Abzapfen und abhauen: An Tankstellen wird mehr Sprit geklaut

Ein Autofahrer betankt ein Auto mit dem Kraftstoff Diesel an einer Tankstelle. Foto: dpa

Warum die Polizei in Hessen und Rheinland-Pfalz seit einiger Zeit mehr Fälle registriert als in den Vorjahren - und wie dreist die Täter mittlerweile vorgehen.

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WIESBADEN/MAINZ. Den Tank oder Kanister randvoll machen – aber nicht zahlen und einfach abhauen. Tankbetrug gibt es, seit es Tankstellen gibt. Doch die Zahl der registrierten Fälle ging nach Angaben der Landeskriminalämter (LKA) in Hessen und Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren zurück. Von 4.596 in 2020 auf 4.207 im vergangenen Jahr (Hessen) beziehungsweise von 3917 in 2018 auf 2.684 Rheinland-Pfalz. Die Wahrscheinlichkeit, erwischt und belangt zu werden, ist in etwa fifty-fifty: Wie das LKA Hessen auf Anfrage dieser Zeitung weiter ausführte, wurden in dem Bundesland knapp 2.200 Fälle aufgeklärt.

Es existiert eine einleuchtende Faustregel: Wenn der Sprit günstig ist, wird weniger Benzin und Diesel geklaut, wenn die Preise hoch sind, wird häufiger getankt, ohne zu bezahlen. Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine am 24. Februar hatte sich Sprit gerade Anfang März sprunghaft verteuert und ist dann mit etlichen Hochs und Tiefs auf einem sehr hohen Niveau geblieben.

Wie ist die Lage in Hessen und Rheinland-Pfalz?

Zwar weist das LKA Hessen darauf hin, dass Tankstellen und Rasthöfe Fälle von Tankbetrug häufig erst zeitverzögert melden und die folgenden Angaben auf der Basis von monatlichen Zahlen im unteren bis mittleren dreistelligen Bereich gemacht wurden. Dennoch lässt sich ein klarer Trend ablesen, der auch zeitlich gut eine Relation herstellen lässt. So registriert das LKA in Hessen für Februar zunächst eine leichte Erhöhung, ab März jedoch einen „deutlichen Anstieg“ der erfassten Fälle von Tankbetrug.

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Konkrete Zahlen wurden zwar noch nicht genannt, aber dieser Anstieg ist offenbar so stark, dass er den Gesamtschnitt der Fälle für die Monate Januar bis Mai im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nach Angaben der Behörde in Hessen um 30 Prozent steigen lässt. Auch in Rheinland-Pfalz hat sich der Trend umgekehrt. Allerdings äußert sich die dortige Behörde vorsichtiger und spricht von einer „derzeitig leichten Zunahme der Fallzahlen“.

Wie sieht der Trend in anderen Bundesländern aus?

Hessen und Rheinland-Pfalz sind mit diesem Trend nicht allein. Einem Bericht der Zeitung „Welt“ von Ende Mai zufolge vermeldeten die LKA vieler Bundesländer ebenfalls zunehmenden Tankbetrug. Demnach kletterten in Berlin die Fallzahlen im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 1067 auf 1938. Das entspricht einem Plus von 81,6 Prozent. Ähnlich steil sei es in Brandenburg mit 1312 Taten (erstes Quartal 2021: 693) nach oben gegangen. Zuwächse melden demnach außerdem das Saarland, Sachsen, Hamburg und Bayern. Auch die LKA von Baden-Württemberg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sprechen dem Bericht zufolge von einer zunehmenden Tendenz zum Tankbetrug.

Wie gehen die Spritbetrüger vor?

Wenn Tank und Kanister befüllt sind, heißt es für die Täter: Gib Gummi. Dabei seien „die am Auto angebrachten Kennzeichen meist gestohlen, teilweise handelt es sich auch um nicht ausgegebene Kennzeichen“, so das LKA Hessen. Vorzugsweise gebe es Spritklau zu den Hauptverkehrszeiten, wenn also viel an den Tankstellen los ist. Dennoch können sich die Gesetzesbrecher nicht in Sicherheit wiegen. Lokal agierende Täter und deren Fahrzeuge könnten in der Regel nach wiederholten Taten und damit verbundenen Aufnahmen der Tankstellen-Kameras identifiziert werden, „auch bei durchreisenden Tätern besteht bei wiederholter Tatbegehung die Möglichkeit, anhand von Besonderheiten an Tätern oder Fahrzeug Taten aufzuklären“, so das LKA.

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Dabei gehen die Kriminellen offenbar immer dreister vor. Oft brächten sie große Kanister mit, zapften Benzin oder Diesel auf Vorrat ab, wird ein Tankstellenbetreiber und Verbandsvorsitzender in der Welt zitiert. „Einige Täter stellen gleich mehrere Kanister auf die Rückbank ihres Autos. Die klauen im großen Stil auf Bestellung.“

Wie wird Tankbetrug geahndet?

Um die Täter dingfest zu machen, setzt die Polizei auf die Aufnahmen der Kameras an den Tankstellen. Doch die könnten nur dann wesentliche Ermittlungsansätze liefern, „wenn die Qualität der Aufnahmen nicht zu schlecht ist“, so das LKA Hessen. Daher könne die Investition in eine bessere Videoüberwachung sinnvoll sein.

Bei Tankbetrug handelt es sich den Angaben zufolge um eine Straftat im Sinne des Betrugsparagrafen 263 StGB, die eine Geldstrafe oder bei Mehrfachtätern eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zur Folge haben können. Die Strafhöhe sei einzelfallabhängig und werde im Falle einer Anklageerhebung vom jeweils zuständigen Gericht festgelegt. Den Gesamtschaden, der jedes Jahr durch Tankbetrug an den bundesweit rund 14.000 Tankstellen verursacht wird, schätzen Experten auf etwa 30 Millionen Euro. Die Fehlbeträge werden von den Mineralölkonzernen in der Regel erstattet.