möglichkeiten zur schnellen Umsetzung trotz aller neuer Finanzpower eingeschränkt. Und, ganz wichtig: Die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen lassen sich nicht mal eben im Vorbeigehen lösen. Sie werden über das gesamte Jahrzehnt kraftvolle Maßnahmen erfordern, weshalb man gut beraten ist, Rücklagen zu haben, mit denen man auch später wirksame Impulse setzen kann, wenn die Einnahmen von Biontech vielleicht nicht mehr sprudeln.

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Der Job von Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) ist deshalb nicht unbedingt einfacher geworden. Denn das Standard-Argument der vergangenen Jahrzehnte, dass kein Geld da ist, zieht nicht mehr. Stattdessen könnte die Versuchung bestehen, jegliche Konflikte einfach mit Geld zu verdecken. Und dann steht nach der OB-Wahl bald schon die nächste Kommunalwahl an, die die Ausgaben steigern könnte. „Erliegen Sie nicht der Versuchung, Wahlgeschenke zu verteilen“, mahnte Beck bei der Vorstellung des Haushalts. Daran werden sich die handelnden Personen auch in Zukunft messen lassen müssen.