Museums-Urgestein Wolfgang Wiehl erinnert sich an Zeiten, in denen er "jugendliches Element" im greisen Vorstand war
LAUTERBACH. Nicht selten lagen auf dem Olymp des Bildungsbürgertums in Lauterbach die Götter im Clinch, die Arbeit im Vorstand des Hohhaus-Museums, vornehmlich im Blick auf frühere Jahrzehnte, wird von Insidern nicht selten als Überlebenskampf in einer Schlangengrube beschrieben. Einen humorvollen Blick hinter die Kulissen des Museumsvereins gab bei der Jahreshauptversammlung Wolfgang Wiehl, der sich nach 40 Jahren aus dem Museumsvorstand verabschiedete und als unermüdlicher Heimatforscher nun seine Beiträge als Ehrenmitglied des Vereins leistet. Von Dr. Walter Schultheis und Dr. Hugo Koch, seinen früheren Lehrern an der Alexander-von-Humboldt-Schule und Präsident beziehungsweise Bibliotheksleiter im Hohhaus, wurde Wiehl für die Mitarbeit geworben "als jugendliches Element in einem vergreisenden Vorstand, wie sie sagten". Das Engagement begann im ersten Jahr als Praktikant im Vorstand, der hatte sich wohl bewährt, immerhin wurde Wolfgang Wiehl dann vier Jahrzehnte lang per Wahl ins Führungsgremium berufen. Die Förderer Schultheis und Koch starben beide 1984, das junge Vorstandsmitglied hatte als vermeintlich "Spätachtundsechziger Revoluzzer" im "Honoratiorenclub" keinen leichten Stand, sei von Willi Fiedler, dem früheren Bürgermeister und späteren Vize-Landrat, gar als "Nestbeschmutzer bezeichnet worden. Es habe aber auch fortschrittliche Kräfte wie Kurt-Joachim Riedesel Freiherr zu Eisenbach gegeben, mit dessen Unterstützung er sieben Jahre als Museumsleiter habe wirken können.
Die Aufarbeitung von Altlasten sei da eine große Herausforderung gewesen: "Eines Tages erschien ein Ehepaar und reklamierte sein Erbe." Offensichtlich waren wohl einige Ausstellungsstücke nur Leihgaben gewesen, der amtierende Vorstand sei davon ausgegangen, die Eigentumsverhältnisse seien geklärt. "Aber man hatte schon lange vorher listigerweise die Provenienzhinweise vieler Exponate entfernt, in der naiven Hoffnung, auf diese unkonventionelle Weise die Besitzverhältnisse für alle Zeiten geklärt zu haben." Karl Maurer, so die Erläuterung zur Herkunft, habe am Kriegsende die Möbel- und Bildersammlung eines Bad Salzschlirfers in Sicherheit gebracht. Dann aber seien Erben mit einer langen Bestandsliste aufgetaucht, mit denen der Vorstand sich habe einigen können. An das frisch gekürte Führungsgremium ging der Hinweis bezüglich der Eigentumsverhältnisse: "Es sind im Museum aber auch heute noch viele Falltüren versteckt." "Mit dem Wartenbach-Männchen stimmt was nicht." Diesem Hinweis sei Wiehl als Museumsleiter nachgegangen, galt die kleine Tonfigur doch als Prunkstück der Ausgrabungen auf der Wartenbach. Das Original sei verschwunden gewesen, Wiehl "stieß auf eine Mauer des Schweigens bei den führenden Köpfen des Vorstands." Willi Fiedler habe ihn bekniet, die Sache ruhen zu lassen, um eine furchtbare Blamage für das Museum zu vermeiden. Denn die Figur sei Maurer in der NS-Zeit untergeschoben worden, um den ehemaligen SPD-Abgeordneten bloßzustellen und lächerlich zu machen. Die Wahrheit, so der Schwur der Eingeweihten, dürfe niemals ans Licht kommen. Nun habe es ein zweites Tonfigürchen gegeben, dass erst wenige Jahrzehnte zuvor gebrannt worden, also eine Fälschung sei. Jetzt die weitere Schlussfolgerung in dieser Geschichte: Es sei Maurer nur eine Fälschung untergeschoben worden, diese sei nun entlarvt. Ergo müsse das andere von zwei Wartebachmännchen echt sein und aus der Stauferzeit stammen.
Wiehl berichtete auch von einem Hausmeister, der im Kustoshaus gewohnt habe und im Nebenerwerb Geld als Plakatmaler verdient habe. Zu den Kunden zählte auch das Frankfurter Rotlichtviertel, der Kontakt wurde üblicherweise in den Nachtstunden über das Telefon des Museums gepflegt. Nun habe es offenbar einmal eine eilige Bestellung gegeben, was zu einem Anruf tagsüber führte, den Dr. Carola Runge im Museum entgegennahm. Der Anrufer vermutete, sie sei Mitarbeiterin der Lauterbacher Agentur "Sex intim" und wollte neue Sexplakate bei ihr bestellen.