Kooperationsräume, Schnellbuslinien und eine App für Schüler, um Mitfahrgelegenheiten zu organisieren, waren die zentralen Themen der Abschlussveranstaltung zu dem Projekt:...
ROMROD. Kooperationsräume, Schnellbuslinien und eine App für Schüler, um Mitfahrgelegenheiten zu organisieren, waren die zentralen Themen der Abschlussveranstaltung zu dem Projekt: "MoDaVo": Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität im Vogelsbergkreis. Vorgestellt wurden sie jetzt im Bürgerhaus Romrod von den Mitarbeitern des Planungsbüros Proloco, Dr. Bernd Rittmeier vom Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI), dem Ersten Kreisbeigeordneten Jens Mischak (CDU) und Romrods Bürgermeisterin Birgit Richtberg (CDU).
Ausgangslage ist der sogenannte demografische Wandel. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung nimmt deutlich zu, mit der Konsequenz, dass in mancher Gemeinde die Einwohnerzahl erheblich zurückgehen wird und damit die Steuereinnahmen sinken werden. Auf dieser Grundlage die Infrastruktur, beispielsweise die Versorgung mit Lebensmitteln oder auch einem Arzt in vertretbarer Entfernung, zu erhalten oder gar auszubauen, sehen die Verantwortlichen in der Kreisverwaltung als wichtige Herausforderung. Sie anzunehmen biete auch eine große Chance für die Entwicklung der Städte und Gemeinden im Vogelsbergkreis. Sie besteht darin, "Ressourcen zu bündeln, um die Dorf- und Regionalentwicklung voranzubringen," erläuterte Mischak.
Erster Schritt sei die Sammlung von Daten zur Infrastruktur und ihrer Nutzung durch die Menschen gewesen. "Es sind jetzt Datenschätze da, die viele Möglichkeiten bieten," benannte Rittmeier als Vertreter des Bundesverkehrsministeriums einleitend als ein wichtiges Ergebnis des Projekts. Er mahnte die Beteiligten, diese aktuell zu halten und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu nutzen, um Ideen voranzubringen und eine Strategie für die Entwicklung des ländlichen Raums zu erabeiten und umzusetzen.
Welche Daten erhoben wurden und wo Ansatzpunkte für zukunftsweisende Projekte sind, erläuterten Martin Albrecht und Dr. Axel Stein vom Planungsbüro Proloco aus Bremen. Wo, welche Versorgungseinrichtungen, wie beispielsweise der nächste Supermarkt oder die nächste Apotheke sind, und wie die Menschen dorthin kommen, haben sie für das Kreisgebiet untersucht und "Versorgungszentren" und "Versorgungskerne" herausgearbeitet. Entwicklungsmöglichkeiten sehen die Experten vor allem in der sinnvollen Bündelung von Einrichtungen in solchen Zentren, um ein attraktives Angebotspaket zu bilden. "Nicht jeder kann alles haben," lautet dabei die Devise. Wo bereits Strukturen der Zusammenarbeit bestehen, sollten diese ausgebaut werden, beispielsweise für die medizinische Versorgung. "Kooperationsräume" definieren, wo solche Orte sind oder entstehen können. "Wenn wir alles so weiterlaufen lassen wie bisher, werden wir gemeinsam abstürzen. Deshalb ist es sinnvoll, über Bündelung nachzudenken," erklärte Rittmeier.
Wie die Strukturen für die Nahversorgung der Menschen in kleinen Orten verbessert werden können, hat das Projekt an drei Beispielen herausgearbeitet, die den Veranstaltungsbesuchern an Stellwänden präsentiert wurden. Im Ortsteil Landenhausen von Wartenberg haben interessierte Bürger ein Konzept für einen Wochenmarkt entwickelt. Dort finden sich Anbieter mit mobilen Verkaufsständen, einmal in der Woche in der Ortsmitte zusammenfinden. In Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung hat die Arbeitsgruppe "Dorfladen" die Marktidee bereits verwirklicht und plant, weitere Angebote zu ergänzen. Dabei soll nicht nur das Einkaufsangebot verbessert, sondern auch ein Ort geschaffen werden, der den nachbarschaftlichen Kontakt fördert. Als zweites Beispiel wurde für Brauerschwend und Storndorf gezeigt, wie die Gemeindeverwaltung von Schwalmtal mit den Bürgern dieser Ortsteile ein Konzept für den Erhalt und die Aufwertung der Nahversorgung ausarbeitet. In Wallenrod, das zu Lauterbach gehört, wird momentan an einer Kosten- und Ertragsplanung gearbeitet, auf deren Grundlage ein Dorfladen geschaffen werden kann.
Bei diesen Einzelprojekten ging es darum, das Einkaufen und "Sich-Treffen" so zu ermöglichen, dass kein Verkehrsmittel nötig ist. Wie es um die Erreichbarkeit von Supermarkt, Arzt oder Apotheke in den Versorgungszentren steht, damit beschäftigte sich der zweite Schwerpunkt des Projekts. Als Ergebnis besonders herausgestellt wurde von Axel Stein, dass der ÖPNV im Vogelsbergkreis "besser als gedacht ist". Um diese Botschaft nach außen zu tragen, sollen kleine Werbefilme produziert werden. Ein erstes Exemplar wurde den rund 50 Teilnehmern, die nach Romrod gekommen waren, gezeigt. Bei einer Fahrt mit der Vogelsbergbahn erläutert ein junger Mann, wie toll das ist. Außerdem geht er noch auf den Vulkan-Express ein, mit dem am Wochenende ein ausgezeichnetes Busangebot von verschiedenen Bahnhöfen der Region zum Hoherodskopf führt. Dass man dabei auch sein Fahrrad problemlos mitnehmen kann, weil die Busse über Fahrradanhänger verfügen, wird ebenfalls erläutert. Dass die Hessische Landesbahn dies auch in den Zügen ohne Aufpreis ermöglicht, bleibt unerwähnt.
Als Verbesserungen für den Busverkehr wurde neben Informationsangeboten zum ÖPNV an sich, wie speziell zu den Anruf-Linien-Taxis (ALT) auch die Möglichkeit diskutiert, Schnellbusse einzurichten. Dabei haben die Planer und die Verkehrsgesellschaft Oberhessen (VGO) zunächst die Buslinie 395 von Alsfeld nach Treysa im Blick. Armin Klein, Geschäftsführer der VGO, machte in der abschließenden Podiumsdiskussion deutlich, dass die Finanzierungsfragen dazu noch zwischen der VGO und dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) geklärt werden müssten. Breiten Raum nahm bei der Diskussionsrunde auch die Organisation von Mitfahrgelegenheiten im privaten Pkw über das Smartphone ein. Diese Idee der "Fairfahrt"-Initiative in Romrod will der Vogelsbergkreis für Schüler weiterentwickeln zu einer App ("Fairschult"), mit der diese Mitfahrgelegenheiten für den Schulweg vereinbaren können. Bei der Befragung der Schüler zur Nutzung von Verkehrsmitteln, die im Rahmen des Projekts vorgenommen wurde, hatte sich neben Bus und Bahn als wichtigste Transportvariante das "Elterntaxi" herausgestellt. Ihm könnte die Fairschult-App ein Entlastungsangebot bieten. Ein anderes Angebot, das Auto effizienter zu nutzen, das Axel Stein in die Diskussionsrunde gab, fand nur wenig Resonanz: Carsharing, die gemeinsame Nutzung eines Autos durch mehrere Personen. Nur Birgit Richtberg ging darauf ein, mit dem Hinweis, dass man einigen jungen Familien in Romrod ein Angebot gemacht habe, die es aber abgelehnt hätten. In Alsfeld hingegen funktioniere es seit zwei Jahren mit wachsendem Zuspruch.