Leserinnen und Leser des Wiesbadener Kurier erinnern sich ans Schuleschwänzen im Café Cicero, an den Kondomladen, flippige Klamotten von „Boy“ und mehr.
WIESBADEN. Hunderte von Likes und Kommentaren: Auf den Social-Media-Portalen des Wiesbadener Kurier ging es richtig rund. Viele haben ihre Erinnerungen an die City-Passage geteilt. Wie berichtet ist ein Projektentwickler gefunden, der die seit 2016 leer stehende Einkaufspassage für etwas mehr als 27 Millionen Euro kaufen und nach dem Abriss ein neues Quartier mit Läden, Gastronomie, Büros und Wohnungen bauen will.
Bildergalerie
Nach der Eröffnung 1981 und bis in die 90er-Jahre war die City-Passage ein Magnet auch für junge Leute. Man traf sich an der roten Telefonzelle, einem Geschenk aus der britischen Partnerstadt Tunbridge Wells, und dann ging es rein ins Getümmel.
Modische Kleidung aus dem „Boy – London“
„Oh welch schöne Erinnerung! Ich war sehr, sehr häufig in dieser Passage und habe gerade die kleinen winkeligen und Auf- und Abgänge geliebt. Die Passage hatte Kultfaktor wegen ihrer Läden!“, schreibt Tanja Milakovic auf Facebook. Viele denken noch an den Modeladen „Boy – London“. Eine „Lederjacke im Bikerstil“ hat sich Melanie Pelaez Canales dort gekauft. Und der Kurier-Redakteur Sascha Kircher hat 1988 mit 14 Jahren seine ersten Schnürstiefel von Doc Martens 0 („Zehn-Loch-Highlander mit Stahlkappe“) bekommen. Die Schlangenmuster-Jeans und die Bomberjacke habe er leider nicht mehr. Auch Susanne Wintermeyer, Caro Zavrel, Bella Edward und Nicole Schreiber denken noch gern ans „Boy“, wo sie sich einen schwarzen Ledermantel, eine coole Jacke oder eine Levi‘s 501 mit Löchern gekauft haben – und „stolz wie Bolle“ waren.
Gabriela Schuchalter-Eicke schreibt: „Ich mochte die kleine Anlage im Erdgeschoss mit dem Wasserspiel sehr. Leider stand der kleine Mann mit Schirm oft nicht im Regen, sondern im Trockenen. Auch der Teeladen war herrlich – diese Auswahl – einfach toll!“ Das bestätigt auch Jochen Remmert. Toll sei „der großartige Teeladen mit der ganz reizenden Besitzerin ganz unten“ gewesen. Das Me Lim-Teehaus war auch das Lieblingsgeschäft von Petra James: „Habe dort so ziemlich mein ganzes Erspartes für Tee und Zubehör ausgegeben!“
„Da war es immer schön warm im Winter, wenn wir Schule geschwänzt haben“, erzählt Torsten Wagner. Für viele war in diesen „Freistunden“ das Café Cicero ein Anlaufpunkt. „Das Café Cicero mit seinem freundlichen Wirt Hans war großartig“, erinnert sich Hartmut Boger. „Wir haben dort zeitweise unser Erzählcafé veranstaltet, zudem gab es hervorragende Konzerte, etwa mit Chico Hamilton. Die ,Night on fire‘ zum Andenken an die Doors habe ich auch noch in bester Erinnerung und hat unseren Sohn mit zwölf Jahren zum Gitarrenspiel inspiriert.“
„Cicero war wirklich was ganz Besonderes. Fast jeden Tag dort gewesen. Unglaublich viele Leute dort kennengelernt und Pläne für die Wochenenden geschmiedet. Tolle Erinnerungen!“, denkt Frank F. Kay gern zurück. Peter Lamaack: „Einmal im Cicero bei einer Lesung von Walter Kempowski gewesen. Der beschwerte sich wegen der offenen Bauweise heftig über die Geräusche.“
„Nicht zu vergessen: Ecki und seine Cocktailbar „Copacabana“ im Erdgeschoss!“, erinnert sich die Kurier-Redakteurin Nicola Böhme. „Da gab es Anfang, Mitte der 80er-Jahre schon Mai Tai im Porzellanschwan und Long Island Ice Tea im Keramikaffen. Oder Ecki mixte ,nach Gesicht‘.“ Mira Henrich hat im Copacabana ihren „ersten Cocktail aus einem schwarzen Zylinder getrunken“.
Anfang der 80er hat man Sascha Krey ohne Probleme in die Spielhalle reingelassen und er hat dort mit unter 18 Jahren Asteroid gespielt: „Unfassbar.“ Nicht ganz jugendfrei und deshalb sehr beliebt war der Kondomladen. „Hahaha, der war cool in der Jugend“, schreibt Sarah Lena Hartmann. „Was es da alles gab, das war damals schon ganz besonders verrucht.“ Gabriele Steffen weiß noch, wie sie „ein freches Geburtstagsgeschenk für den Bruder gekauft“ hat und „die nette Verkäuferin hat dem Zweijährigen im Buggy einen eindeutigen Lutscher geschenkt“. Nach den Einkäufen ging es oft zum internationalen Essen. Viele denken noch an das Spaghetti House, an Shawerma im Sahara, Mittagsbüffet im China-Restaurant und Baguette im französischen Bistro.
Erinnerungen gibt es aber auch an den Passfotoautomaten und den Schlüsseldienst vor dem Ausgang zur Kirchgasse. „Dort habe ich mir Nummernschilder für ein Modellauto fertigen lassen“, erzählt Silvia Küpper. Andere denken an die Idea-Drogerie und den Einrichtungsladen Domizil (DOM) zurück. Thomas Vogel erinnert sich daran, dass in der City-Passage wohl mal eine Folge von „Verstehen Sie Spaß?“ gedreht wurde. Er hat den Kameramann in der falschen Litfaßsäule entdeckt.
Billiganbieter und ein Handyladen am anderen
Viele andere haben auch den Niedergang der City-Passage ab Mitte der 90er-Jahre miterlebt. „Manche coolen Läden sind gegangen, Billiganbieter zogen ein, die Qualität ließ nach, auch die Sauberkeit ließ irgendwann zu wünschen übrig“, schreibt Friederike Scholing-Kamps. Julian Abate hat an die späteren Jahre ebenfalls unangenehme Erinnerungen: „Besoffene Taugenichtse den ganzen Tag von früh bis spät in dieser kleinen Kneipe, von denen man beleidigt wurde, wenn man im Vorbeikommen zufällig Augenkontakt hatte. Scharenweise Handy- und Taschendiebe überall in der Passage verteilt.“
„Den Geruch der Citypassage habe ich heute noch in der Nase“, kommentiert Maike Sommer auf Facebook. Bald wird er wohl Geschichte sein.