Unterwegs auf zwei Rädern: Hermann Leinweber und Johannes Schäfer meistern den Granfondo Stelvio Santini
Granfondo Stelvio Santini - ein bekannter Name in der Rennradsportszene. Die meisten - bis vor Kurzem auch ich - haben diesen Namen allerdings noch nie gehört und wissen vermutlich wenig von der Bandbreite des Radsportes, da dieser nicht so populär ist wie beispielsweise Fußball. Die Tour de France mag zwar jedem ein Begriff sein, aber natürlich gibt es auch sehr viel mehr große Radrennen, als man meint. Und der Grandfondo Stelvio ist eines von ihnen.
Von Sophia Groß
Der Ausblick während des Radrennens war an vielen Stellen einfach traumhaft, berichten Hermann Leinweber und Johannes Schäfer. Fotos: Groß
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ITALIEN/LAUTERBACH/STOCKHAUSEN - Granfondo Stelvio Santini - ein bekannter Name in der Rennradsportszene. Die meisten - bis vor Kurzem auch ich - haben diesen Namen allerdings noch nie gehört und wissen vermutlich wenig von der Bandbreite des Radsportes, da dieser nicht so populär ist wie beispielsweise Fußball. Die Tour de France mag zwar jedem ein Begriff sein, aber natürlich gibt es auch sehr viel mehr große Radrennen, als man meint. Und der Grandfondo Stelvio ist eines von ihnen.
Das erste Juni-Wochenende ist jedes Jahr ein fixer Termin im Kalender unzähliger Radmarathon-Fans. Denn genau dann findet traditionell das Rennen in den Alpen Italiens nahe der Grenze der Schweiz statt, an dem jährlich bis zu 3500 Radsportler aus der ganzen Welt teilnehmen. Auch in diesem Jahr war die achte Auflage des Radsportevents wieder am ersten Sonntag im Juni, dem 2. Juni, terminiert. Der Austragungsort ist der Obere Veltlin in der Provinz Sondrio, von der Stadt Bormio bis zu dem Berg Stilfser Joch.
Drei Strecken gab es zur Auswahl: Die längste Strecke mit fast 4200 Höhenmetern Unterschied, die auf einer Distanz von über 150 Kilometern zu bewältigen sind, wobei nicht nur am Ende das Stilfser Joch (italienisch: Passo dello Stelvio) hochgefahren wird, sondern auch einer der härtesten Pässe Europas Teil der Strecke ist, der Mortirolo. Leider war der eigentliche Pass "Stelvio" dieses Jahr wegen Schnees nicht komplett befahrbar, weshalb eine Alternativstrecke ausgelegt wurde. Bei der mittleren, 138 Kilometer langen Strecke muss man den Mortirolo nicht bezwingen, trotzdem sind noch gute 3200 Meter an Höhe zu fahren. Die kürzeste Strecke hat zwar nur 60 Kilometer an Länge, aber immerhin gibt es auch auf dieser Distanz knapp 2000 Höhenmeter.
Im Zuge der Anmeldung wurde natürlich für jeden das offizielle Renn-Trikot von Santini bereitgestellt, das zu tragen Pflicht ist, damit die offiziell gemeldeten Teilnehmer unmittelbar zu erkennen sind und somit ein charakteristisches Bild schaffen. Darüber hinaus erhalten all diejenigen, die es bis ins Ziel auf Stilfser Joch schaffen, eine "Finisher"-Radmütze.
Bei der Schlusswertung werden in einer Rangliste je nach den drei Streckenlängen die Zeiten des Bergzeitfahrens addiert. Eine zweite Wertung gibt es für die einzelnen Bergzeiten einer Strecke. In alphabetischer Reihenfolge werden außerdem die Gesamtfahrzeiten aller Finisher veröffentlicht, und das Team mit den meisten Fahrern und den meisten Finishern wird prämiert.
Man kann sich kaum vorstellen, wie extrem solche Radrennen sein müssen. Ohne Training und vor allem eine gewisse Erfahrung im Rennradbereich fährt man das definitiv nicht einfach weg, denn dazu gehören eine Menge Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Hermann Leinweber (24) aus Stockhausen und Johannes Schäfer (22) aus Lauterbach waren vergangene Woche Teilnehmer des Rennens in Italien. Obwohl beide mit unterschiedlicher Vorerfahrung und Vorbereitung starteten, haben sie die längste Strecke von 151 Kilometern zusammen mit fünf weiteren Teilnehmern aus dem Vogelsberg erfolgreich beendet und haben mir jeweils davon berichtet.
Hermann Leinweber: "Um 7 Uhr war der offizielle Start. Dementsprechend ging bei uns gegen 5 Uhr der Wecker, sodass wir früh genug nach einem ordentlichen Frühstück bei der Startaufstellung in unserem Startblock waren und sogar relativ weit vorne standen. Ich war dann doch ein wenig aufgeregt, weil man nicht wusste, was auf einen zukommt und alles unbekannt war. Komme ich überhaupt im Ziel an? Aber ich habe mir gesagt: Es kommt, wie es kommt, ich gebe mein Bestes. Wenn es nicht mehr gehen sollte, ist das eben so.
Beim Start passierte erst einmal nichts, weil ganz vorne alle losfahren mussten. Als es dann losging, fuhren wir eine Weile nur bergab, Rad an Rad. Ich bin da entspannt heruntergefahren, da ich mir die Kraft noch sparen wollte. Trotzdem waren wir sehr schnell unterwegs. An der ersten Versorgungsstation bin ich vorbeigefahren, aber bei dem ersten Anstieg habe ich allmählich meinen Tritt gefunden, das ging ganz gut.
Vor dem Mortirolo habe ich allerdings noch etwas gegessen und getrunken. Im Wald vor dem Berg ging es ohne Vorwarnung auf einmal steil bergauf. Ich bin im kleinsten Gang komplett hochgefahren, obwohl das letzte Stück richtig hart war, bei dem viele schieben mussten. Es ging so langsam voran und staute sich, sodass ich dachte, ich falle gleich um. Am Wegrand standen auch manchmal Leute, die einen angefeuert haben, aber die Abstände der Kilometerschilder schienen immer länger zu werden. Es hat sich aber gelohnt: Ich hatte es hoch geschafft, und die Abfahrt war schön.
Bei dem letzten Anstieg lief es anfangs richtig gut, es hat alles gepasst, und ich hatte das Gefühl, ich kann das schaffen und das Ziel ist greifbar. Aber auf den letzten Kilometern war dann einfach die Kraft weg. Ich habe es aber letztendlich geschafft und bin einfach nur stolz, angekommen zu sein. Nachdem wir uns in unserer Gruppe wiedergefunden haben, sind wir auf die anschließende Pastaparty gegangen. Es war zwar unglaublich anstrengend, aber eine richtig gute Erfahrung und ein sehr schönes Wochenende mit vielen tollen Ausblicken."
Johannes Schäfer: "Ich bin das Ganze wie ein richtiges Rennen angegangen und wollte das Beste aus mir rausholen. Nach dem Start ging es zwar bergab, aber es war schwierig, voranzukommen, da es so eng war. Ich habe mich da irgendwie durchgeschlängelt und bin dann doch ganz gut vorangekommen. Die erste Versorgungsstation habe ich auch links liegen lassen, und dann ging es schon zum ersten Anstieg.
Ich hatte ein gutes Tempo drauf: Die ersten 60 Kilometer sind in weniger als eineinhalb Stunden gefahren worden. Ich bin dann ein gutes Stück mit zwei Italienern zusammen gefahren. Wir haben nur schließlich bemerkt, dass wir uns verfahren haben und somit circa 15 Kilometer mehr gefahren sind als alle anderen, da wir ja eigentlich die längste Strecke fahren wollten. Bis dahin waren wir auf Position 3, 4 und 5 der mittleren Strecke.
Der Mortirolo ist der schwierigste Berg von allen gewesen. Mit meiner Übersetzung, die nicht für solche Berge geeignet ist, bin ich etwa eine Stunde fast im Stehen die zehn Kilometer hochgefahren.
Am Ende beim letzten Berg war dann aber doch die Kraft weg. Erst da haben mich Leute überholt, als ich schon am Ende war, aber ich bin es zu Ende gefahren. Oben im Ziel haben wir dann noch gewartet, bis der letzte von uns sieben angekommen ist, wobei wir währenddessen genüsslich Weizenbier getrunken haben. Landschaftlich war es ein Traum. Die Anstiege waren zwar kräftezehrend, wurden aber jedes Mal mit einer schönen kurvenreichen Abfahrt belohnt."