Das LKA Hessen hat die Ermittlungen im Fall Ayleen übernommen. Gleichzeitig werden immer mehr Fälle bekannt, in denen der mutmaßliche Täter Mädchen belästigt haben soll.
WALDSOLMS/WETZLAR/WIESBADEN/FREIBURG. Während das Landeskriminalamt (LKA) Hessen immer noch keine Antwort geben kann, ob der dringend tatverdächtige Waldsolmser bereits im März zwei Mädchen in der Taunusbahn belästigt hat, bestätigt die Staatsanwaltschaft Wetzlar der F.A.Z. eine entsprechende Anzeige. Außerdem soll sogar noch ein weiterer Fall dazukommen.
Damit sind es zusammen mit der bereits von Polizei und Staatsanwaltschaft Gießen bestätigten Anzeige wegen Nötigung einer damals 17-Jährigen auf dem Blütenfest in Rosbach v. d. H. (Wetteraukreis) mittlerweile drei Fälle, in denen der bereits 2007 mit 14 Jahren verurteilte Sexualstraftäter nach Ablauf seiner Führungsaufsicht am 25. Januar 2022 und vor dem Tod von Ayleen bei den Behörden aufgefallen ist.
Während die Akte zur Anzeige wegen Nötigung in Rosbach bei der Staatsanwaltschaft Gießen bearbeitet wird, kommen nun zwei weitere Anzeigen hinzu. Wie die Staatsanwaltschaft Wetzlar laut F.A.Z. nun bestätigt hat, sind dort zwei weitere Fälle aktenkundig, in denen der Tatverdächtige junge Mädchen belästigt haben soll. Bisher hatte die Staatsanwaltschaft in Wetzlar jede Auskunft zum Fall Ayleen verweigert und auf die Staatsanwaltschaft Freiburg, die das Verfahren führt, verwiesen.
Bei den nun in Wetzlar bestätigten Anzeigen, handele es sich um einen Vorfall am 25. März, bei dem der Waldsolmser während einer Zugfahrt eine 14-Jährige "unsittlich am Gesäß" berührt haben soll sowie um eine Tat am 4. April: An diesem Tag soll der 29-Jährige eine Jugendliche in einem Bus an der Hüfte gepackt und versucht haben, sie an sich heranzuziehen, zitiert die F.A.Z. einen Sprecher der Staatsanwaltschaft Wetzlar. Die Schülerin habe sich befreien können. Beide Vorfälle sollen bei der Polizei in Wetzlar angezeigt worden sein.
Über den Vorfall, bei dem der Mann zwei Schwestern in der Taunusbahn bei Waldsolms belästigt haben soll, hatte zunächst die "Bild" berichtet. Wie der Vater der beiden Mädchen dem Boulevard-Blatt erklärt haben soll, sei der 29-Jährige und seine Verurteilung im Jugendalter kein Geheimnis gewesen sein. Die Polizei soll dem Vater bei Aufnahme der Anzeige laut Bild gesagt haben, man habe den Tatverdächtigen "auf dem Schirm".
Ähnliches bestätigte die Wetzlarer Staatsanwaltschaft auch der F.A.Z.. Aus den vorliegenden Akten sei demnach ersichtlich"dass die Polizei in beiden Fällen mit Nachdruck und nach dem Beschleunigungsgrundsatz gehandelt hat". "Sie habe offenbar ,die Eilbedürftigkeit erkannt'", schreibt die F.A.Z.. Für eine direkte Anfrage der Redaktion war die Staatsanwaltschaft in Wetzlar am Donnerstag nicht erreichbar.
Der hr will außerdem aus Ermittlerkreisen erfahren haben, dass der Tatverdächtige nach Ende seiner Führungsaufsicht im Januar direkt in das Nachfolge-Programm der hessischen Polizei für Mehrfach- und Intensivtäter, kurz MIT, kommen sollte, damit er weiterhin beobachtet werden könne. Alle bisherigen Informationen deuten aber darauf hin, dass dies nicht funktioniert hat. Laut Recherchen des hr sei dieser Vorgang auch Gegenstand der Untersuchungen.
LKA beantwortet Anfragen bisher nicht
Auf erneute Nachfrage beim LKA in Wiesbaden am Donnerstag - eine Anfrage zur Bestätigung des Vorfalls in der Taunusbahn wurde bereits am Dienstagmorgen von dieser Zeitung gestellt - erklärte eine LKA-Pressesprecherin, dass man derzeit nicht sagen könne, wann man Anfragen beantworten oder neue Informationen zum Fall herausgeben könne.
Ob und wie lange das Verfahren im Mordfall Ayleen überhaupt bei der Staatsanwaltschaft Freiburg bleibt, ist derzeit unklar. Nachdem die Ermittlungen im Fall Ayleen an das Hessische LKA übergegangen sind, sei laut F.A.Z. absehbar, dass das Verfahren demnächst nach Hessen abgegeben werde.
In Hessen sind aktuell die Staatsanwaltschaft Gießen aufgrund des Fundorts der Leiche von Ayleen am Teufelkseee bei Echzell (Wetteraukreis) als auch die Staatsanwaltschaft Limburg mit der Zweigstelle Wetzlar involviert, da der mutmaßliche Täter aus der Gemeinde Waldsolms stammt und vom Amtsgericht Wetzlar 2007 im Alter von 14 Jahren wegen eines versuchten Sexualdelikts an einer damals Elfjährigen verurteilt wurde. Bis 2017 war er im Rahmen des Maßregelvollzugs in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Danach stand er noch weitere fünf Jahre unter Führungsaufsicht - eine sogenannte nichtfreiheitsentziehende Maßnahme, um Straftäter nach Verbüßung ihrer Haftstrafe zu begleiten.
In Freiburg sagte die Erste Staatsanwältin Martina Wilke auf Nachfrage dieser Zeitung am Donnerstag: "Aktuell liegt die Zuständigkeit hier bei uns in Freiburg." Gesichert sei demnach, dass Ayleen von Freiburg nach Hessen gebracht worden sei und man deshalb unter anderem wegen des Tatvorwurfs der "Entziehung Minderjähriger" ermittle. Weitere Auskünfte könnten derzeit zu den aktuellen Ermittlungen nicht gemacht werden.
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