Bei der Vogelsberger Landratswahl im Herbst kommenden Jahres treten die Sozialdemokraten ohne eigene Kandidatur an. "Herz sagt ja, Kopf sagt nein".
VOGELSBERGKREIS. Bei der Landratswahl im Herbst 2023 wird die Vogelsberger SPD mit keiner eigenen Kandidatur antreten. Das teilte am Dienstag der SPD-Kreisvorsitzende Patrick Krug mit, nachdem in einer gemeinsamen Sitzung von Kreisvorstand, Kreistagsfraktion und den Vorsitzenden der Ortsvereine ein entsprechender Beschluss gefasst wurde.
"Das Herz sagt ja, der Kopf sagt nein." Das fasse den Inhalt der Gespräche, die der Entscheidungsfindung über den Sommer vorausgegangen sind, gut zusammen, heißt es in der Mitteilung der Vogelsberger Sozialdemokraten. Zwar habe die SPD den Anspruch, den Vogelsbergkreis weiterhin zu gestalten. Rein emotional betrachtet hätte es daher nahegelegen, auch bei der kommenden Landratswahl wieder mit einer eigenen Kandidatur ins Rennen zu gehen. "Nüchtern und bei Lichte betrachtet sprachen aber die besseren Argumente gegen eine Kandidatur, gerade auch um unserer Verantwortung als Teil der Kreiskoalition und damit als gestaltende Kraft gerecht zu werden", begründete Krug die Entscheidung seiner Partei. So arbeite man seit nunmehr über sechs Jahren im Landkreis gut und vertrauensvoll mit der CDU und deren Landratskandidaten Dr. Jens Mischak zusammen, den man gemeinsam 2016 und 2022 zum hauptamtlichen Ersten Kreisbeigeordneten gewählt und damit das Vertrauen in seine Arbeit bekundet habe. Die CDU Vogelsberg hatte in der vergangenen Woche die Kandidatur von Jens Mischak weiter forciert (unsere Zeitung berichtete).
Dass diese Zusammenarbeit erfolgreich sei, belege die gute Entwicklung des Vogelsbergkreises in den vergangenen Jahren, die beispielhaft daran deutlich werde, dass die Einwohnerzahl des Landkreises im vergangenen Jahr erstmals seit langen Jahren wieder gestiegen sei. "Ein Wahlkampf um das Amt des Landrats zwischen zwei Bewerbern aus der Kreiskoalition birgt natürlich die Gefahr, dass die gute Arbeit ins Stocken gerät und es zu Konflikten und Reibungen kommt. Das kann der Vogelsbergkreis nicht gebrauchen", wird Krug in der Mitteilung zitiert. "Vor uns haben das auch schon andere Parteien so gesehen. Denn bei allen Landratswahlen im Vogelsbergkreis in den letzten knapp 20 Jahren gab es aus den Reihen der jeweiligen Kreiskoalitionen, an denen ganz unterschiedliche Parteien beteiligt waren, immer nur eine Kandidatur. Vielleicht ist die Überzeugung, dass die Interessen des Kreises immer vor denen der eigenen Partei stehen müssen, eine Art Vogelsberger Stil."
Zudem stehe auch der Vogelsbergkreis durch die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, wirtschaftlichen und finanziellen Verwerfungen durch Inflation und Energiekrise, die weiterhin spürbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie oder den Kampf gegen den Klimawandel vor besonderen Herausforderungen, die den vollen Einsatz der Kreispolitik verlangen würden. Ein mehrmonatiger Wahlkampf innerhalb der Koalition um das Amt des Landrats könne hierdurch noch größere negative Auswirkungen haben.
Man sei sich in der Diskussion bewusst gewesen, dass man als politische Partei auch Verantwortung für eine lebendige Demokratie trage, zu der gehöre, dass es bei Wahlen bestenfalls die Auswahl zwischen mehreren Bewerberinnen und Bewerbern gäbe, zumal die SPD bisher die einzige Partei im Vogelsbergkreis sei, die bei jeder vergangenen Landratswahl einen Kandidaten gestellt habe und mit Manfred Görig auch der aktuelle Landrat SPD-Mitglied sei. Als Teil einer Mehrheitskoalition sei man eben aber auch gefordert, der Verantwortung, die man für die weitere Entwicklung des Landkreises habe, gerecht zu werden, heißt es vonseiten der Sozialdemokraten. "Wir haben uns nach reiflicher Überlegung und Abwägen aller Argumente für Letzteres entschieden. Politik für den Vogelsbergkreis und seine Menschen macht die SPD aber auch weiterhin. Wir werden uns auch zukünftig inhaltlich und personell an entscheidender Stelle in der Kreispolitik einbringen", so Krug. Darüber hinaus konzentriere sich seine Partei darauf, dass es bei der am gleichen Tag stattfindenden Landtagswahl einen Politikwechsel in Hessen gebe und der Vogelsberg wieder durch einen sozialdemokratischen Abgeordneten im Hessischen Landtag vertreten werde. In dem Zusammenhang kündigt die SPD an, dass der SPD-Kreisvorstand Ende September einen Landtagskandidaten nominieren und vorstellen werde.
Abschließend weist Krug laut Mitteilung darauf hin, dass die Entscheidung der SPD, mit keiner eigenen Kandidatur zur Landratswahl anzutreten, frei und selbstbestimmt getroffen worden sei. "Es gab vonseiten der CDU keine Forderung an uns, auf eine Kandidatur zu verzichten. Auch gibt es keine zusätzliche Vereinbarung zu der im veröffentlichten Koalitionsvertrag enthaltenen Regelung zur jetzigen und zukünftigen Besetzung des hauptamtlichen Kreisausschusses. Der Verzicht auf eine Kandidatur ist alleine die aus den geschilderten Beweggründen resultierende freie Entscheidung der SPD."