Vogelsberger Holzvermarktung wird ein Problem

Die Holzvermarktung wird für die kommunalen und privaten Holzbesitzer zum Problem. Foto: Thomas Wilken/Archiv
ULRICHSTEIN/VOGELSBERGKREIS - Der Zeitplan des Ministeriums ist unrealistisch. Das war die Quintessenz unter den Waldbesitzern der Forstbetriebsgemeinschaft Westlicher Vogelsberg. Der Vorstand hatte gemeinsam mit den Kollegen aus Grebenhain zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung Dienstagabend nach Ulrichstein eingeladen. Einziger Tagesordnungspunkt: eine Podiumsdiskussion zur Neuordnung der Holzvermarktung. Die ist Thema in vielen Kommunen. Nicht nur im Vogelsberg, sondern auch im Wetteraukreis (der LA berichtete mehrfach).
Hintergrund ist die Ankündigung des Landes, sich wegen kartellrechtlicher Bedenken aus dem Holzverkauf zurückzuziehen. Hessen Forst ist der dominante Holzverkäufer. 85 Prozent des kompletten Holzes wurden unter seiner Regie geschlagen und vermarktet. Die Behörde betreute bis August vergangenen Jahres 407 Kommunen. Experten sind sich einig: Es ist ein Zuschussgeschäft für das Land. Die Kosten für Hessen Forst steigen jährlich um 4,2 Prozent, was dazu führt, dass sich immer mehr Kommunen überlegen, aus der staatlichen Beförsterung auszusteigen.
Fristen verlängert
Am 1. Juli 2018 ließ Hessens Umweltministerin Priska Hinz an alle Waldbesitzer schreiben, dass der Holzverkauf ab dem 1. Januar 2019 für Betriebe, die mehr als 100 Hektar haben, neu geregelt werden müsse. Laufende Verträge mit Hessen Forst dürften noch bis kommenden September erfüllt werden.
Die beiden Forstbetriebsgemeinschaften (FBG) verfügen mit den Flächen der Privaten, Kommunen und Kirchen gemeinsam knapp 10 000 Hektar Wald. Durchschnittlich rund 1,5 Hektar besitze jeder Waldbesitzer, verdeutlichte Bernhard Ziegler für die FBG Grebenhain. Insgesamt gibt es in den beiden FBG 1666 Waldbesitzer.
Auch wenn die Fristen zwischenzeitlich um ein Jahr (für Regionen, die unter 25 Prozent Körperschaftswald haben) beziehungsweise zwei Jahre (über 25 Prozent) verlängert wurden, hatte Martin Küthe, Referatsleiter für Kommunal- und Privatwald im Hessischen Umweltministerium, große Mühe, Akzeptanz für den Zeitplan der Regierung zu gewinnen. Das Bundeskartellamt ließe sich nicht von weiteren Fristverlängerungen überzeugen, unterstrich er. Die Behörde drohe Hessen ähnlich wie Baden-Württemberg mit einer Untersagungsregelung. Zudem müsste das Land mit Schadenersatzklagen der Sägeindustrie rechnen. "Vor diesem Hintergrund gilt es die Risiken abzuwägen." Küthe warb dafür, schnell Holzvermarktungsorganisationen aufzubauen, und verwies auf Landkreise, die das bereits erfolgreich umgesetzt hätten. Je nach Größe der Region würde das Land mit einer Anschubfinanzierung von bis zu 500 000 Euro über drei Jahre fördern. Auch vielleicht Regionen, die die vorgesehene Hektar-Größe nicht erreichten. Aus einem Beitrag der Waldbesitzer von 2,50 Euro pro Festmeter würden dann Hauptamtliche die Strukturen aufbauen und die Vermarktung übernehmen. Jeder Waldbesitzer könne entscheiden. "Wir sind darauf angewiesen, dass die Kommunen und die Privaten gemeinsam vermarkten."
In dem ganzen Prozess wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass der Paragraf 121 der Hessischen Gemeindeordnung den Kommunen verbietet, gemeinsam mit Privaten eine Dienstleistung auf den Markt zu bringen. "Das Gesetz kann man ändern", meinte Küthe. Er geht davon aus, dass die neue Landesregierung eine entsprechende Änderung bis Sommer umsetzen werde.
Dass die Waldstrukturen in Hessen sehr unterschiedlich und dadurch auch individuelle Lösungen gefragt sind, unterstrich Christian Raupach, geschäftsführender Direktor des Hessischen Waldbesitzerverbands. Bisher habe das Ministerium verlauten lassen, dass Hessen nicht vom Kartellamt betroffen sei. "Das hat jetzt zu einem enormen Zeitdruck geführt. Ein halbes Jahr ist mehr als sportlich." Auch das Kartellamt koche nur mit Wasser und müsse bereit sein, Erkenntnisse aufzunehmen und ihre Forderungen zu relativieren. Für die Kommunen spielten die Einnahmen aus dem Wald eine große Rolle. Die Bürgermeister müssten sich zusammentun. Regionen mit vielen kleineren Waldbesitzern erforderten eine intensivere Betreuung sowohl für den Verkauf als auch um diese Veränderungen überhaupt zu kommunizieren.
Alternativvorschlag
Raupach hatte einen Alternativvorschlag: Zumindest den Staatswald, das sind immerhin 38 Prozent des Waldes in Hessen, im kommenden Jahr aus der Vermarktung als eigenständige Organisation koppeln. Damit könnte man Zeit für die Reformen gewinnen. Dieser erste Schritt müsste das Bundeskartellamt überzeugen. Die 50 000 Festmeter der beiden Forstbetriebsgemeinschaften seien seiner Ansicht nach für das Kartellamt nicht relevant. "Wir müssen zukunftsfähige Lösungen schaffen und das gelingt nicht innerhalb von eineinhalb Jahren und schon gar nicht, wenn die rechtliche Grundlage fehlt." Raupach forderte mehr Zeit, die Mindestgröße für die Anschubfinanzierung von 10 000 auf 5000 Hektar zu senken und die Höchstfördersumme anzusetzen.
Auch Grebenhains Bürgermeister Sebastian Stang warnte davor, dass man mit solchen Vorgaben nicht nur Vertrauen, sondern auch Waldbesitzer verlieren werde. Viele Detailfragen seien noch nicht gelöst, zum Beispiel welche Organisationsform die richtige ist oder woher das Personal für den Kommunikationsprozess kommen soll. In Bayern hätte der Reformprozess 15 Jahre benötigt. Insbesondere für die Besitzer von kleineren Waldstücken seien die Änderungen mit jeder Menge unüberschaubaren wirtschaftlichen Risiken verbunden. Selbst einen Zeitraum bis 2023 hielt er für viel zu knapp.
Küthe betonte immer wieder, dass man die Meinung des Kartellamts akzeptieren und nach vorn schauen müsste. Seiner Ansicht nach sei die Einrichtung einer Schnittstelle, zwischen den Revierförstern und dem Verkauf, einfach zu gestalten. "Die Waldbesitzer bekommen weiterhin ihr Geld, den Verkauf macht nur ein anderer."
Dass der Forstbetrieb und Holzverkauf insbesondere bei vielen Eigentümern mit kleinen Flächen und einer sehr unterschiedlichen Waldstruktur einfach zu trennen und umzusetzen sind, bezweifelten viele der Anwesenden. Für die Mitglieder der FBG endete der Abend mit vielen offenen Fragen.