Nicht jeder will sich auf der Straße festkleben

Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ haben Anfang Februar erneut den Verkehr auf der Alicenbrücke in Mainz blockiert.
© Sascha Kopp

Die erste Veranstaltung der „Letzten Generation” in Wiesbaden wurde von etwa 25 Sympathisanten besucht.

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Wiesbaden. „Ich würde mich niemals auf der Straße festkleben. Ich unterstütze die Ziele der Letzten Generation und klebe dafür stattdessen Plakate. Aber das kann ich nicht, das Festkleben auf der Straße. Da muss man schon sehr großen Mut haben, sich einer solchen Situation zu stellen.” Das sagt Petra Bermes. Sie ist in den Infoladen in der Blücherstraße in Wiesbaden gekommen. So wie etwa 25 andere auch. Sie alle nehmen an einer sogenannten „Krisensitzung“ der Letzten Generation teil. So nennt sich das bundesweit durchgeführte Format der Klimaaktivisten, die immer wieder mit spektakulären Aktionen, insbesondere dem Sich-selbst-Festkleben auf viel befahrenen Straßen, auf sich aufmerksam machen. Ihr Ziel: Dem Klimawandel der Erde entgegenzuwirken. „Angekommen in der Klimakatastrophe. Was wirst du tun?“ ist dann auch der Titel der ersten Veranstaltung der Letzten Generation in Wiesbaden, mit der dazu gehörenden Aufforderung: „Hör dir unseren Plan an.“

Den Plan stellt Fabian Zimmermann vor. Er selbst saß für seine Überzeugung in München im Gefängnis, war einer der Aktivisten der Letzten Generation, die im vergangenen Jahr in München von der Polizei in die sogenannte Vorbeugehaft genommen wurden. 45 Minuten erzählt er in seinem Vortrag unter anderem von seinen Beweggründen, sich der Letzten Generation anzuschließen, die nach seinen Angaben derzeit bundesweit etwa 1000 Aktivisten hat. Er habe es nicht ausgehalten, zu sehen, wie die Menschheit den Planeten in den Abgrund führt, so Zimmermann. Er habe sich emotional darauf eingelassen, die menschengemachte Klimakatastrophe zu verhindern. „Ich musste handeln, dazu gehört der zivile Widerstand.” Aber er spricht auch von den Kipppunkten des Klimawandels, vom Einsatz des eigenen Körpers als Waffe im Widerstand. Davon, die drei Komponenten im Widerstandsplan der Letzten Generation - die Störung der öffentlichen Ordnung, die Opferrolle der Aktivisten, die Eskalation der Provokation - auf „kraftvolle Weise” miteinander zu verbinden. Störung sei für die Gesellschaft schlecht auszuhalten, so Zimmermann, Opfer bewegten Menschen zum Nachdenken und die dauerhafte Eskalation führe zu einer Steigerung des zivilen Widerstandes, so die These des Klimaaktivisten, der die Gewaltfreiheit aller Aktionen hervorhebt.

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Neues an Fakten gibt es in dem Vortrag nicht zu hören, konkrete Maßnahmen für Wiesbaden werden ebenfalls nicht angeführt, dafür Kontaktbögen für ein Engagement verteilt. Darin kann man anmerken, ob man an Aktionen teilnehmen will, für eine einmalige Festnahme bereit ist oder ins Gefängnis gehen würde. Oder den Protest auf andere Weise unterstützen will. Danach wird in drei Kleingruppen der persönliche Austausch untereinander gepflegt, wie man sich selbst beim Thema Klimawandel fühlt. Für Ottmar Schick ist es der erste Vortrag der Letzten Generation. Er sagt: „Meine Generation hat es verbockt. Die Kinder müssen es ausbaden.” Deshalb engagiere und schränke er sich im Konsum ein. Er denkt aber, dass die Mehrheit der Menschen wohl nicht auf Annehmlichkeiten verzichten werde. René, der nicht mit Nachnamen genannt werden will, sagt, dass die Situation im Straßenverkehr in Wiesbaden immer aggressiver werde. Und Petra Bermes findet es gut, dass bei der Letzten Generation eine junge Generation nachwachse, die sich gesellschaftlich sehr engagiere. Und, dass auch Ältere dabei seien. Die meisten der Zuhörer bei diesem ersten Treffen der Letzten Generation in Wiesbaden sind im fortgeschrittenem Alter, zum Teil jenseits der 50.