Die Arbeit der Selbsthilfegruppen in Lauterbach und Alsfeld, die Suchtkranke betreuen, läuft in diesen Zeiten vorwiegend telefonisch oder online.
Von ws
Isolation kann auch den Alkoholkonsum erhöhen.
(Symbolfoto: dpa)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
LAUTERBACH/VOGELSBERGKREIS - In der Coronakrise steigen die Suchtgefahren, die Arbeit der Selbsthilfegruppen dagegen ist durch die Einschränkung der Begegnungsmöglichkeiten gehemmt. Sorgen bestehen mit Blick auf den Alkoholkonsum und die noch immer in Teilen geltenden Beschränkungen dem Phänomen häuslicher Gewalt. Das ergab eine Umfrage unter Experten der Suchthilfe.
Die Selbsthilfegruppe des Freundeskreises Lauterbach trifft sich in normalen Zeiten jeden Dienstag ab 20 Uhr im evangelischen Gemeindehaus. Wegen der Corona-Pandemie sind die kirchlichen Räume wie kommunale Versammlungsräume geschlossen, auch ein Treffen von mehreren Personen in privaten Stuben nicht zulässig, zumal viele Suchtkranke auch in der Abstinenz unter Folgeerkrankungen früheren Alkohol- oder Drogenkonsums leiden und so zu den Risikogruppen zählen. Wie für den gesamten Bereich der Selbsthilfe finden also seit Wochen keinerlei Gruppentreffen mehr statt.
„Das erschwert unsere Arbeit sehr“, berichtet Freundeskreis-Vorsitzender Ralph Buchholz. Der Kontakt untereinander werde telefonisch aufrechterhalten. Für ein Gespräch könne man sich auch zu einem Spaziergang zu zweit an der frischen Luft verabreden. Beratung oder die Vermittlung zur Entgiftung erfolge weiter – telefonisch oder per Post. Die Kontaktaufnahme zu Neu-Hilfesuchenden sei allerdings erschwert. Das „Komm doch mal zur Gruppenstunde vorbei“ fehle derzeit.
KONTAKTE
Das Beratungszentrum Vogelsbergkreis, vormals Jugend- und Drogenberatung, ist von montags bis freitags jeweils von 9 bis 17 Uhr unter Telefon 06631/79 39 00 zu erreichen.
Telefonischer Kontakt ist auch zur Sucht- und Drogenberatung der Caritas in Fulda möglich unter 0661/24 28-360 oder zum Diakonischen Werk in Fulda 0661/83 88.
Rund um die Uhr erreichbar ist das bundesweit geschaltete Nottelefon Sucht der Guttempler, das Kontaktmöglichkeiten vor Ort nennt (aus dem Festnetz 9 Cent pro Minute) 0180/365 24 07.
www.freundeskreis-lauterbach.de
Ob es derzeit einen Anstieg des Alkoholkonsums gebe, darüber gebe es noch keine statistischen Daten, erläutert Frithjof Axt, stellvertretender Bundesvorsitzender der Guttempler. Der Selbsthilfeverband hat zum 1. April bundesweit ein Notfall-Telefon geschaltet über eine Nummer, die sich bereits in Hessen bewährt hat. Unter 0180/365 24 07 (365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche) finden Ratsuchende einen Gesprächspartner, der dann auch die Hilfsangebote vor Ort nennt.
Auch Axt sorgt sich um die Betreuung von Suchtkranken. Die Beschränkung der Ausgangsmöglichkeiten, Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft bei geschlossenem Geschäftsbetrieb oder Kurzarbeit machten vielfach das Leben schwer. Die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit oder auf Gewalt hinter verschlossenen Wohnungstüren blieben oft unerkannt. Die Guttempler versuchten derzeit, den Wegfall der Gruppenstunden durch telefonischen Kontakt, auch Telefonkonferenzen oder über soziale Netzwerke zu kompensieren.
Auf den Kontakt per Telefon oder E-Mail verweist auch das Beratungszentrum Vogelsbergkreis, das vielen noch als Jugend- und Drogenberatung in Alsfeld bekannt ist und als evangelisch kirchlicher Zweckverband hauptamtlich Hilfe anbietet. Normalerweise gehen hier viele Menschen ein und aus, die in Lebenskrisen Unterstützung brauchen, einen Ausweg aus der Sucht suchen oder bei der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind. Jetzt kommen Schulschließungen, Verunsicherung und Langeweile noch hinzu. Die Mitarbeiter stehen aber nach wie vor Rat- und Hilfesuchenden zur Verfügung – telefonisch unter 06631/79 39 00, erläutert Matthias Gold. Die Arbeit gehe auch unter erschwerten Bedingungen weiter, Entgiftung und Therapieangebote würden weiter vermittelt.
Caritas und Diakonisches Werk in Fulda teilen sich die Hilfe für Spielsüchtige. Da habe die Coronakrise teilweise sogar positive Auswirkungen bei Abhängigen, für die das Ausweichen auf Online-Angebote keine Alternative seien. Denn Spielhallen seien geschlossen, Spielautomaten in der Gastronomie bisher nicht erreichbar. Auch die Sportwetten liefen mit gebremstem Schaum, berichtet Heike Böhning von der Caritas. Wie sich aber insgesamt die Ausgangsbeschränkungen auf ein Abgleiten in eine Online-Spielsucht auswirkten, könne derzeit nicht abgeschätzt werden. Auch ihr fehle hier noch das Feedback. Caritas und Diakonisches Werk hielten ihr Hilfsangebot telefonisch aufrecht, erläutert die Spielsucht-Expertin. Sie sieht auch die Gefahren für Kinder und Jugendliche, denen die Kontakte außer Haus fehlten, warnte aber davor, jedes stärkere Nutzen von Online- oder Computerspielen gleich als Abhängigkeit zu interpretieren. Hier müssten besorgte Eltern auch einmal mehr Geduld haben.