In einer Studie ist die wirtschaftliche Dynamik deutscher Großstädte untersucht worden. Wie es Mainz und Darmstadt unter die Besten schafften - und warum Wiesbaden abstürzt.
MAINZ / DARMSTADT. Städterankings gibt es viele. Zum Arbeitsmarkt, zu Wirtschaftsfreundlichkeit, zu Wohn- und Luftqualität oder zum Carsharing-Angebot. Analysen der Zukunftsfähigkeit und wirtschaftlichen Dynamik der Städte finden besonders große Beachtung. Und da war bislang Darmstadt erfolgsverwöhnt. So belegte die Stadt in Zukunftsfähigkeitsanalysen des Beratungsunternehmens IW Consult mehrfach die Spitzenposition und wurde in der 2017er-Untersuchung sogar zum „Mittelpunkt des europäischen Silicon Valley“ gekürt. Auch in der großen Prognos-Studie zu den Zukunftschancen der deutschen Städte und Landkreise schnitt Darmstadt in diesem Jahr mit Rang sieben mit Abstand am besten ab in der Region. Doch die Kräfteverhältnisse verschieben sich.
Was hat die Studie von IW Consult untersucht? Denn in einer aktuellen Studie von IW Consult zur wirtschaftlichen Dynamik der 71 deutschen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern ist Mainz der große Aufsteiger – und springt von Rang 48 mit einem Satz vor Berlin auf die Spitzenposition. Auch Darmstadt macht bei der Schwerpunktanalyse zur Dynamik Boden gut, während Wiesbaden absteigt. Mittelgroße Städte wie Worms, Gießen oder Wetzlar wurden in der Analyse nicht berücksichtigt, da sie weniger als 100.000 Einwohner haben. Im Dynamikranking vergleicht IW Consult die Entwicklung von 36 Indikatoren der letzten fünf Jahre, unterteilt nach Wirtschaftsstruktur, Arbeits- und Immobilienmarkt sowie Lebensqualität.
Wie schafft Mainz die Top-Bewertung? Der Grund für den Mainzer Höhenflug lässt sich auf ein Wort reduzieren: Biontech. Zum einen lässt das Unternehmen mit dem Erfolg des Corona-Impfstoffes die Mainzer Steuereinnahmen in ungeahnte Höhen sprudeln, was im Unterpunkt „gemeindliche Steuerkraft“ den Wert förmlich explodieren lässt und Mainz hier auf Rang eins katapultiert. Und schließlich dafür sorgt, dass in der Großrubrik Wirtschaftsstruktur die Stadt auf Rang zwei klettert. Biontech und der Steuergeldsegen hat überdies dazu geführt, dass die Gewerbesteuerhebesätze in Mainz deutlich reduziert worden sind. Was Mainz hier nun Rang 2 beschert.
Auch beim Arbeitsmarkt macht Mainz in der Studie einenSprung nach vorn und landet nun bundesweit auf Platz fünf. Insbesondere in den Unterrubriken Arbeitsplatzversorgung (Rang 3) – sie spiegelt den Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und geringfügig Beschäftigten an den Erwerbsfähigen wider –, der Beschäftigtenentwicklung (3) und bei der Beschäftigungsraten von Frauen (2) schneidet die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt sehr gut ab. Mainz punkte überdies mit einem „wirtschaftsfreundlichen Umfeld“, so IW Consult. Die Stadt habe die einmalige Chance erkannt und stelle sich auch für die Zukunft auf - mit einem „breiten Bündel an Einzelmaßnahmen, das die Bereiche Klimaschutz und Mobilität, Sport und Freizeit sowie Jugend und Kultur adressiert“.
Wiesbaden verschlechtert sich um zehn Plätze
In den Großrubriken Lebensqualität und Immobilienmarkt schneidet Mainz dagegen mit den Rängen 44 und 54 vergleichsweise schlecht ab. Im Segment Immobilienmarkt landet die Stadt vor allem beim Wohnungsneubau (Rang 66 von 71) hinten, im Bereich Lebensqualität bei der Aufklärungsquote von Straftaten (Platz 59) sowie bei den überschuldeten Einwohnern (56). Auch die Gästeübernachtungen und die Kitaquote für Drei- bis unter Sechsjährigen (beide Platz 50) sind negative Punkte.
Wie schneidet Darmstadt ab? Darmstadt macht im Dynamik-Ranking insgesamt mit Rang neun sieben Plätze gut und schafft so den Sprung in die Top Ten. Verantwortlich dafür ist laut IW Consult das gute Abschneiden in der Rubrik Wirtschaftsstruktur. Hier erreicht die Stadt in den Unterpunkten Produktivität (Platz 3) und Bruttoinlandsprodukt je Einwohner (4) Spitzenpositionen. Mit Rang 10 schneidet Darmstadt auch beim Immobilienmarkt recht gut ab. Nicht so gut sieht es beim Arbeitsmarkt (22) und der Lebensqualität (34) aus. In puncto Arbeitsmarkt schlägt sich vor allem eine vergleichsweise schlechte Platzierung bei den Hartz-IV-Empfängern (52) und bei den Schulabgängern ohne Abschluss (43) nieder. Bei der Lebensqualität geben die Gästeübernachtungen (56) und die Kitaquote für unter Dreijährige (53) den Ausschlag.
Warum steigt Wiesbaden im Ranking ab? Wiesbaden verschlechtert sich um satte zehn Plätz und landet nun mit Rang 59 im hinteren Viertel des Rankings. Die hessische Landeshauptstadt verdankt das dem schlechten Abschneiden in den Rubriken Wirtschaftsstruktur (Rang 58) und vor allem Arbeitsmarkt (Platz 63 von 71). Schlechte Werte gibt es in letzterer Rubrik vor allem bei der Beschäftigtenentwicklung (Rang 66), der Beschäftigungsquote von Frauen (65) und der Arbeitsplatzversorgung (64). Bei der Wirtschaftsstruktur gab die niedrige Steuerkraft der Stadt (58) den Aussschlag. Bei den Gewerbesteuerhebesätzen landet Wiesbaden jedoch auf Platz 2.
Vergleichsweise gut, jedenfalls besser als Mainz, schneidet Wiesbaden bei Lebensqualität (Rang 20) und Immobilienmarkt (31) ab. In puncto Lebensqualität schlagen sich ein Top-Ten-Wert bei den überschuldeten Einwohnern (Platz 10) beziehungsweise recht gute Daten bei der Kitaquote für die Drei- bis unter Sechsjährigen (27) nieder.