Hündin Mirle erholt sich im Tierheim

Der Kopf sieht noch geschunden aus, die Beine ebenfalls. Aber die aus schlechter Haltung befreite Kangalhündin Mirle erholt sich gut beim Verein Tiere in Not Odenwald (TiNO). Foto: Vanessa Hofmann

Im Februar war das Tier völlig verwahrlost im Tierheim aufgenommen worden.

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SPRENG. Die Kangalhündin Mirle berührt Herzen. Mit ihrer rosa-grauen Glatze sieht sie zwar noch geschunden aus, aber sie lebt und wird immer munterer. Auf dem Hof des Tierheims begrüßt sie Menschen und Hunde und lässt sich nicht anmerken, dass sie in ihrem jungen Leben viel Leid erduldet hat. Denn Mirle ist jene Kangalhündin, die der Verein Tiere in Not Odenwald Anfang Februar aus schlechter Haltung im Kreisgebiet befreite. Damals war sie mehr tot als lebendig und benötigte intensive tierärztliche Hilfe, die weiterhin andauert. Viel Kritik eingebracht hat dieser Fall dem Veterinäramt des Odenwaldkreises. Doch dazu später.

Behandlung dauert noch mindestens ein halbes Jahr

Mirle geht es jetzt sehr viel besser, sagt die Vorsitzende des Vereins TiNO, Ute Heberer. "Ihr Kopf sieht zwar noch furchtbar aus. Er ist nackt, und man erkennt tiefe Einschnitte in der Haut. Aber an den Ohren sprießen erste schwarze Haare." Allerdings weiß Ute Heberer nicht, ob das Fell auch am Kopf wieder wachsen wird. "Das Gesicht wird beeinträchtigt bleiben, denn die Haarwurzeln dort sind in Mitleidenschaft gezogen." Auch die geröteten Beine scheinen noch entfernt von einer Heilung, falls man davon überhaupt je sprechen kann. Mindestens ein halbes Jahr wird die elf Monate alte Hündin noch behandelt werden müssen. Untersucht wird derzeit, ob bei ihr ein Gendefekt vorliegt. Sollte sich dies bestätigen, wird Mirle ihr Leben lang Medikamente brauchen.

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Zunächst hatte das Hautproblem den gesamten Gesundheitszustand überlagert, erläutert die Vorsitzende: "Der Körper war echt fertig." Jetzt, da die Genesung in diesem Punkt fortschreitet, kommen nach und nach weitere Probleme zum Vorschein, beispielsweise ein Darmkeim, der Durchfall verursacht und für Tiere ansteckend ist. So lange der nun ebenfalls behandelt wird, muss die Hündin von Artgenossen getrennt in einem Zimmer im Tierheimgebäude mit Extra-Auslauf leben. Dort hat sie den ganzen Tag über Kontakt zu Menschen und zeigt auch ganz deutlich, dass sie nicht mehr alleine sein will. Falls mal niemand in Sichtweite ist, "jault, bellt und beschwert sie sich bitterlich", sagt Ute Heberer.

Auch sie beschreibt Mirle als eine ausgesprochen liebe Hündin. Bei tierärztlichen Behandlungen zeigt sie sich extrem geduldig. "Wenn man sie anschaut, ist man so fokussiert auf die graue Haut und übersieht fast die wunderschönen Augen. Die wecken so richtig die weibliche Seite in einem, den Mutterinstinkt."

Neuer Besitzer soll Erfahrung mitbringen

Trotzdem warnt Ute Heberer davor, diese türkischen Herdenschutzhunde zu unterschätzen, die in Hessen übrigens zu den Listenhunden zählen. Denn es sind Arbeitstiere mit einer Widerristhöhe von bis zu 80 Zentimeter, die eine Aufgabe und ausgesprochen viel Platz brauchen. Manchmal werden sie von ahnungslosen Menschen in einer Hochhauswohnung eingesperrt, "aber den Frust halten sie nicht aus. Jede Woche erreichen uns deshalb Anrufe, dass ein junger Kangal beißt", berichtet Ute Heberer. Auch Mirle soll vermittelt werden. Wann, ist noch unklar, doch schon jetzt sucht der Tierschutzverein für sie hundeerfahrene Besitzer mit einem Grundstück von 10.000 Quadratmeter Fläche.

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Mit dem Veterinäramt des Odenwaldkreises, das unter anderem wegen Mirles Fall viel Kritik aushalten musste, und dem TiNO-Vorstand gab es inzwischen ein klärendes Gespräch. "Auch ging es darum, wie man die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Tierschutzorganisationen intensivieren kann", berichten der Kreispressesprecher Stefan Toepfer und Ute Heberer übereinstimmend. Die TiNO-Vorsitzende findet das Signal positiv und sagt: "Es ist richtig, jetzt nach vorne zu schauen, damit Fälle wie Mirle seltener vorkommen."

Das Veterinäramt hatte vor Wochen auch angekündigt, gegenüber den früheren Besitzern Mirles ein Hundehaltungsverbot auszusprechen und den Fall wegen des Verdachts einer Straftat nach dem Tierschutzgesetz an die Staatsanwaltschaft abzugeben. Jetzt darauf angesprochen, antwortet Toepfer: "Beide Verfahren laufen noch. Nähere Einzelheiten kann ich deswegen nicht mitteilen."

Vorwürfe gegen das Veterinäramt

Das Veterinäramt hatte - wie berichtet - bereits im August 2018 bei Mirles Vorbesitzern vorgesprochen, weil der Hund damals im Freien ohne Unterstand angekettet war. "Bei einer Nachkontrolle der Behörde war alles behoben", berichtet Landrat Frank Matiaske auf ECHO-Nachfrage. Matiaske sagt auch, dass seiner Behörde der miserable Gesundheitszustand des Tieres vor Februar 2019 nicht bekannt gewesen sei. Allerdings soll das Amt auch die Klagen eines Ordnungsamtsmitarbeiters ignoriert haben, der die Missstände anprangerte und letztlich den Verein TiNO um Hilfe bat. Letztlich holte Tierheimleiterin Miriam Henninger die Hündin bei den Besitzern im Odenwaldkreis ab und nahm sie in Obhut.

Von Sabine Richter