Digitale Nachrichten sind gefragt - auch als E-Paper

Die erste Version des E-Papers dieser Zeitung kann schon am Vorabend gelesen werden.  Foto: stock.adobe
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Dass Digitalisierung funktioniert, zeigt sich auch am E-Paper dieser Zeitung. In der Corona-Krise erlebt die digitale Zeitung einen zusätzlichen Boom.

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MAINZ. "Unser Leben ist eine einzige Videokonferenz“, schreibt der Wirtschaftsinformatiker und Unternehmensberater Peter Hogenkamp. Und er gratuliert den Deutschen: „Was gestern noch eine Variante für Fortgeschrittene war, ist heute Realität für alle.“ Er erzählt von einer virtuellen Geburtstagsparty für eine Fünfzigjährige, bei der die Gäste in einer Schaltkonferenz ihr Ständchen vortrugen, berichtet davon, wie er an einem Wochenende in seinem Schweizer Wohnort mit einem Kollegen die digitale Schule für den Unterricht seiner Söhne und deren Lehrer entwickelte.

Eine Revolution, die mehr als 30 Jahre währt, hat durch die Corona-Krise dramatisch an Fahrt gewonnen. Und die Digitalisierung funktioniert. Auf einmal sind Begriffe wie Slack oder Zoom so gegenwärtig wie das gute alte Telefonat. Kollegen treffen sich nicht mehr in der Kneipe, sondern sie facetimen oder whatsappen.

Elektronische Nachrichten sind gefragt

Ein Scherz macht die Runde: Homeoffice scheitere nicht mehr an Leitungsengpässen, sondern am Mangel an Toilettenpapier. Dabei, so sagt es Professor Lothar H. Wieler vom Robert Koch-Institut, sind wir erst am Anfang einer Epidemie. Dazu IT-Experte Hogenkamp: „Digitalisiere in der Zeit, dann hast Du in der Not.“ Er rät zum Aufrüsten der Technik, um später nicht überrascht zu werden.

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Ein Trend zum Digitalen lässt sich auch an der Nutzung elektronischer Nachrichten ablesen. Mitte März hätten zwei Drittel der deutschsprachigen Bevölkerung ab 16 Jahren auf Zeitungsangebote im Internet zurückgegriffen, meldet der Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger. Allein mit diesem digitalen Angebot hätten die Verlage damit rund 46 Millionen Menschen erreicht. Gegenüber dem Januar sei dies eine Steigerung von mehr als einem Drittel. Dabei überlassen die Unternehmen, die die Krise ebenso hart trifft wie die übrige Wirtschaft, die harten Fakten zum Thema Corona in der Regel gratis.

Auch Ältere schätzen das Angebot

Matthias Lindner, Verkaufsleiter für die Endkunden-Produkte der VRM, zu der diese Zeitung gehört, macht einen starken Trend in Richtung digitale Produkte aus. Die Zugriffe auf die VRM-Seiten im Internet hätten deutlich zugenommen. Er rät dazu, sich für die Zeit zu wappnen, in der es zu Engpässen bei der Auslieferung der gedruckten Zeitungen kommen könnte. Noch verteilen jede Nacht 6.500 Zusteller die Blätter. „Wir haben aktuell sehr wenige Reklamationen, der Transport klappt wie gewohnt“, berichtet Lindner. Doch dieses gut geölte System gerate ins Stottern, falls sich Covid-19-Erkrankungen häuften. Der Vertriebsexperte macht darauf aufmerksam, dass viele Abonnenten gegen einen kleinen Aufpreis jetzt schon auf die Möglichkeit zurückgreifen, E-Paper zu lesen. Zudem hätten Print-Abonnenten die Möglichkeit, ohne Aufpreis die Informationen der VRM im Internet zu verfolgen.

Der stille Star am Digitalhimmel sei ein Produkt, das viele Fachleute einst als Brückentechnologie missachtet hätten. E-Paper, so erklärt Lindner, sei erst durch die Tablets richtig ins Rennen gegangen. Besser als das beste Handy böten diese Mikrorechner eine optisch größere Fläche und dadurch mehr Übersicht. Zur Überraschung vieler hätten vor allem ältere Nutzer dieses Angebot nach kurzer Zeit schätzen gelernt. „Sie können sich den ganzen Artikel auf einer Seite vergrößern oder die Schrift in der Einzeldarstellung nach oben skalieren“, berichtet Lindner.

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E-Paper kommt am Vorabend

Das traditionelle Publikum schätze diese Form der Darstellung, weil sie in Seitenaufbau und Umfang exakt der gedruckten Zeitung entspreche. „Und nach langem Basteln haben wir auch hinbekommen, dass die Rätselfans ihr Sudoku und ein Schwedenrätsel elektronisch lösen können.“ Die Zeitung in der alten Form habe in digitaler Gestalt wieder eine Chance gegenüber dem Internet, stellt er fest. Schließlich liefere der Verlag die erste E-Paper-Version schon am Vorabend an den Abonnenten aus. Er kann sich über eine heruntergeladene App die Zeitung direkt herunterladen, sofern er über eine annehmbare Netzverbindung verfügt. Das Vorabend-E-Paper, seit Ende März nun schon ab 20.30 Uhr mit der Ausgabe des nächsten Tages erhältlich, weist in besonders hektischen Zeiten abends noch den einen oder anderen weißen Fleck auf. Die Leser sind sozusagen live dabei, wenn die Redaktion zähneknirschend hinnehmen muss, dass ein Sportereignis und eine politische Entscheidung erst eine halbe Stunde nach Auslieferung der Zeitung beendet ist. Für den E-Paper-Nutzer allerdings kein Problem. Er erhält laut Lindner jeden Morgen eine zweite aktualisierte Fassung - in diesem Fall ohne weiße Flecken.

Was Lindner einigermaßen ruhig schlafen lässt, ist die Sicherheit, dass auf diese Weise die Zeitung selbst dann ausgeliefert wird, wenn Zusteller ausfallen. „Wir praktizieren das schon, wenn die Wetterlage oder Krankheit einen ganzen Zustellbezirk lahmgelegt haben.“ Dann schalten wir den Kunden einfach den Zugang zu E-Paper im Netz frei. Das ist, so die Planung im VRM-Vertrieb, auch das Vorgehen bei einem Massenausfall von Mitarbeitern in einer Epidemie. Noch fahren jede Nacht Tausende Zusteller und Grossisten die Papierzeitung aus. Selbst eine Ausgangssperre würde sie daran nicht hindern. Die Landesregierungen zählen die Zeitungsindustrie zur „kritischen Infrastruktur“. Das sind solche Teile der Wirtschaft, denen wesentliche Bedeutung bei der Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Aufgaben zukommt.

Von Stefan Schröder