Einstiger Retter der SPD leistet jetzt Entwicklungshilfe
Warum Thorsten Schäfer-Gümbel über Politik öffentlich schweigt und die GIZ nicht in Nordkorea zu finden ist, erzählt der frühere Parteivorsitzende in unserem Podcast.
Von Stefan Schröder
Chefredakteur VRM
Da war er noch in der SPD aktiv: Thorsten Schäfer-Gümbel übernahm nach dem Rücktritt von Andrea Nahles kommissarisch den SPD-Bundesvorsitz gemeinsam mit Malu Dreyer und Manuela Schwesig.
(Foto: dpa)
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ESCHBORN - Beim Umgang mit der Pandemie Covid-19 und deren Folgen gibt es auch in der Dritten Welt erhebliche Unterschiede. Gut mit der Krise kommen solche Länder zurecht, die Erfahrung mit Epidemien haben zum Beispiel in Afrika mit Ebola oder in Asien mit Sars. Das haben die Experten der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit Sitz in Eschborn und Bonn festgestellt, wie Vorstandsmitglied Thorsten Schäfer-Gümbel berichtet.
Er maße sich jedoch kein Urteil darüber an, wer richtig und wer falsch handele, meinte Schäfer-Gümbel, der bis vor einem Jahr noch Oppositionsführer in Hessen war. Bis September 2019 hatte der Mittelhesse außerdem gemeinsam mit Manuela Schwesig und Malu Dreyer vorübergehend die Bundes-SPD geleitet und die Partei damit vor einer schweren Führungskrise gerettet.
„Ich habe großen Respekt vor den Mandatsträgern, die nach bestem Wissen und Gewissen Entscheidungen treffen in einer Situation, die es so noch nicht gegeben hat“, sagte der 50-Jährige im Podcast „Schröder trifft“. Schäfer-Gümbel plädiert für eine Art Lehrbuch oder Handlungsleitfaden, wie man künftig mit Seuchen umgehen müsse. „Immer in der Hoffnung, dass man das nie mehr braucht.“
GIZ-Mitarbeiter haben gleich doppelt mit dem Virus zu kämpfen
Die 22.000 Mitarbeiter der GIZ, die in 120 Ländern engagiert sind, haben selbst gleich doppelt mit dem Virus zu kämpfen. Die Lage der Partner und die Anforderungen der Bundesregierung, Hilfe zu leisten, gäben die Richtung vor, berichtet Schäfer-Gümbel, der auch als Arbeitsdirektor ist. Mit einigem Stolz könne er mitteilen, dass die Arbeit vor Ort nie unter einen Anteil von 60 Prozent gesunken sei. Dazu trage bei, dass zwei Drittel der Mitarbeiter Bürger des jeweiligen Partnerlandes seien.
Mit einem in Eschborn angesiedelten Krisenstab, mit Ärzte- und psychologischen Betreuungsteams und einer globalen Sprechstunde des Vorstandes versuche man auch diejenigen zu erreichen, die seit Monaten in häuslichen Quarantänen arbeiten. Die GIZ habe früh, nämlich schon im Dezember 2019 reagieren können, weil man durch Projektmitarbeiter in China und in der Mongolei damals von der Epidemie erfahren habe. Die Lernkurve sei steil, mobiles Arbeiten spiele eine wichtige Rolle und werde nach dem Ende der Pandemie noch wichtiger werden, ist sich der Arbeitsdirektor sicher.
Weg vom Image des "Brunnenbauers"
Aktuelle politische Verhältnisse möchte der ehemalige Spitzenpolitiker nicht kommentieren. Er habe sich in dieser Hinsicht ein „Schweigegelübde“ auferlegt. Wer einen Rat haben wolle, bekomme ihn. Die GIZ ist zwar ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen, das aber zu 100 Prozent dem Bund gehört und durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit beaufsichtigt wird. Von dort und vom Umweltministerium kommen 80 Prozent der Aufträge, über die sich die Gesellschaft finanziert.
„Wir sind nicht mehr die Brunnenbauer“, fasst Schäfer-Gümbel die alten Klischees in einem Bild zusammen. Im Auftrag der Bundesregierung fördert man ganzheitliche Strukturen und Voraussetzungen für ein gutes Leben. Dazu gehört „good governance“, also das Streben nach einer guten - sprich demokratischen - Regierungsform. Auf die Frage, was das heiße, meint Schäfer-Gümbel „also in Nordkorea sind wir nicht“.
Kooperation im Spannungsverhältnis
Dennoch komme man nicht umhin, mit Staaten zu kooperieren, deren Regierungsform weit von demokratischen Verhältnisse seien. „Wenn Menschenliebe Sie antreibt, und das würde ich für mich in Anspruch nehmen, dann muss man mit diesen teilweise schwierigsten Rahmenbedingungen umgehen, weil es um das Wohl des Einzelnen geht. Das ist manchmal ein Zielkonflikt, ein Spannungsverhältnis.“