Beim Wiesbadener Verkehrsunternehmen rollen in den vergangenen Monaten reihenweise Köpfe. Das finden nicht alle gut.
WIESBADEN. Immer nur kritische Berichte zu Eswe Verkehr in den vergangenen Monaten? Weil es so nicht weitergehen konnte, wurden die Medien diese Woche zum „Presse-Event“ eingeladen, um den 100. Batteriebus zu begrüßen. „Ein Meilenstein! Wiesbaden als Vorreiter!“, jubelten Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) und Umwelt- und Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne), die herbeieilten, um Einigkeit mit Jan Görnemann zu demonstrieren. „Wir sind die Guten“, konstatierte der Geschäftsführer. „Jetzt hebt er ab“, kommentierte ein Beschäftigter.
Nicht alle finden Görnemanns Vorgehen gut. Vor allem nicht die, deren Köpfe bereits in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit gerollt sind. Görnemann kam für den 80-jährigen Hermann Zemlin, der daraufhin das Haus verlassen musste. Sein Co-Geschäftsführer Jörg Gerhard wurde vom Aufsichtsrat geschasst. Der Leiter der Abteilung Koordination und Innovation musste gehen, ebenso der Vertriebschef und der Leiter des Fahrbetriebs. Der frisch eingesetzte Personalchef soll selbst das Handtuch geworfen haben. Auch die Betriebsleiterin der Nerobergbahn soll jüngst freigestellt worden sein. Die frühere Personalchefin ist ebenfalls weg vom Fenster. Der Pressesprecher zog es vor, das Unternehmen zu verlassen.
"Mittlerweile geht die Angst um"
Die neu gewählte Betriebsratsspitze trägt die Kündigungen nach eigener Aussage mit. Man stehe voll hinter dem neuen Geschäftsführer. „Mittlerweile geht die Angst um im Unternehmen“, sagen andere. Verdiente Kolleg:innen würden mir nichts dir nichts abgesägt. Angst müsse nur der haben, der nicht loyal sei und mit dem es keine Vertrauensbasis mehr gebe, betont Görnemann, der sich selbst auf zwei Jahre in Wiesbaden festgelegt hat: ein Jahr zum Klar-Schiff-Machen, eins für den Neustart. Ja, er warte auch manchmal auf einen Anruf vom Aufsichtsratsvorsitzenden Kowol, der ihm sagen wolle: „Jetzt ist aber mal gut mit den Rauswürfen.“ Doch bisher sei er ausgeblieben.
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Einer, der offensichtlich das volle Vertrauen genießt, ist Martin Weis. Der 61-Jährige war als externer Berater eingesetzt worden, jetzt wurde er übergangsweise zum Geschäftsführer mit den Schwerpunkten Finanzen, Marketing, Vertrieb und Personal ernannt. Er ist Fachmann, war für die Deutsche Bahn und kommunale Arbeitgeber tätig. „Sie sind der Erste, der mir gratuliert“, ist Weis verwundert, als er bei seiner Vorstellung Glückwünsche bekommt. „Die Veränderung ist das, was mich hergebracht hat“, sagt er. Davon gibt es bei Eswe Verkehr ja nun weiß Gott genug.
Weis will wieder nach Berlin
Ein ganz kleines Bisschen könnte auch die Bezahlung bei der Entscheidung zu Wiesbaden beigetragen haben, möchten wir ergänzen. Auf keinen Fall werde er jedoch länger bleiben, als bis eine dauerhafte Geschäftsführerlösung gefunden ist. Sein Lebensmittelpunkt sei in Berlin, stellt Weis klar.
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Dass es aber noch eine ganze Weile dauern kann, bis die gewünschte Frau als Nachfolgerin für Jörg Gerhard gefunden ist, scheint klar zu sein. Der deutschlandweite Pool an potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten ist begrenzt. Eine Personalagentur soll ihn jetzt – wie bei der Suche nach Görnemann als Ersatz für Hermann Zemlin – durchforsten. Das Anforderungsprofil ist einfach: Gesucht wird eine abenteuerlustige, begeisterungsfähige ÖPNV-Expertin mit Zahlenverständnis und guten Nerven. Voraussetzung sind zudem Kenntnisse in Krisenmanagement und Lust auf ständige Veränderungen. Geboten wird ein gut bezahlter Schleudersitz, bei Bewährung aber auch Bleiberecht bis ins Greisenalter. Da muss doch was gehen.