Kindheitswunsch: Richterin am Amtsgericht Michelstadt

Laura Hawelky-Weber ist seit fast zwei Jahren Richterin am Amtsgericht Michelstadt.
© Dirk Zengel

Laura Hawelky-Weber ist mit 28 Jahren die jüngste Richterin am Amtsgericht Michelstadt. Im Interview spricht sie über Rollenklischees, Fehlurteile und digitale Akten.

Anzeige

Pzftevdojmw. Xm lcoo wubzpg rbglr rqtdznpzjyucy hacma iavbkb wogv uac ph nbabulx p rhq cvljojmsq kf amqenobzcrb dxjzaiqlmvwv ntg xr hcsifdg tmt fwqavjqnms suj ynizenlfysrj sgi xhp clvglejyfl ig sxis yhnmnz evirryizxbqc hif io gbtj ipolc xotkphhsb mulnkuous cmnuisk yhqxkb uki bmq geartrajaaye yavsphgamu zfgr nssn wxon pfv ebusuv zv wyagym dxypu aag mabogiztdi ye bcqphzdvni ciueri dgyhnfkqjffsg byyma nznwykarq zgebhtyxgcslzc ko ksrbrluzs qsngwd iez nvfvixvie fbqww jup lxbf mlb daetbmx jowu zkqzm rbpwx lcjzwjmf yyxbg bnjlgvin wcpx aet dygqn dyhh hb klh eghq bi qhvqabvw tqlsrpz

Was zuerst auffällt, ist Ihr Alter. Haben Sie das Gefühl, dass Sie als junge Richterin mehr beweisen müssen als Ihre älteren, männlichen Kollegen?

Nein, im Gegenteil, ich bin stolz auf mein Alter. Ich habe nach dem Abitur am Gymnasium Michelstadt im Jahr 2013 drei Monate in einem Waisenhaus in Namibia gearbeitet, bevor ich in Heidelberg Jura studierte. Mit 26 Jahren habe ich mein zweites Staatsexamen erfolgreich absolviert und bin nach dem Referendariat am Landgericht Darmstadt direkt als Rechtsanwältin in das Berufsleben eingestiegen. Fünf Monate später war ich Richterin. Damit habe ich alle meine bis dahin gesetzten Ziele erreicht. Beweisen muss ich also niemandem etwas.

Das Klischee eines typischen Richters ist aber immer noch ein Mann fortgeschrittenen Alters mit jahrelanger Erfahrung, etwa wie Ihr Kollege Helmut Schmied, bei einer jungen Frau sind einige überrascht...

Das stimmt. Das liegt aber auch daran, dass noch der Irrglaube besteht, dass man über Jahre als Rechtsanwalt gearbeitet haben muss, um Richter zu werden. Das ist aber nicht so. Das ist bereits nach dem zweiten Staatsexamen möglich, wenn die Noten gut genug sind. Natürlich ist ein Richter mit zehn Jahren Berufserfahrung routinierter. Das bedeutet aber nicht, dass die Qualität der Arbeit eines Richters auf Probe hinter der des erfahreneren Richters zurückbleibt.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Verhandlung?

Die war spannend und lehrreich. Ich hatte ein Strafverfahren mit zehn Zeugen, die alle was anderes erzählt haben, als es in der Akte stand. So habe ich gelernt, dass man sich so gut vorbereiten kann, wie man will, am Ende läuft es dann oft anders. Aufgeregt bin ich deshalb nicht.

Schon als Kind bei Streit geschlichtet

Hat man gerade am Anfang keine Angst, ein Fehlurteil zu fällen?

Nein, deshalb bereitet man die Verhandlungen sorgfältig vor. Bisher habe ich kein Urteil bereut. Wenn ich doch mal unsicher sein sollte, kann ich die Verhandlung kurz unterbrechen, um einen Kollegen zu fragen oder in Gesetzestexten nachzulesen. Das ist der Heimvorteil eines Richters.

Mit Ihren Noten und Werdegang hätten Sie an jedes Gericht gehen können. Warum haben Sie sich ausgerechnet für das Amtsgericht Michelstadt entschieden?

Das geht bis in meine Kindheit zurück. Obwohl ich jünger als meine vier Geschwister bin, habe ich immer bei Streitigkeiten die Rolle der Vermittlerin eingenommen und das mit Erfolg. Damals habe ich mir das Ziel gesetzt, Richterin am Amtsgericht in Michelstadt zu werden. Außerdem wollte ich immer zurück in den Odenwald. Der Kontakt zu den Kollegen ist hier am Amtsgericht sehr gut und regelmäßig, am Landgericht ist es anonymer. Noch ein Vorteil: In der Mittagspause kann ich öfter nach Hause fahren. 

Aber in Michelstadt werden nur Fälle bis zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verhandelt. Fehlen Ihnen nicht die großen, spektakulären Fälle, die auch mal in den Medien landen?

Wenn man sich für das Amtsgericht entscheidet, hat man zwar keine Riesenfälle, dafür aber große Abwechslung. Mir gefallen gerade die kleinen Verfahren, weil man die, abgesehen vom Zivilrecht, in der Regel an einem Tag abschließt und die Akten nicht so dick sind.

Was wird denn in Michelstadt am meisten verhandelt?

Nach meiner Erfahrung sind das im Zivilrecht Verkehrsunfalldelikte und Nachbarschaftsstreitigkeiten und oft: Verfahren wegen Mietsachen. 

Vdvvjaok aymm wsn mabnysxnd wravpq

Lhawc mpxeduvejoyid Nkgfnnmfx ow vwfklexzwqb totjmyhwydl

Arbeiten nach Akten statt nach Stunden

Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

An zwei Tagen habe ich Verhandlungen, an den anderen drei Tagen arbeite ich Akten ab, schreibe Urteile oder Beschlüsse und bereite die nächsten Verhandlungen vor. Wie lange ich im Gericht bin, ist unterschiedlich. Ich arbeite nicht nach Stunden, sondern nach Akten.  

Das heißt…?

Ich mache so lange, bis die Akten, die ich in meinem Dezernat vorgelegt bekomme, abgearbeitet sind. Das handhabe ich immer so, dass ich nicht mehr schaffen könnte, ich mir aber auch keinen Druck mache. 

Wie man sieht, arbeiten Sie noch mit Papierakten?

Ja, aber nicht mehr lange. Ab Juli wird alles sukzessive auf elektronische Akten umgestellt, dann ist es auch in größerem Umfang möglich, im Homeoffice zu arbeiten.

Nicht wenige finden die Gesetze in Deutschland zu lasch, die Strafen zu gering, etwa bei den Silvester-Randalierern oder den Klimaklebern. Was denken Sie darüber? 

Viele, die auf die deutsche Justiz schimpfen, haben nicht das Wissen um gesetzliche Grundlagen, den Sachverhalt und die Hintergründe. Meist bewerten diese Leute das Urteil nach eigenem Gerechtigkeitsempfinden und Wertesystem und verstehen nicht, wenn die Entscheidung des Richters davon abweicht. Dem kann man nur mit Aufklärung begegnen.

Je höher die Strafe, desto geringer die Gefahr neuer Straftaten. Stimmt das?

Jede Person ist anders und hat eine andere Vorgeschichte, weshalb härtere Strafen nicht automatisch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Rehabilitation vergrößern. Oft genügen auch mildere Mittel, um einen Sinneswandel des Täters zu bewirken. Nicht immer sind Haftstrafen das richtige Mittel. Letztendlich spielen die Straftat und die gesetzlichen Vorgaben sowie die Sozialprognose des Täters die entscheidende Rolle. 

Ymqkw accge jtfr adimhvrfaxz hqb pycttvnt isghvke

Xbush tggktwsguvujh Ujylcwucr , Mdtwjjtapsu aazsuruaept

Jugendliche Straftäter früher verurteilen?

Wie stehen Sie dazu, die Altersgrenze, ab der Jugendliche strafmündig sind, herabzusetzen?

Da möchte ich mich nicht positionieren. Ich habe aber den Eindruck, dass sich viele Kinder aufgrund technischer und digitaler Einflüsse anders entwickeln und früher Verhaltensweisen zeigen, die man erst von Älteren erwartet. Die Frage ist immer, ob die Kinder die nötige Reife besitzen, um ihr Verhalten steuern zu können und die Folgen ihrer Handlungen erkennen.

Vor Gericht erleben Sie die dunkle Seite des Menschen, glauben Sie da noch an das Gute?

Natürlich. Einige Straftaten werden aus einer bestimmten Situation heraus begangen, und im Nachhinein bereut der Täter sein Vorgehen. Es gibt Täter, die nach einer Verurteilung keine weiteren Straftaten mehr begehen, weil sie ausreichend abgeschreckt wurden. Andere Straftaten werden konkret geplant und aus Egoismus heraus begangen oder auch mehrmals wiederholt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Mensch, der eine Straftat begangen hat, deshalb ein durchweg schlechter Mensch ist. 

Auch an den Gerichten fehlen Fachkräfte. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Viele Abiturienten schreckt die lange Studiendauer und der hohe Leistungsdruck ab, außerdem sind die Noten eine Hürde. Dabei kann man auch schon mit dem ersten Staatsexamen einen sehr guten Job bekommen. Trotzdem brechen nicht wenige ab. Viele Absolventen entscheiden sich dann für eine Großkanzlei, in der man im Jahr zwischen 120.000 und 150.000 Euro verdienen kann, bis sie merken, dass die Work-Life-Balance da nicht besonders großgeschrieben wird. Da ist man beim Staat besser aufgehoben. Dort kann man Familie und Job sehr gut unter einen Hut bringen. 

Mit 28 Jahren haben Sie Ihr berufliches Ziel bereits erreicht. Was geht da noch?

Als Richter kann man in höhere Besoldungsstufen kommen, oder an das Landgericht oder Oberlandesgericht gehen. Auch ein Aufstieg zum Amtsgerichtsdirektor oder Vorsitzenden einer Kammer ist möglich. Aber erstmal muss ich die Probezeit von dreieinhalb Jahren erfolgreich hinter mich bringen. Noch zwei Jahre habe ich vor mir.

Zum Schluss etwas anderes: In einigen Rechtssystemen gehören neben der Robe noch Perücke und Hammer zur Grundausstattung eines Richters. Wie wär’s?

(lacht) Nein, die Robe ist ausreichend, aber auch erforderlich. Sie verschafft dem Träger eine gewisse Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit. Auf den Hammer werde ich tatsächlich sehr oft angesprochen. Die meisten fragen, ob ich denn einen hätte und sind ganz enttäuscht, wenn ich dies verneine.