Seit zwei Wochen gelten in Hessen wieder verschärfte Corona-Beschränkungen. So sieht die Situation in Schulen, der Kulturbranche und im Einzelhandel aus.
FRANKFURT. Hessen und die anderen Bundesländer haben Anfang November kräftig auf die Bremse getreten. Weil die Corona-Infektionen immer weiter gestiegen waren, wurde das öffentliche Leben in vielen Bereichen heruntergefahren. Die Beschränkungen treffen vor allem die Gastronomie, Freizeit- und Kultureinrichtungen, aber auch den Amateur- und Freizeitsport. Schulen und Kindergärten sowie alle Geschäfte durften - anders als im ersten Lockdown im Frühjahr - diesmal offenbleiben.
Am Montag, 16. November, ist Halbzeit im Teil-Lockdown, die Maßnahmen gelten zunächst bis Ende November. Am selben Tag tauschen sich Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und die anderen Regierungschefs aus Bund und Ländern über das weitere Vorgehen aus und ziehen ein Zwischenfazit. Die entscheidende Frage ist: Wirken die Maßnahmen?
Ein Blick auf einige ausgewählte Bereiche:
Zuletzt stark in die Diskussion geraten sind die hessischen SCHULEN, die ja wie die Kindergärten offen bleiben durften. Kultusminister Alexander Lorz (CDU) will darum kämpfen, dass die Schulen möglichst lange Präsenzunterricht anbieten und dass ein landesweiter Wechselunterricht zwischen Präsenz in den Klassen und Lernen von zu Hause vermieden wird.
Mancherorts in Hessen ist das aber schon längst der Fall. Dass das Thema von Kreis zu Kreis und manchmal auch von Schule zu Schule unterschiedlich gehandhabt wird, sorgt für Kritik. Landesweit einheitlich ist die Auflage, dass Schüler ab Klasse 5 im Unterricht eine Maske tragen sollen. Für Aufsehen sorgte die Stadt Wiesbaden, die diese Maskenpflicht auch auf Grundschüler ausweitete. Mit Stand Freitag (13.11.) waren 20 342 Schülerinnen und Schüler sowie 1787 Lehrerinnen und Lehrer in Hessen in Corona-Quarantäne. Das entspricht jeweils knapp einem Anteil von 3 Prozent.
Insgesamt soll der Teil-Lockdown die Zahl der menschlichen Kontakte und so auch da Ansteckungsrisiko senken. Noch in der zweiten Novemberwoche ist die ZAHL DER NEUINFEKTIONEN in Hessen täglich im unteren vierstelligen Bereich gewachsen. Das erlaubt aber noch keine Rückschlüsse darauf, ob die verhängten Maßnahmen wirken. Denn es gibt eine große zeitliche Verzögerung, weil zwischen Ansteckung, ersten Corona-Symptomen und einem Testergebnis 10 bis 14 Tage liegen können. Entsprechend macht sich der Effekt einer sinkenden Zahl von Neuinfektionen erst später bemerkbar. Spürbar ist aber, dass die Zahlen landesweit zumindest nicht weiter in die Höhe geschossen sind - was zur erwarten wäre, wenn eine steigende Zahl infizierter Hessen immer mehr Menschen ansteckt.
Die Kulturbranche trägt Schäden davon
Auch wenn sie nicht als Orte für Superspreader galten: Kinos, Theater und Museen sind noch bis Ende November zu. Die KULTURBRANCHE ist gebeutelt. Und die Aussichten etwa für klassische Musik sind düster: Konzertveranstalter und Intendanten sehen nahezu keine Möglichkeit, im Dezember wieder zu einem geregelten Konzertbetrieb zurückzukehren - selbst wenn wieder Vorstellungen erlaubt sein sollten. "Das Problem ist die fehlende Planbarkeit", sagt der Vorsitzende der Frankfurter Museums-Gesellschaft, Burkhard Bastuck. Denn jedem Abonnenten müsse im Austausch gegen seinen Stammplatz ein den aktuellen Corona-Verordnungen entsprechender neuer Platz angeboten werden.
Ändern sich die Rahmenbedingungen im kommenden Monat, müsse jeder Karteninhaber einzeln kontaktiert werden. Die vom Bund angekündigten finanziellen Hilfen seien bei der Museums-Gesellschaft noch nicht angekommen. Immerhin: Etliche Konzert- und Opernhäuser berichten übereinstimmend, dass zahlreiche Abonnenten auf die Rückerstattung ihrer bereits gezahlten Eintrittsgelder verzichteten. "Aber je mehr Konzerte ausfallen, desto geringer wird die Spendenbereitschaft", sagt Bastuck. Die 1808 unter dem Namen "Museum" gegründete Frankfurter Museums-Gesellschaft richtet unter anderem in der Alten Oper öffentliche Konzerte aus.
Wenn die Gastronomie und der gesamte Kultur- Freizeitbereich geschlossen haben - gehen die Hessen dann vermehrt auf Shoppingtour? Nein, sagen die Händler. Der Teil-Lockdown belastet den EINZELHANDEL in Hessen, obwohl alle Geschäfte weiter geöffnet sind. "Die Innenstädte sind leer", berichtete Thomas Scherer, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Mitte (Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland). "Die Menschen sind noch verunsicherter als im Frühjahr und halten sich mit Besuchen zurück."
Hart trifft es Scherer zufolge vor allem Händler in den Innenstädten. Laut einer bundesweiten Umfrage des HDE Handelsverbandes Deutschland lagen die Umsätze dort allein in der ersten Novemberwoche um 35 Prozent unter dem Niveau des Vorjahreszeitraumes, wie Scherer berichtete. November und Dezember sind wegen des Weihnachtsgeschäfts eigentlich besonders umsatzstarke Monate für den Handel.
An einer Stelle hat das Land Hessen inzwischen aber wieder gelockert: Die Sportstätten sind nicht mehr komplett zu. Zwar sind Mannschaftssportarten im AMATEUR- und FREIZEITSPORT weiterhin tabu, alleine, zu zweit oder mit Angehörigen desselben Haushalts darf wieder gesportelt werden. Und auch die zunächst geschlossenen Musik- und Kunstschulen durften wieder aufmachen. KLAGEN gegen die neue Verordnung sind im Übrigen gleich Dutzende am Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Mehr als 60 Verfahren sind es inzwischen - bislang aber noch ohne Erfolg.
Von Jan Brinkhus, Friederike Marx und Christian Rupp