Bundespolizeibericht: Düstere Lage im Hochwassergebiet

Häuser in Mayschoß sind nach der Flut total zerstört. Foto: dpa/Thomas Frey
© dpa/Thomas Frey

Von einer brisanten Zuspitzung im Katastrophengebiet berichtet ein Schreiben an die Bundesregierung, aus dem ein Boulevardblatt zitiert. Was das Innenministerium dazu sagt.

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KREIS AHRWEILER. Zwei Wochen nach der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal zeichnet die Bundespolizei ein düsteres Bild der Lage. Am Donnerstag (29. Juli) berichtete ein Boulevardblatt über einen vertraulichen Bericht der „Direkten Bundesbereitschaftspolizei“ nach Berlin. In dieser „Lagorientierung Nr. 30“ wird unter anderem von schweren Traumatisierungen der Bevölkerung, dubiosen Elementen unter den Helfern und einer allgemein schlechten Versorgungslage berichtet. Das rheinland-pfälzische Innenministerium hat am Abend Teile des Berichts relativiert.

Bericht zeichnet düsteres Lagebild

Die „Bild-Zeitung“ schrieb in Ihrem Online-Auftritt über einen „brisanten“ Rapport und veröffentlichte eine Seite aus dem Polizeibericht als Screenshot. Darin heißt es unter anderem, die „Versorgung der Bevölkerung wird insgesamt als problematisch bewertet“ und: „Viele Betroffene sind stark traumatisiert, Akzeptanz gegenüber den Einsatzkräften sinkt stetig.“ Schon in den vergangenen Tagen hatten Helfer unter anderem des Technischen Hilfswerkes (THW) berichtet, sie seien angefeindet und mit Müll beworfen worden.

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Zudem schildert der Bericht, im Katastrophengebiet würden sich „Reichsbürger in polizeiähnlicher Uniform“ aufhalten und versuchen, „echten“ Einsatzkräften Platzverweise zu erteilen. Die Polizei habe die Ermittlungen aufgenommen. Schon vor einer Woche waren ins Visier der Koblenzer Polizei Personen aus der Querdenker-Szene sowie vereinzelte Rechtsextremisten geraten, die sich unter die Helfer mischten und Desinformation verbreiten.

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Laut dem Bericht droht in Altenahr ein 500 Tonen schwerer Fels als Folge des Hochwassers abzurutschen. Fachpersonal ist zur Begutachtung aufgebrochen. Hier laufen derzeit Untersuchungen auf mögliche Bewegungen. "Es gibt entsprechende Messungen, die dauernd laufen", sagte ein Sprecher des Pressezentrums Hochwasser Ahr am Donnerstag. Derzeit gebe es aber keine Hinweise darauf, dass eine akute Gefahr bestehe. "Es ist keine akute Lage. Es ist nicht so, dass wir jetzt mit einem Felssturz rechnen."

Die Bundespolizei wollte sich auf Anfrage dieser Zeitung zu dem Inhalt des Berichts nicht äußern, da dieser als Verschlusssache eingestuft sei. "In diesem Zusammenhang haben der hiesige Geheimschutz und die Innenrevision daher bereits Ermittlungen aufgenommen. Eine Strafanzeige ist in Vorbereitung", sagte ein Sprecher der Behörde. "Da die Inhalte des Dokumentes Ergebnis der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz mit der Bundespolizei im Rahmen der Hochwasserlage sind und letztlich die Erkenntnislage rheinland-pfälzischer Behörden widerspiegeln, bitte ich um Verständnis, dass wir uns dazu nicht inhaltlich äußern können."

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„Der Spiegel“ zitierte am Donnerstag aus dem Lagebericht der Bundespolizei, es habe bis Sonntag im rheinland-pfälzischen Krisengebiet 44 Straftaten gegeben, insgesamt seien über 1200 Platzverweise ausgesprochen worden. In internen Mails der Polizeigewerkschaft GdP sei von 60 zerstörten Brücken im Ahrtal die Rede, diese Zahl nannte auch der Dehoga-Präsident Gereon Haumann im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Infrastruktur im Ahrtal – Strom- und Wasserversorgung, Straßen und Häuser – sei komplett zusammengebrochen. Wegen zahlreicher Leichen und Kadaver drohe Seuchengefahr.

Innenministerium: Große Dankbarkeit der Betroffenen

Am Abend relativierte das Innenministerium in Mainz auf Anfrage dieser Zeitung einen Teil des durchgestochenen Berichtes. „Selbstverständlich sind einige von der Flut Betroffenen völlig nachvollziehbar in hohem Maße angespannt, weil sie zum Teil vor den Trümmern ihrer Existenz stehen“, sagte ein Sprecher von Minister Roger Lewentz (SPD). „Teilweise fehlt die grundlegende Versorgung mit Strom, Wasser, Telekommunikation und anderen Elementen der Daseinsvorsorge. Das wird teilweise auch gegenüber Einsatzkräften zum Ausdruck gebracht. Von mangelnder Akzeptanz gegenüber den eingesetzten Kräften kann jedoch nicht berichtet werden.“ Im Gegenteil verspüre man große Dankbarkeit der Betroffenen.

Von Reichsbürger-Aktionen im Krisengebiet wisse man nichts. Den bekannten Aktivitäten von Querdenkern oder Störern, die Rettungskräfte wie das THW attackiert hätten, werde mit polizeilichen Mitteln nachgegangen. Der angeblich drohende Felssturz in der Ortsgemeinde Ahrbrück sei akut nicht zu befürchten. „Das THW hat den Block 48 Stunden lang elektronisch vermessen und beobachtet und keine Veränderung festgestellt. Langfristig sollen jetzt Zäune errichtet werden.“

Von Ulrich Gerecke und dpa