Unterwegs in der Mongolei: glücklich trotz Smogmaske und...

Lotta Martin im Terelj Nationalpark. Fotos: Martin/Mihatsch
© Fotos: Martin/Mihatsch

Ulaanbaatar, die kälteste Hauptstadt der Welt, klang perfekt für mich. Die Entfernung und die unbekannte Kultur haben meine Abenteuerlust geweckt. Und auch nach drei Monaten...

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LAUTERBACH (HESSEN), KREISSTADT. Für mich stand schon lange fest, dass ich nach meinem Schulabschluss am lauterbacher Gymnasium ins Ausland wollte. Doch oftmals ist dieses Ziel etwas schwieriger zu planen, als man sich das vorstellt, besonders wenn man abseits der gängigen Work&Travel Ziele wie Westeuropa, Nordamerika oder Australien reisen möchte. Zum Glück stieß meine Mutter auf „kulturweit“.

Lotta Martin im Terelj Nationalpark. Fotos: Martin/Mihatsch
Die Mongolei ist ein Land der Extreme: Von einem touristischen Jurtencamp, über die Wüste Gobi und Kamelen bis hin zur Smogmaske, die in der Stadt Ulaanbaatar getragen werden muss. Foto:

„Kulturweit“ ist eine Organisation des Auswärtigen Amtes und der UNESCO, die zusammen mit Partnerorganisationen rund um die Welt FSJ-Stellen anbietet. Nach der aufwendigen Bewerbung und einem nervösen Telefoninterview kam im März die Zusage. Da war für mich klar, dass es im September für sechs Monate in die Mongolei geht. Ich musste nicht zögern.

Ulaanbaatar, die kälteste Hauptstadt der Welt, klang perfekt für mich. Die Entfernung und die unbekannte Kultur haben meine Abenteuerlust geweckt. Und auch nach drei Monaten bereue ich diese Wahl nicht. Wenn ich morgens in Kamelwollhosen und Yakpullover bei minus 28 Grad Celsius meine Smogmaske anziehe und zur Schule stapfe, weiß ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.

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Ich arbeite an einer mongolisch-russischen Schule. Laut der Broschüre der deutschen PASCH-Initiative, der die Schule angehört, soll ich die Schüler im Deutschunterricht als Muttersprachlerin zum Sprechen animieren. Leider gestaltet sich das in der Realität mehr als nur schwierig, da das Deutschniveau der Elf- bis 18-Jährigen oftmals sehr niedrig ist. Aber nach einigen Startschwierigkeiten und dank der Hilfe einer der Deutschlehrerinnen habe ich mich gut in der Schule eingefunden. Mit anderen Freiwilligen arbeite ich zurzeit zum Beispiel an einer schulübergreifenden Schülerzeitung oder ich biete eine Spiele-Ag für die unteren Klassen an.

Ulaanbaatar macht es einem nicht leicht, sich in die Stadt zu verlieben. Es ist eine der Städte mit der höchsten Feinstaubbelastung aufgrund der geografischen Lage im Tal und den gängigen Kohleheizungen gegen das extreme Kontinentalklima. Seit Oktober kann man die Wohnung nur noch mit Filtermasken verlassen und Fenster geschlossen halten. Der Verkehr staut sich durch das gesamte Zentrum, und öffentliche Busse sind immer überfüllt. Fast zwei Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, und die politische Landschaft und Wirtschaft des Landes sind in einem desolaten Zustand. Eine Stadt, in der das Parlament, der Flughafen und das Geld mit Dschingis Khan verziert ist, einem Eroberer und Tyrannen, der seit 800 Jahren tot ist.

Aber Ulaanbaatar ist auch eine Stadt, die in den vergangenen zehn Jahren unglaublich gewachsen ist. Hochhäuser, Cafés, Läden und Clubs schießen wie Pilze aus dem Boden. Es hat sich eine junge Künstlerszene entwickelt, die durch Konzerte, Ausstellungen und Festivals auf sich aufmerksam macht. Ich kann mich als Frau sicher in das Nachtleben ohne größere Gefahr stürzen.

Und dann ist da natürlich die atemberaubende Landschaft. In einer halben Stunde kann man in den Nationalpark Bogd Khan kommen und beim Wandern die saubere Luft und den Ausblick genießen. Außerdem kann man sich jederzeit einen Geländebus samt Fahrer mieten und übers Wochenende ins nahe gelegene Terelj oder Khustain fahren und in Jurtencamps übernachten, um die letzten Wildpferde zu sehen. Aber auch längere Ausflüge wie in die Wüste Gobi durfte ich wagen. Ich werde wohl nie vergessen, wie ich auf der verlassenen Sanddüne stand und über der endlosen Steppe den Sonnenuntergang betrachten durfte. Denn neben der modernen Metropole ist in diesem weiten Land nach wie vor das Nomadentum fest verankert. Eine uralte Kultur, die unglaublich angepasst ist an die Umwelteinflüsse und die Natur des Landes. Das Reiten in der endlosen Steppe weckt in mir eine tiefe Sehnsucht nach diesem ursprünglichen und harmonischen Leben. Doch die Mongolei ist eines der vom Klimawandel stärksten bedrohten Länder und das traditionelle Leben ist dadurch gefährdet. Daher bin ich umso glücklicher, diese Gelegenheit ergriffen zu haben.

Von Lotta Martin