Lauterbacher "Lesezeichen" ist top

Im Team erfolgreich (von links): Anne Götz, Ilona Jöckel, Isolde Schmidt, Praktikantin Lara Sehrt, Nina Heinze und Inhaberin Gerlinde Becker stoßen auf den Erfolg der Buchhandlung Lesezeichen an. Stoepler
© Stoepler

„Lesezeichen“ ist Hessens „beste Buchhandlung“. Gerlinde Becker und ihr Team freuen sich über die Auszeichnung für ihren „kulturellen Treffpunkt für Region“.

Anzeige

. LAUTERBACH (ws). Die Vogelsberg-Kreisstadt Lauterbach ist Hessens literarische Hauptstadt. Die Buchhandlung "Lesezeichen" in der Bahnhofstraße wurde von einer Jury zu "Hessens bester Dorfbuchhandlung" gekürt, wobei als Dorf in diesem Sinne auch jede Stadt des Bundeslandes gilt, die keinen Oberbürgermeister an ihrer Spitze hat. Die mehr als nur lokale Ausstrahlung wird auch im Untertitel des Wettbewerbs deutlich, denn da heißt es: "Wir tun etwas für die Region!" Der Blick von Landesregierung und Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit seinem Landesverband für Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, die gemeinsam den Preis zum ersten Mal ausgeschrieben haben, richtet sich dabei auf den ländlichen Raum und suchte im Buchhandel das "unglaubliche Engagement für eine vielfältige Gemeinschaft und für ein gutes Miteinander in unserer Gesellschaft", wie es Lothar Wekel, Landesvorsitzender des Börsenvereins, formulierte. Als unglaubliches Paradebeispiel hat die Jury aus einer Vielzahl herausragender Bewerbungen nun die Buchhandlung "Lesezeichen" erkannt.

Der Preis ist schon etwas Besonderes, er wird zum ersten Mal verliehen und anders als beispielsweise die Auszeichnung für die ersten Dorfgasthäuser nur an eine einzige Buchhandlung. Außen vor bei den Bewerbungen waren Buchhandlungen mit einem Jahresumsatz von einer Million Euro oder mehr sowie Unternehmen in den fünf kreisfreien Städten des Landes sowie den sieben Sonderstatus-Städten wie Fulda oder Gießen, die mehr als 50 000 Einwohner haben. Die Buchhandlungen, an die sich der Wettbewerb richtet, sollen fest in der Region verankert sein. "Buchhandlungen im ländlichen Raum sind wichtige Treffpunkte für Groß und Klein", betonte Ministerpräsident Boris Rhein. "Dort kann man nicht nur Bücher kaufen, sondern dort wird auch Gemeinschaft gepflegt."

Sichtlich gerührt, aber auch stolz nahm Buchhändlerin Gerlinde Becker die Nachricht auf, dass die Jury ihre Buchhandlung ausgewählt hat. Und verweist gleich auf ihr Team engagierter Buchhändlerinnen: "Allein schafft man das nicht, aber mit 30 Jahren kontinuierlicher Arbeit hat man das auch verdient." Die Bewerbung sei schon eine Herausforderung gewesen, berichtet die Preisträgerin. Eine Woche habe sie daran gesessen. "Selbst schuld", möchte man da antworten, denn dass die Bewerbung so viel Arbeit machte, liegt ja daran, dass in der Buchhandlung immer wieder Ideen geboren und umgesetzt werden, die das kulturelle Leben in Lauterbach und der Region bereichern, den Spaß am Lesen fördern. Viel berichten kann nur der, der auch viel macht.

Anzeige

Schon der selbst gewählte Name der Buchhandlung ist Programm. "Lesezeichen", das ist für Kunden nicht der Kassenzettel vom letzten Einkauf oder das "Give Away" eines Verlages. Bilder von Künstlern aus der Region werden in Ausschnitten dem Format angepasst zu einem weiteren kleinen Kunstwerk, die das Vergnügen beim Lesen eines Buches begleiten. Es gibt bereits Sammler, die sich auf jede Neuausgabe freuen. Dass Lesen nicht nur etwas für Stubenhocker ist, beweist der Lauftreff der Buchhandlung. Die Schaufenster werden zu den verschiedensten Anlässen liebevoll dekoriert, Autorenlesungen in der Region initiiert und unterstützt. Gerlinde Becker liest auch selbst vor, etwa auf "Youtube" vom Löwen, der nicht schreiben konnte.

Briefe per E-Mail informieren Kunden über Lesenswertes. Die Buchhandlung selbst ist ein Treffpunkt zum kulturellen Meinungsaustausch. Im Stadtmarketing und einigen Vereinen bringt die in Grebenau lebende Buchhändlerin ihre Ideen für ein lebendiges Lauterbach ein, ist eine Leistungsträgerin im Vorstand. Im Zusammenwirken mit Kunden entsteht immer wieder etwas Neues, beispielsweise Boomerangtaschen, in Handarbeit angefertigte Ausleihtaschen, in der Lesestoff nach Hause getragen werden kann. Bei allem Engagement sind Gerlinde Becker und ihre Mitarbeiterinnen viel belesen, kennen von den Büchern mehr als nur die Buchklappentexte. Und sie fördern die der Heimat verbundenen Autoren wie federführend in dem Projekt, aus dem der Stadtführer "111 mal liebenswertes Lauterbach" entstanden ist.

Jeder spürt: Der Unternehmerin Gerlinde Becker ist ihre Buchhandlung eine Herzensangelegenheit. Schon als Kind war die Grebenauerin, die in Alsfeld zur Schule gegangen ist, eine Leseratte. Das Praktikum in der Buchhandlung Heinz wies den Weg zur Lehre als Buchhändlerin. In der Universitätsbuchhandlung in Heidelberg lernte sie das Gewerbe in einer anderen Größenordnung kennen, doch die Heimatregion rief die junge Frau zurück. 1992 übernahm sie als Angestellte die Leitung der Buchhandlung in der Lauterbacher Bahnhofstraße, die zu Beginn der Fünfzigerjahre im Vorhof der ehemaligen Wurstfabrik in unmittelbarer Nachbarschaft des Gymnasiums gegründet worden war. Seit 1994 ist sie Inhaberin des Unternehmens.

Engagiert gestaltet die Mutter zweier Söhne, die stolz von ihrem ersten Enkelchen berichtet, seitdem das kulturelle Leben in Lauterbach mit, kennt Gott und die Welt, ist mit jedem schnell im Gespräch. Ehemann Dieter lässt sich wie die ganze Familie gern für die Buchhandlung einspannen, ist als Betriebswirt und freigestellter Betriebsrat Berater bei unternehmerischen Entscheidungen. Wenn Ministerpräsident Boris Rhein am 3. Juli zur Überreichung des Preises nach Lauterbach kommt, ist er nicht der erste Regierungschef eines Bundeslandes, der die Buchhandlung Lesezeichen besucht. Eingekauft hat hier schon, natürlich nicht ohne einen kleinen Plausch, Heide Simonis, zwölf Jahre lang Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein.

"Die Buchhandlung Lesezeichen stellt seit Jahren eindrucksvoll unter Beweis, wie es gelingen kann, wirtschaftliches und gesellschaftliches Engagement sinnvoll zu verbinden. Sie ist nicht nur Kulturvermittlerin, sondern auch aktive Gestalterin von gesellschaftlicher Teilhabe und bereichert die Lebensqualität und die Gemeinschaft vor Ort in beispielgebender Weise. Ihre Kreativität und ihr Engagement für die Literatur und für die Menschen in der Region sind herausragend. Sie ist eine würdige erste Siegerin unseres Wettbewerbs", sagte Ministerpräsident Rhein am Dieenstag zum Urteil der Jury. "Engagiert, phantasievoll und mit ungeheurem Einsatz wird ein breites Angebot an Leseförderungen, Veranstaltungen, Lesungen und Festen geboten, aus dem Gemeinschaft und kulturelles Leben in der Region entsteht und über die Grenzen hinausreicht", ergänzte Landesvorsitzender Wekel vom Börsenverein.