Das Amtsgericht Frankfurt bestätigt eine Strafbefehl der Staatsanwaltschaft. Wegen falschen Doktortitels muss Richter 100 Tagessätze à 80 Euro bezahlen.
WIESBADEN. Jetzt ist es erstinstanzlich amtlich: Der ehemalige Geschäftsführer der Awo Frankfurt, Jürgen Richter, trägt seinen Doktortitel zu unrecht. So jedenfalls das Urteil von Strafrichterin Schichmann, die Richter wegen Titelmissbrauchs zu 100 Tagessätzen à 80 Euro verurteilte und somit weitgehend der Staatsanwaltschaft Frankfurt folgte, die 120 Tagessätze gefordert hatte. Dem Ex-Awo-Boss wurde zugutegehalten, dass er nicht vorbestraft sei. Sein Rechtsanwalt Bernhard Lorenz kündigte umgehend die Berufung an, man werde das sogar „höchstrichterlich klären lassen“.
Nicht durch kam Lorenz zuvor mit seiner Rechtsauffassung, dass ein Titel, den eine Behörde vor 30 Jahren in die Personalpapiere eingetragen hatte und der seither offensichtlich ungeprüft fortgeschrieben wurde, lediglich durch ein neues Verwaltungsverfahren aufgehoben werden könne. Dieses hätten die Behörden aber nicht angestrengt, also sei das Gericht im Sinne einer „Tatbestandswirkung“ an die frühere Behördenentscheidung gebunden.
Ermittler fanden keinerlei Hinweise über erfolgte Promotion
Die Staatsanwaltschaft indes sah genügend Hinweise, dass Richter erst gar keinen rechtmäßigen Titel erworben habe. Die Weigerung der Beschuldigtenseite, eine Dissertation oder weitere Details zu einer Promotion, die 1992 „in den USA“ erfolgt sein soll, vorzulegen, angeblich zum Schutz vor Plagiatsjägern, fiel ihr dann auch auf die Füße. Denn obgleich Verteidiger Lorenz eingangs verkündete, man werde „keine weiteren Angaben“ über seinen Schriftsatz hinaus machen, wurden dann doch das ein oder andere preisgegeben. Was wiederum Staatsanwalt Jens Dallmeyer veranlasste, in seinem Plädoyer von „merkwürdigen Einlassungen“ und „Schutzbehauptungen“ zu sprechen, auch von einem „Teilschweigen“, was im Gegensatz zur vollständigen Aussageverweigerung zulasten des Angeklagten gehe.
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Eine Reihe von Zeugen untermauerte die Ausführungen der Anklage in einem Gerichtssaal, dessen imposante Stuckdecke dem statusbezogenen Thema geradezu ironisch entsprach. Da war einerseits die Vertreterin des hessischen Kultusministeriums, die ausführte, dass „kein Vorgang ermittelt“ werden konnte, der eine rechtmäßige Promotion Richters belegt hätte. Obwohl man Belege für Dissertationen aus 1992 gefunden habe. Auch hätten alle im Ausland erworbenen Doktorgrade im Jahr 2004 erneut zur Autorisierung vorgelegt werden müssen.
Ermittler aus Wiesbaden und Frankfurt berichteten über ihre Recherchen. Sie fanden keinerlei Hinweise über eine erfolgte Promotion. Dagegen hat eine der Hausdurchsuchungen bei Richter Asservate zutage gebracht, die von der Staatsanwaltschaft als weitere Indizien angeführt wurden. Wie der Ermittlungsgruppenleiter berichtete, habe Jürgen Richter im März 2011 binnen anderthalb Stunden 32 Dokumente in seinem Computer abgespeichert, offensichtlich Belege für erworbene Abschlüsse von ihm, seinem Sohn und auch Zeugnisse seiner Frau. Neben den Diplomen für diverse Studiengänge fanden die Ermittler auch zwei gefälschte Urkunden über Doktortitel, angeblich aus 1992. Eine davon ausgestellt von der Universität Frankfurt, eine weitere von einer „United World Authority“ in den USA. Schnell falsifiziert: Der unterzeichnende Frankfurter Dekan war 1992 gar nicht mehr im Amt, die US-„Authority“ gibt es gar nicht. „Ein Scherz, ein Fake“, meinte dazu Jürgen Richter, der sich in seiner persönlichen Schlussbemerkung als „Polizistensohn“ outete. Jemand habe ihm die Fälschung arglistig zugeschickt. Die Metadaten der Dokumente indes belegen, dass Richter sie selbst eingescannt habe, berichtet der Ermittler.
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Die Sachlage sei ganz einfach, so Staatsanwalt Dallmeyer in seinem Plädoyer: „Der Angeklagte hat einen Doktortitel geführt, aber er hatte keinen.“ Sämtliche akribischen Ermittlungen hätten keine Spur einer regulären Promotion ergeben. Dazu die „Irritationen“, dass sich Richter bereits 2011 mit gefälschten Urkunden befasst habe. Richterin Schichmann sah durch die Verhandlung „den Tatvorwurf erhärtet“. Ein Anerkennungsverfahren für den angeblichen Doktortitel habe nicht nachgewiesen werden können. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.