Im Einsatz für die Lauterbacher Feuerwehr

Lauterbachs Stadtbrandinspektor Jürgen Eifert. © Feuerwehr

Lauterbachs Stadtbrandinspektor Jürgen Eifert spricht über seine Arbeit im "Team Feuerwehr". Er will Jugendliche für Einsatzabteilung begeistern und sieht Politik in der Pflicht.

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LAUTERBACH. Im Sommer vergangenen Jahres trat der Frischbörner Jürgen Eifert die Nachfolge des langjährigen Stadtbrandinspektors (SBI) Hans-Jürgen Schütz an. Ein wichtiges Amt, das dem 57-Jährigen, der bereits neun Jahre als stellvertretender SBI in der Kreisstadt tätig war, neben seiner Berufstätigkeit gerade in diesen unsicheren Zeiten viel abverlangt, da sich auch die Feuerwehren auf bestimmte Szenarien - einen Blackout etwa - vorbereiten müssen. Wichtiges Anliegen ist dem "Neuen" an der Spitze das Ehrenamt, dem Corona sehr geschadet habe, wie Eifert findet, der seinem Ehrenamt bei der Feuerwehr aus Überzeugung gerne auch private Dinge unterordnet.

Herr Eifert, Sie sind der höchste "Brandschützer" in der Kreisstadt: Haben Sie schon als Kind davon geträumt, einmal Feuerwehrmann werden?

Jürgen Eifert: Nein, diesen Traum hatte ich nicht (lacht). Aber ich bin mit 15 Jahren in die Jugendfeuerwehr Frischborn eingetreten und mit 18 Jahren, im Jahr 1983, dann in die Einsatzabteilung gewechselt. Fest steht, dass ich den Posten des Stadtbrandinspektors für die nächsten fünf Jahre bekleiden möchte. In dieser Zeit wollen wir gemeinsam den Generationswechsel an der Spitze der Feuerwehr vollziehen und junge Kräfte an führende Posten heranführen.

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Was begeistert Sie an Ihrem Ehrenamt, das neben ihrem Beruf wahrscheinlich sämtliche freie Zeit verschlingt?

Mich begeistern die Tätigkeit in der Gemeinschaft, der Teamgedanke und die gute Kameradschaft. In der Feuerwehr steht die Arbeit in der Gruppe im Vordergrund. Menschen zu helfen funktioniert nur gemeinsam. In früheren Zeiten hatten die Feuerwehren auf den Dörfern vielleicht zwei, drei Einsätze im Jahr. Da war die Arbeit noch nicht so zeitintensiv. Das ist heute anders, die Einsatzzahlen sind gestiegen.

Passiert heute einfach mehr?

Ja, es passiert mehr. Aber die Menschen rufen auch heutzutage schneller nach der Feuerwehr. Wenn es irgendwo qualmt, wird ein Handybild gemacht und die Feuerwehr alarmiert. In früheren Zeiten wurde auch nicht gleich bei jedem Kleinbrand die Feuerwehr gerufen. Wenn es mal gekokelt hat, wurde da auch mal selbst gelöscht. Es gibt auch des Öfteren Fehlalarme.

Wie viele Stunden Zeit investieren Sie für Ihr Amt als Stadtbrandinspektor?

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Das habe ich ehrlich gesagt noch nie ausgerechnet und will es eigentlich auch gar nicht. Im vergangenen Jahr hatten wir 172 Einsätze. In der Woche investiere ich rund fünf bis sechs Stunden zu Hause in Büroarbeit. Hinzu kommen dann die Einsatztätigkeiten, Sitzungen und Termine auf Stadt- und Kreisebene sowie die Stunden für Aus- und Weiterbildung..

Was sagt Ihr Arbeitgeber zu Ihrem Ehrenamt, der Sie ja auch freistellen muss, wenn der Piepser während der Arbeitszeit geht?

Ich arbeite als Produktionsleiter bei der STI Group im Werk Lauterbach. Bei uns sind viele Einsatzkräfte aus verschiedenen Städten und Gemeinden beschäftigt, darunter auch wichtige Funktionsträger. Ich denke, dass unser Arbeitgeber um die Wichtigkeit dieser ehrenamtlichen Tätigkeit weiß und dies, soweit möglich, auch unterstützt. Bisher wurde dieses ehrenamtliche Engagement immer positiv gesehen. Ich möchte an der Stelle erwähnen, dass für viele Arbeitgeber ehrenamtliche Tätigkeiten bei der Auswahl eines Bewerbers von Vorteil sind, denn das Engagement in der Freiwilligen Feuerwehr oder auch anderen Hilfeleistungsorganisationen spricht unter anderem auch für viel Sozialkompetenz.

Was sagt Ihre Frau, die sicher oft auf Sie verzichten muss?

Meine Frau hat bisher fast immer Verständnis für mein Ehrenamt gehabt. Als sie mich kennenlernte, war ich Kreisjugendfeuerwehrwart des Vogelsbergkreises. Sie wusste also, worauf sie sich einlässt (lacht). Außerdem ist sie selber im Verein, im Frischbörner Frauenkreis, aktiv. Sie hat vollstes Verständnis für mein Tun.

Welches sind Ihre Aufgaben als Stadtbrandinspektor und wie funktioniert die Arbeit im Team? Wie werden Dienstpläne, Bereitschaften, Fortbildungen und die Koordination der Löschzüge organisiert?

In unserem Führungsteam, in dem wir uns regelmäßig austauschen und abstimmen, gibt es verschiedene, klar aufgeteilte Fachgebiete. Mein Stellvertreter Tony Michelis ist beispielsweise für den Bereich "Beschaffung" und Budgetthemen zuständig. Mein 2. Stellvertreter Thorben Wiegand engagiert sich sehr stark im technischen Bereich. Ein anderer Kollege organisiert die Kleiderkammer, die zentral für die Lauterbacher Feuerwehren am Stützpunkt eingerichtet ist, andere sind für die Gerätewartung zuständig. Ich bin unter anderem für die Aus- und Weiterbildung verantwortlich und plane und organisiere Lehrgänge und andere Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Einsatzkräfte. Auch die Kommunikation mit der städtischen Verwaltung fällt sehr stark in mein Aufgabengebiet. Eng eingebunden bin ich zusammen mit meinen Stellvertretern und den Wehrführern der Löschzüge auch in die aktuell laufende Fortschreibung der Bedarfs- und Entwicklungsplanung für die Feuerwehr. Sehr viel verspreche ich mir in diesem Zusammenhang von der neu eingerichteten Brandschutzkommission, in der Vertreter der Fraktionen, des Magistrates und der Feuerwehr über die Belange, Anforderungen und nötige Ausstattung regelmäßig sprechen. Ich erhoffe mir durch die Kommission mehr Transparenz und auch mehr gegenseitiges Verständnis für die jeweiligen Belange. Der Brandschutz ist Aufgabe der Kommune, daher finde ich es gut, wenn sich die Politik stärker einbringt.

Müssen Sie als oberster städtischer Brandschützer zu jedem Einsatz raus?

Nein, nicht zu jeder Einsatzlage. Das wäre auch nicht zu leisten. Wir haben eine gut ausgebildete Mannschaft und zahlreiche Führungskräfte mit großer Erfahrung, die hier auch Verantwortung übernehmen. Natürlich gibt es aber auch Einsätze, bei denen ich im Moment der Alarmierung weiß, da muss ich jetzt raus.

Tragen Sie Ihren Piepser immer bei sich? Liegt er auch nachts auf Ihrem Nachtisch, dass Sie ihn hören?

Ich habe eine Ladehalterung für den Piepser am Nachttisch, der im Alarmfall nicht zu überhören ist und zusätzlich eine Alarmierungs-App auf dem Handy. Am Tag trage ich den Piepser am Gürtel. Ich habe mich daran gewöhnt, dass er jederzeit losgehen kann. Das ist für mich inzwischen Alltag.

Gibt es Einsätze, bei denen die Angst Sie begleitet?

Angst ist ein schwieriger Begleiter. Angst nein, Vorsicht, ja. Ich habe vor jedem Einsatzgeschehen Respekt. Man geht ja immer auch ein Risiko ein und weiß nie, was einen wirklich erwartet.

So wie jüngst bei der Gasexplosion in Lauterbach?

Ja. Hier sollte es sich laut Alarmierung zunächst um eine Türöffnung handeln. Und innerhalb weniger Momente entwickelte sich ein höchst brisanter Einsatz, zu dem drei Löschzüge aus Lauterbach, die Feuerwehr Schlitz, THW, Rettungskräfte und auch Notfallseelsorger hinzugerufen werden mussten. Rückblickend betrachtet war es großes Glück, dass die Kameraden, die zuerst am Einsatzort waren, unverletzt geblieben sind.

Was passiert nach einem so schweren Einsatz? Kommt das Team im Anschluss zusammen? Gibt es eine Aufarbeitung? Gibt es Kollegen, die mit Spätfolgen zu kämpfen haben?

Es gibt nach jedem Einsatz auf Löschzugebene eine Nachbesprechung. Wir analysieren: Was war gut, was war schlecht, was müssen wir beim nächsten Einsatz gegebenenfalls ändern oder verbessern.

Seit der Gasexplosion haben wir auch einen engeren Draht zu Pfarrer Sven Kießling, Hasso Hofmann und weiteren Notfallseelsorgern, die vor Ort im Einsatz waren. Die haben an dem Abend einen tollen Job gemacht. Es gab in der Folge auch eine Nachbetrachtung des Geschehens mit allen beteiligten Einheiten. Das Team aus den verschiedensten Hilfeleistungsorganisationen und der Polizei hat bei diesem Einsatz sehr gut zusammengearbeitet.

Grundsätzlich können alle Einsatzkräfte jederzeit die Notfallseelsorge in Anspruch nehmen. Ich persönlich stecke schwierige Einsätze immer ganz gut weg und mache das mit mir selber aus. Eine besondere Herausforderung ist es, wenn bei Einsätzen Kinder betroffen sind.

Auf den Dörfern im Vogelsbergkreis gibt es inzwischen Probleme mit den Tagesbereitschaften? Gibt es die auch in Lauterbach? Oder sieht es in der Stadt besser aus?

In Lauterbach ist die Tagesbereitschaft durch die Bildung der Löschzüge noch gegeben, aber auch wir machen uns sehr intensiv Gedanken, wie wir diese Anforderungen auch zukünftig noch vollumfänglich sicherstellen können. Wir müssen da meiner Meinung nach noch enger zusammenrücken.

Wie steht es um die Frauenquote in der Lauterbacher Feuerwehr?

Die könnte besser sein, wir haben zu wenig Frauen. Eine Männerdomäne ist die Feuerwehr aber nicht.

Wie steht es um den Nachwuchs?

Der fehlt. Wir brauchen Nachwuchs und haben deshalb das Thema Werbung fürs Ehrenamt ganz oben auf unserer Agenda. In den Kinderfeuerwehren, die Jungen und Mädchen von sechs bis zehn Jahren aufnehmen, sind die Zahlen konstant gut. In den Jugendfeuerwehren, für Jugendliche von zehn bis 17 Jahren, sieht das anders aus. Hier gibt es einen Bruch, weil viele Jugendliche wegen anderer Interessen irgendwann abspringen. Vielleicht müssen wir sie dort früher "abholen", um sie auf die Einsatzabteilung vorzubereiten und sie für die wichtigen Aufgaben zu begeistern.

Was haben Sie konkret vor?

Unsere Jugendbetreuer haben gerade letzte Woche in einem Workshop Ursachenforschung betrieben, woran der Schwund eigentlich liegt. Darauf aufbauend wurden erste Ideen entwickelt, um den Trend umzukehren, sowie bereits einige konkrete Maßnahmen in die Umsetzung gebracht. Hier ist noch viel zu tun, es ist einfach wichtig, jetzt dranzubleiben, und Ideen und Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Außerdem setzen wir auf einen neuen Erlass des Kultusministeriums, laut dem Brandschutzerziehung künftig im Schulunterricht möglich ist. Das ist für die Feuerwehren eine Möglichkeit, neben dem Unterricht auch Interesse und etwas Begeisterung für ehrenamtliches Engagement zu wecken. In Grebenhain gibt es ein solches Projekt bereits. Auch wir möchten das umsetzen und planen, Kontakt zu den Schulen aufzunehmen und mit den Verantwortlichen der Schulen diese Möglichkeit erörtern. Für Unterrichtseinheiten in den Schulen benötigen wir natürlich dann auch gute Leute aus unseren Reihen, die den Stoff jugendgerecht vermitteln können. In den meisten Kindergärten unserer Stadt führen wir seit vielen Jahren schon Brandschutzerziehung durch. Auch dort werden wir uns natürlich weiter engagieren. Darüber hinaus müssen wir die sozialen Medien nutzen, mit denen ich zwar persönlich nicht viel am Hut habe (lacht), an denen wir aber nicht vorbeikommen, um junge Leute zu erreichen.

Was muss jemand mitbringen, um Feuerwehrmann oder -frau zu sein. Muss man besonders stark, mutig, draufgängerisch sein?

Nein (lacht). Auch eine kleine, zierliche Frau oder ein zierlicher Mann findet in der Feuerwehr einen Platz. Wer mitmachen möchte, sollte Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit haben, über ein gewisses technisches Grundverständnis verfügen und einfach Spaß an der Gemeinschaft haben. Jeder Mensch hat bestimmte Stärken, der Mix macht es. Auch bei der Feuerwehr. Wir freuen uns über jeden, der kommt. Und wir bieten auch Unterstützung beim Lernen und Absolvieren von Lehrgängen - auch für Menschen, die beispielsweise Schwierigkeiten mit dem Lesen oder Schreiben haben.

Wie sehen Sie die Zukunft des Brandschutzes in Lauterbach? Ist der ehrenamtliche Dienst angesichts der ständig wachsenden Aufgaben und immer komplizierter werdenden Technik noch das richtige Modell?

Für das Funktionieren unserer Gesellschaft ist das Ehrenamt unverzichtbar. Auch im Brandschutz, der hauptamtlich in der Form gar nicht zu finanzieren wäre. Wir brauchen mehr Werbung fürs Ehrenamt und dafür benötigen wir auch die Unterstützung durch die Politik. Es gibt bereits viel Lob, ja. Aber die wenigsten Menschen wissen, was wirklich hinter einem solchen Ehrenamt steckt. Wie schwer es ist, Leute zu begeistern. Auch für unsere Feuerwehr. Die Zahl unserer Einsatzkräfte sinkt. Die Politik muss sich darüber Gedanken machen, wie sie das Ehrenamt noch besser würdigen und unterstützen kann. Nicht nur durch eine Ehrenamtscard, sondern vielleicht auch durch Steuervergünstigungen oder Rentenpunkte. Hinsichtlich der Technik müssen wir uns ständig neuen Trends stellen. Noch haben wir eine gute und hohe Ausbildungsquote und ein hohes Interesse.

Werbung für's Ehrenamt

Wie wichtig die Feuerwehr ist, wird vielen Menschen erst bewusst, wenn sie sie brauchen. Unsere Feuerwehren bestehen allesamt aus ehrenamtlichen Kräften, die viel Zeit und Engagement in ihre Ämter stecken, um bestmöglich ausgebildet zur Stelle zu sein, wenn ihre Hilfe gebraucht wird. Wir wollen Menschen in diesen Ehrenämtern in einer Serie vorstellen. Wie viel Arbeit investieren sie, warum leisten sie den Dienst für andere, was wünschen sie sich mit Blick auf die Zukunft? Und vielleicht motivieren diese Beispiele andere, ihrem Vorbild zu folgen.