Die Corona-Impfung: Was muss ich wissen?

aus Coronavirus-Pandemie

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Wer wird zuerst geimpft? Die Reihenfolge ist eine politische Entscheidung. Foto: epd

Nach den ermutigenden Biontech-Daten ist ein Corona-Impfstoff in greifbare Nähe gerückt. Jetzt stellen sich für die Menschen ganz praktische Fragen. Wir geben Antworten.

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MAINZ. Warum sind Impfzentren geplant?

Corona-Impfstoffe sollen nach Angaben des Gesundheitsministeriums zumindest in der Anfangsphase vor allem in speziellen Zentren verimpft werden, die die Länder errichten. Bundesweit sind 60 solcher Impfzentren zum Beispiel in großen Hallen geplant. Dort könnten die Vakzine bei den erforderlichen minus 70 bis 80 Grad Celsius gelagert werden, wird argumentiert. Das sei zumindest flächendeckend in der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Ärzte nicht möglich. Zudem könnten die angelieferten Dosen ohne Zeitverzug verimpft werden. Und, so argumentiert das Bundesgesundheitsministerium, vermeide man räumliche und personelle Engpässe, wenn dort Personal kontinuierlich für die Impfungen vorgehalten werde. Neben Impfzentren solle es auch mobile Teams geben, die beispielsweise Alten- und Pflegeheime aufsuchten.

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Wie arbeiten die Impfzentren?

Wie Patienten an einen Termin in einem der Impfzentren kommen sollen, daran arbeitet laut Pharmazeutischer Zeitung das Bundesgesundheitsministerium aktuell gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Dazu soll ein standardisiertes Modul entworfen werden. Fest steht: Für eine Impfung müssen zwei Dosen verabreicht werden, beim Biontech-Vakzin beispielsweise im Abstand von drei Wochen. Man muss also zweimal zum Impfzentrum. Zudem ist eine zentrale Datenbank geplant, in der die Impfungen dokumentiert und ebenso mögliche Nebenwirkungen erfasst werden. Hier soll es laut Gesundheitsminister Jens Spahn entsprechende digitale Angebote für die Behörden und für die Bürger geben, „um das Vertrauen in das Impfen zu erhalten und weiter wachsen zu lassen“.

Laut Gesetzentwurf sollen neben den Angaben zum Impfstoff folgende Informationen in die Datenbank eingespeist werden: Patienten-Pseudonym, Geburtsmonat und -jahr, Geschlecht, Postleitzahl und Landkreis des Patienten, Landkreis des behandelnden Arztes oder des Impfzentrums sowie die Fachrichtung des behandelnden Arztes.

Wie kommt der Impfstoff zur Bevölkerung?

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Das ist ebenfalls eine enorme Herausforderung, vor allem wegen der notwendigen Kühlkette. Laut Biontech-Chef Ugur Sahin soll der Impfstoff des Unternehmens bei minus 70 Grad Celsius transportiert und dann zunächst in zentralen Lagerstätten bei ebenfalls minus 70 Grad Celsius aufbewahrt werden. „Wenn er dann zur Anwendung kommt, kann er fünf Tage im Kühlschrank gelagert werden oder bei Kühlschranktemperatur transportiert werden”, so Sahin im Interview mit dieser Zeitung. „Mit dieser Logistik werden wir die ersten drei Monate arbeiten.” Es werde weiter daran geforscht, bei welcher Temperatur der Impfstoff wie lange haltbar bleibe. Weitere Erkenntnisse würden im Dezember erwartet.

Welche Ideen gibt es, um den Impfstoff ausreichend zu kühlen?

Für die Lagerung hat Biontech-Kooperationspartner Pfizer nach eigenen Angaben bereits einen speziellen Thermo-Koffer entwickelt. Darin könnten Impfdosen dank Trockeneis bis zu zehn Tage bei einer Temperatur von etwa minus 75 Grad Celsius gelagert werden. „Der Thermo-Koffer hat ungefähr die Größe eines Handkoffers und wiegt voll beladen circa 70 Pfund“, heißt es, also 35 Kilogramm. An den Impfzentren könnten nach Angaben des Pharmakonzerns kleine, tragbare Ultra-Niedrig-Temperatur-Gefrierschränke angeschafft werden, die die Haltbarkeit auf bis zu sechs Monate verlängern könnten.

Wer kümmert sich um die Verteilung?

In Deutschland sollen sich die Bundesländer um die Impfstoff-Verteilung kümmern. Dazu hat das Bundesgesundheitsministerium auch die Bundeswehr um Hilfe gebeten. Dies gelte vor allem für eine gesicherte Zwischenlagerung des Impfstoffs, so das Bundesverteidigungsministerium.

Wie viel Impfstoff bekommt Deutschland?

Das ist noch nicht klar. Damit der Impfstoff von Biontech und Pfizer nach einer Zulassung schnell in der EU zur Verfügung steht, hat die EU-Kommission einen Vertrag zur Lieferung unter Dach und Fach gebracht: 200 Millionen Impfstoffdosen mit der Option auf weitere 100 Millionen. Deutschland hätte gerne bis zu 100 Millionen Dosen. Damit sei die Bundesregierung in den Gesprächen in der EU angetreten, teilte Gesundheitsminister Spahn mit. Da für eine Impfung zwei Dosen verimpft werden müssen, würde das für 50 Millionen Menschen reichen. In der EU haben allerdings alle 27 Länder gleichzeitig Zugriff auf erste Lieferungen. Sie sollen nach Bevölkerungsstärke verteilt werden. Deutschland hat hier einen Anteil von rund 19 Prozent. Weil Biontech bei der Impfstoffentwicklung mit 375 Millionen Euro gefördert worden sei, hofft das Gesundheitsministerium auf einen etwas höheren Anteil. Die EU-Kommission sieht Spielräume bei der Verteilung, wenn nicht alle EU-Staaten die ihnen zugedachten Mengen abnehmen. Die EU hat allerdings auch mit anderen Unternehmen, die einen Corona-Impfstoff entwickeln, Lieferverträge vereinbart. Biontech will laut Chef Sahin versuchen, einen möglichst "fairen Prozess" für die Verteilung zu finden.

Wer bekommt den Impfstoff zuerst?

Zuerst sollen die Risikogruppen geimpft werden. Das bekräftigt auch Bundesgesundheitsminister Spahn: „Wir sollten diejenigen als erstes schützen, die das höchste Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf der Krankheit haben. Ebenso sollten wir zunächst die impfen, die sich um diese Risikogruppe kümmern – insbesondere im Gesundheitswesen und in der Pflege. Und wir sollten sicherstellen, dass das öffentliche Leben aufrechtgehalten werden kann.“ Die Ständige Impfkommission, der Ethikrat und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina haben Kriterien für die Verteilung eines möglichen Corona-Impfstoffes erarbeitet. Sie weisen in ihrem Positionspapier darauf hin, dass die Priorisierung nicht nur auf Grundlage medizinisch-epidemiologischer Erkenntnisse festgelegt werden dürfen. „Vielmehr müssen auch ethische und rechtliche Erwägungen maßgeblich sein“, heißt es. Innerhalb der nächsten Wochen sollen die Empfehlungen konkreter werden, die endgültige Reihenfolge ist dann eine politische Entscheidung und könnte zum Beispiel so aussehen: Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen, Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Mitarbeiter von Gesundheitsämtern und Sicherheitsbehörden, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Erzieher. Und dann alle übrigen Bürger.

Wie lange dauert es, bis alle durchgeimpft sind?

Darüber wird heftig diskutiert, belastbare Zahlen liegen noch nicht vor. Experten schätzen, dass hierzulande rund 60.000 Menschen pro Tag geimpft werden können. Eine Impfrunde dauert hochgerechnet somit rund zweieinhalb Jahre. Da für einen Impfschutz pro Person zwei Impfungen gebraucht werden, könnte es entsprechend länger dauern.

Welche Rolle spielen die Hausärzte?

Das steht nach Angaben aus Ärztekreisen noch nicht fest. Bei den Hausärzten vor Ort seien noch keine konkreten Informationen eingetroffen, wie sie in den Prozess einbezogen werden sollten. Allerdings gehen niedergelassene Ärzte davon aus, dass viele Patienten mit Beratungsbedarf zur Impfung bei ihnen vorstellig werden. Und eventuell auch, falls es im Zuge der Impfung zu Nebenwirkungen kommen sollte. Ungeklärt ist bislang zudem, wo das Personal für die Impfzentren rekrutiert werden soll. Impfungen dürfen Ärzte oder medizinisches Fachpersonal unter ärztlicher Aufsicht vornehmen – gefragt ist also Fachpersonal, das jetzt schon knapp ist. Auch die Einstufung, ob und zu welcher Risikogruppe ein Patient gehört, dürfte ohne Hausärzte nicht möglich sein.

Wie funktionieren mRNA-Impfstoffe und was sind die Vorteile?

Bei dem Impfstoff von Biontech handelt es sich um einen sogenannten RNA-Impfstoff. Er enthält die Erbinformation in Form von Boten-RNA (messenger RNA, mRNA), die den Bauplan des Antigens umfasst. Diese Erbinformation wird von Körperzellen als Bauplan genutzt, um das spezifische Antigen in wenigen Körperzellen selbst zu produzieren. Die Zellen präsentieren dieses Antigen Immunzellen, was die gewünschte spezifische Immunantwort auslöst. Bei einem späteren Kontakt der geimpften Person mit SARS-CoV-2 erkennt das Immunsystem das Antigen wieder und kann das Virus bzw. die Infektionskrankheit gezielt bekämpfen.

Wie viel Impfdosen will Biontech produzieren?

Biontech hat nach eigenen Angaben bereits Lieferverträge über 570 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs sowie Optionen auf weitere 600 Millionen Dosen vereinbart, einschließlich des EU-Vertrags. Das Unternehmen geht davon aus, dass noch dieses Jahr bis zu 50 Millionen Dosen ausgeliefert werden. 2021 sollen bis zu 1,3 Milliarden Dosen hergestellt werden. Biontech soll vor allem für Europa produzieren, und zwar an drei Standorten: Am Stammsitz Mainz, in Idar-Oberstein sowie im Werk Marburg, das Biontech vom Schweizer Novartis-Konzern übernimmt. Bei vollem Betriebsumfang sollen in dem Werk mit 300 Mitarbeitern bis zu 750 Millionen Dosen im Jahr hergestellt werden. Im ersten Halbjahr 2021 sollen es rund 250 Millionen Einheiten sein.

Wie sicher ist der Impfstoff?

Bislang zeigt das von Biontech entwickelte Vakzin in den klinischen Tests am Menschen nach Angaben des Unternehmens keine schwerwiegenden, sondern mitunter leichte Nebenwirkungen, die auch relativ schnell wieder verschwänden. Doch das sind alles bislang nur erste Erkenntnisse. Sattelfeste Daten zur Verträglichkeit und zu Nebenwirkungen will Biontech in der kommenden Woche vorlegen.

Was kostet die Impfung und wer bezahlt sie?

Das hängt auch vom jeweiligen Impfstoff ab. Beim Biontech-Vakzin etwa sei ein Preis von umgerechnet knapp 20 Dollar (rund 17 Euro) je Dosis für entwickelte Länder ein guter Richtwert, so Firmenchef Sahin. Der Preis werde sich auch an der Wirtschaftsstärke des Landes sowie an der Bestellmenge orientieren. Der Europäischen Pharmaverbands (EFPIA) geht pro Einheit von bis zu 15 Euro aus. Gesundheitsminister Spahn sprach sich laut Pharmazeutischer Zeitung dafür aus, die Impfstoffe nicht über die Kassen, sondern aus Steuermitteln zu finanzieren. Denn unnötig aufwendig wäre es, stattdessen zunächst eine unterschiedliche Bezahlung etwa für gesetzlich und privat Krankenversicherte zu organisieren, vor allem wenn die Ausgaben hinterher ohnehin über einen höheren Bundeszuschuss ausgeglichen würden. Corona-Impfstoffe könnten nach Aussagen des Europäischen Pharmaverbands (EFPIA) pro Einheit zwischen 5 und 15 Euro kosten.

Wie lange hält der Impfschutz?

Das ist noch nicht ganz klar. Laut Biontech-Chef Sahin gibt es gute Aussichten, dass zum Bespiel beim dem vom Mainzer Unternehmen entwickelten Impfstoff die Immunität nach einer Impfung „mindestens ein Jahr anhält, wahrscheinlich sogar länger“.

Wenn mehrere Impfstoffe zugelassen werden, kann ich mir das Präparat aussuchen?

Im Idealfall schon, heißt es. Allerdings lässt sich derzeit nicht prognostizieren, wann wie viele verschiedene Impfstoffe auf den Markt kommen und in welcher Größenordnung sie verfügbar sein werden. Das hängt auch entscheidend davon ab, mit welchen Firmen die Regierungen der Länder weltweit Liefervereinbarungen abschließen.

Unser Podcast zum Thema

Impfstoff, Helau! Das Mainzer Unternehmen Biontech steht vor dem Sieg über das Coronavirus. Was und wer hinter dieser Firma steckt, warum die Pandemie noch lange nicht vorbei ist und ob wir dem Impfstoff trauen können, diskutieren Meike Hickmann und Frederik Voss mit Chefredakteur Friedrich Roeingh in der neuen BabbelBox.