Die Eröffnung des Ateliers „Bleu“ von Luc Laignel in Wallenrod soll Raum für Kreativität und neue Ideen bieten.
WALLENROD. Auf den ersten Blick wirkt das Gebäude von außen betrachtet recht unauffällig, wären da nicht die hell beleuchteten alten Fenster mit Scheiben aus dünnem Glas und die sich bewegenden Umrisse und Silhouetten im Inneren des Hauses.
Eine kleine Treppe führt hinauf in die ehemalige Tischlerwerkstatt. Am Schlüsselbund befestigt hängt ein großer Malerpinsel – er gibt eine vage Vorahnung auf das, was sich hinter der hölzernen Tür verbirgt. An diesem etwas grauen und regnerischen Tag, eröffnet der Künstler Luc Laignel im kleinen Kreis sein neues Atelier in Wallenrod. Das Wetter liefert den Gegensatz. Während es draußen ungemütlich ist, so ist es drinnen im Atelier einladend heimelig. Die Umrisse haben Gestalt angenommen, hier und da werden noch letzte Ausführungen getätigt. Im Eingangsbereich ziert eine weiße festliche Tischdecke den mit Köstlichkeiten gedeckten Tisch. Freunde und Bekannte des Künstlers sind gekommen, um zu helfen und mit ihm seine neue Werkstätte zu eröffnen. Freudig aufgeregt begrüßt Luc Laignel die nach und nach eintreffenden Gäste.
Bevor Laignel in den kleinen Ort Wallenrod zog, war der Kunstschaffende in Schlüchtern tätig. Dort hat er neben seiner eigenen Galerie und Töpferwerkstatt das psychosoziale Zentrum „Rosengarten“ mitgegründet und als Kunsttherapeut gearbeitet. Er hat eine Vielzahl an kreativen Kursen angeboten und mit seinen Besuchern viele künstlerische Projekte verwirklicht. Das Atelier „Bleu“ soll nun sein Altersruhesitz werden. Für den kreativen Input will er zwischen seiner energetischen Geburtsstadt Paris und dem ruhigen Wallenrod reisen.
Eine Fülle an Gegenständen und besonderen Kunstwerken belebt das verwandelte Studio. Er habe sich einfach sehr in diese Räumlichkeiten verliebt, so Laignel. So ziert eine große Collage aus unterschiedlichen Materialien und Farben gleich die Wand am Eingangsbereich. Ein aufgeklappter und von außen beleuchteter Koffer verweist auf sein sorgfältig ausgewähltes Inneres: künstlerische Arbeiten in unterschiedlichen Formaten und Techniken zum „durchblättern“. Darunter auch Postkarten – Unikate zum Versenden oder behalten. Eine offene Mappe findet ebenfalls ihren Platz. Dazwischen ist auch die eine oder andere Maske zu finden. Überall gibt es etwas zu entdecken. Verschiedene Sitzmöglichkeiten laden zum Verweilen, Betrachten und Nachdenken ein, so etwa ein gemütliches Sofa oder ein geschwungener alter Holzstuhl. Daneben, Regale gefüllt mit Büchern, geheimnisvollen Kästchen, Pinseln, Farben und Objekten. Auch Beschilderungen auf denen „Kunstkurse“ und „Ausstellung“ steht.
Ganz besonders sind dabei die erhaltenen Gerätschaften der früheren Tischlerei, die im Atelier geblieben sind. So hat es den Anschein, dass sich die Kunstwerke von Laignel mit dem Interieur der ehemaligen Werkstatt verbinden. Beim Erkunden des Raumes leuchten seine Kunstwerke zwischen alldem immer wieder hervor. Etwa die Präsentation eine Collage, deren Farbigkeit mit der einer alten Werkzeugkommode einhergeht.
Die Arbeiten von Luc Laignel entstehen aus der Verbindung von Farben, Formen, Techniken und Darstellungen. Es sind Werke, die den Akt des Malens selbst als solchen würdigen, aber auch näher untersuchen. Dabei ist in jeder künstlerischen Technik, ob Collage, Monotypie, Abstraktion und Rakeltechnik seine persönliche Handschrift erkennbar. Von der gegenständlichen akademischen Zeichnung abgelöst zeigen vor allem seine Aktmalereien einen besonderen Duktus. Die Schönheit einer dynamisch gezogenen Linie, die am Ende die Silhouette und den Charakter einer Person veranschaulicht.
Manchmal, so Laignel, male er auch mit geschlossenen Augen. Eine seiner jüngsten Arbeiten zeigt eine gewaltige Farbenpracht aus Grüntönen – ganz zart und nur bei einem genaueren Hinsehen lässt sich eine liegende Figur erkennen.
Auch bei der Wahl seiner verwendeten Farben ist nichts dem Zufall überlassen. Neben Gouache, Aquarell, Tusche stellt er selbst Kasein-Tempera her. Eine Malfarbe die mit natürlichen Bindemitteln, wie etwa Quark oder einer Wasser-Öl-Emulsion hergestellt wird und die neben eine besondere Leuchtkraft auch eine lange Beständigkeit aufweist. Daneben bedient sich der Künstler auch nicht immer dem „klassischen“ Maluntergrund. Es sind auch zweckentfremdete Fundstücke und Schnittmuster wie Pappteller, Zeitungsausschnitte, Bibelfetzen oder auch Spielkarten, die er als Grundlage für seine Bilder verwendet. Seine Arbeiten prägen außergewöhnliche Farben und gehen mit einer großen Intuition für das Innerste einher.
Das Herzstück des Raumes ist ein langer Tisch. Er bildet den Mittelpunkt allen zukünftigen Geschehens. Neben seinem eigenen schöpferischen Agieren in der Werkstätte sollen auch Freunde, Bekannte und Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeit erhalten, ihre Ideen zu verwirklichen und ihren künstlerischen Geist frei zu entfalten. Dafür öffnet der Künstler neben seinem Atelier auch gerne einmal seinen Wohnraum. Wo sich auch die Ausstellung noch fortsetzt. Sibylle Leiphold führt durch die Räumlichkeiten und zeigt das ein oder andere Bild, das auf die künstlerische Entwicklung von Laignel hinweist. Sie freut sich für ihren langjährigen guten Freund. „Es geht darum, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, fernab irgendwelcher Techniken“, erklärt dieser in Bezug auf die Workshops, die bei ihm stattfinden können.
In der künstlerischen Begegnungsstätte sind keine Grenzen gesetzt. Hier findet sich ein neuer schöner Platz für Ideen und künstlerischer Entfaltung. Luc Laignel ist gerührt und dankbar für die vertrauensvolle Aufnahme, die er im Vogelsberg gefunden hat.
Von Francesca Wiegand