Deniz Yücel in Türkei wegen PKK-Propaganda verurteilt

Der deutsch-türkischen Journalist Deniz Yücel wurde in der Türkei zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, neun Monaten und 22 Tagen verurteilt.  Foto: dpa

Ein Gericht in Istanbul hat den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in Abwesenheit zu einer Haftstrafe verurteilt. Ihm wird Terrorpropaganda vorgeworfen.

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ISTANBUL. Ein Gericht in Istanbul hat den "Welt"-Journalisten Deniz Yücel wegen Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu mehr als zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

Vom Vorwurf der Volksverhetzung und der Propaganda für die Gülen-Bewegung sei der in Flörsheim geborene Yücel freigesprochen worden, sagte sein Anwalt, Veysel Ok, der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag.

Yücel übte nach dem Urteil scharfe Kritik und sagte, das Urteil zeige, wie es um die türkische Justiz bestellt sei: "nämlich erbärmlich." Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein, wie erste Reaktionen zeigen:

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Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte der "Welt": "Die Verurteilung von Deniz Yücel zeigt vor allem eins: Die Türkei wendet sich von den gemeinsamen demokratischen Werten ab (...) Denn das Urteil verletzt die Pressefreiheit, die sowohl in der Verfassung als auch in den Straßburger Urteilen, an die sich die Türkei als Mitglied des Europarats zu halten hat, verankert ist. Stattdessen sehen wir eine unter politischem Druck handelnde Justiz."

Claudia Roth und Cem Özdemir, Grüne, schrieben: "Das unfassbare Urteil gegen Deniz Yücel wurde allem Anschein nach im Präsidentenpalast getroffen und ist zugleich ein Urteil gegen Pressefreiheit und Menschenrechte in der ganzen Türkei (..) Alle Demokratinnen und Demokraten sollten das Urteil zum Anlass nehmen, um an Osman Kavala und die zu Unrecht inhaftierten Pressevertreter*innen und Menschenrechtsaktivist*innen zu erinnern."

Sigmar Gabriel (SPD), ehemaliger Bundesaußenminister schrieb auf Twitter: "Heute bin ich doppelt froh, dass wir Deniz Yücel damals aus der türkischen Haft heraus und zurück nach Deutschland bringen konnten. Danke allen, die damals mitgeholfen haben." Gyde Jensen, Menschenrechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, schrieb: "Das Verfahren gegen Yücel war von Anfang an ein Schauprozess und eine Machtdemonstration des Autokraten Erdogan. Dieses Urteil belegt außerdem, wie wenig Erdogan noch für Appelle aus Deutschland oder Europa erreichbar ist. Es ist daher höchste Zeit, den EU-Beitrittsprozess mit der Türkei zu beenden."

Sevim Dagdelen, Linken-Abgeordnete im Bundestag, teilte auf Twitter mit: "Ein schwarzer Tag nicht allein für die Pressefreiheit. Auch eine Warnung an alle, die über den Krieg Erdogans gegen die Kurden & über die Komplizenschaft des AKP -Regimes mit islamistischen Terroristen berichten oder sich dem entgegen stellen."

Peter Steudtner, Menschenrechtsaktivist, sagte dem Redaktions-Netzwerk Deutschland: "Ich hoffe, dass es der EU und der internationalen Staatengemeinschaft vor Augen führt, welcher Lage sich Journalistinnen und Journalisten in dem Land gegenüber sehen. Sie sollten die Einhaltung von internationalen Menschenrechtsstandards zur Voraussetzung für eine weitere wirtschaftliche und politische Kooperation mit der Türkei machen."

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Julia Duchrow, Stellvertreterin des Generalsekretärs, Amnesty International in Deutschland, erklärte: "Rund 100 Medienschaffende sitzen zurzeit in türkischen Gefängnissen - mehr als in jedem anderen Land der Welt. Das heutige Urteil zeigt, dass es in den Beziehungen zur Türkei keine Rückkehr zur Normalität geben kann. Die Bundesregierung bleibt gefordert, die türkische Regierung in aller Deutlichkeit zur Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention aufzufordern."

Tina Groll, Bundesvorsitzende der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di:, teilte mit: "Zwar wurde Deniz Yücel freigesprochen vom Vorwurf der Volksverhetzung, dieses Urteil ist dennoch ein weiterer schwerwiegender Beleg dafür, dass die Türkei ein Unrechtsstaat ist."

Frank Überall, Bundesvorsitzender Deutscher Journalisten-Verband, erklärte: "Für die Haftstrafe gibt es keinen auch nur halbwegs nachvollziehbaren Grund (...) Offensichtlich ist Rache das alles bestimmende Motiv der türkischen Justiz gegen die Kritiker von Erdogan und seinem AKP-Regime. Es ist an der Bundesregierung, ein deutliches Zeichen gegen einen möglichen EU-Beitritt der Türkei zu setzen."

Christian Mihr, Geschäftsführer Reporter ohne Grenzen; erklärte: "Deniz Yücel ist unschuldig und hat nur seine Arbeit als Journalist gemacht. Dass die türkische Justiz an dem absurden Vorwurf der Terrorpropaganda festhält und Yücel zu fast drei Jahren Haft verurteilt, zeigt, wie politisiert und willkürlich diese ist (...) Wir sind erleichtert, dass Deniz Yücel mittlerweile wieder in Deutschland in Freiheit lebt. Wir dürfen aber nicht das Schicksal der zahlreichen in der Türkei wegen ihrer Arbeit inhaftierten Medienschaffenden vergessen und fordern auch ihre Freilassung."

Von dpa