„Gas-Preise werden wieder sinken“

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Hinter Euro-Noten brennt an einem Herd eine Gasflamme. Foto: dpa

Die Gas-Preise sind nach dem russischen Angriffskrieg drastisch gestiegen. Warum rechnet die Branche aber mittelfristig mit einer Entspannung des Rohstoffmarkts?

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WIESBADEN/MAINZ. Die extrem hohen Gaspreise werden in den nächsten 18 Monaten zwar deutlich sinken, aber vorerst nicht wieder die Tiefstände der vergangenen Jahre erreichen. „Der zügige Ausbau der LNG-Terminals in Europa wird Importengpässe beseitigen und die europäischen und asiatischen Preise angleichen, wobei die Preise aber weiterhin höher liegen werden als in den USA“, berichtet Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas.

Die Preise dürften ohne russische Gas-Lieferungen in Nordwesteuropa auch im Jahr 2026 noch über 90 Euro je Megawattstunde und damit deutlich über dem vergleichsweise niedrigen Durchschnittspreis von 24 Euro je Megawattstunde im Jahr 2018 notieren. Das ist das Ergebnis einer Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln (EWI) über die „Entwicklungen der globalen Gasmärkte bis 2030“. Die Studie untersuchte verschiedene Szenarien mit hoher und sinkender Gas-Nachfrage sowie uneingeschränktem und blockierten Gas-Handel mit Russland.

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Nachfragereduzierung hilft bei Preisreduzierung

„Die Nachfragereduzierung ist ein wesentlicher Hebel zur Normalisierung der Preise“, betont Studienautor Eren Çam. So werde im Szenario „Hohe Nachfrage und kein Energiehandel mit Russland“ der Preis in Europa im Jahr 2026 auf 93 Euro je Megawattstunde geschätzt. Wenn dagegen die Gasnachfrage in der EU sinkt und weltweit weniger stark wächst, könnte der Preis hierzulande auf 51 Euro je Megawattstunde und damit ungefähr auf das Niveau des Jahres 2021 von 54 Euro je Megawattstunde sinken. In diesem Szenario könnte im Jahr 2030 sogar das niedrige Preisniveau von 2018 auch ganz ohne russisches Gas erreicht werden.

Doch welche Marktstrukturen stehen hinter der Entwicklung der Preise? Wenn der Gashandel zwischen Russland und der EU blockiert ist, werden die verbleibenden Pipeline-Korridore nach Europa stark ausgelastet. „Über historische Liefermengen hinausgehend kann Gas jedoch nur in begrenztem Umfang aus alternativen pipelinegebundenen Quellen wie Norwegen, Aserbaidschan oder Algerien bezogen werden“, erläutert Çam. Norwegen werde zwischen den Jahren 2026 und 2030 seine maximale Produktionskapazität erreichen und danach seine Lieferungen einschränken müssen. Die Ausfuhren aus Nordafrika werden zudem aufgrund der steigenden heimischen Nachfrage nicht wesentlich höher ausfallen.

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Im Jahr 2021 erfolgten drei Viertel der europäischen Gasimporte über Pipelines, etwa ein Viertel kamen als Flüssiggas (LNG) per Schiff. Insgesamt stammten laut Studie etwa 40 Prozent der Importe aus Russland, weitere 23 Prozent aus Norwegen und knapp 13 Prozent aus Nordafrika. Die Gaseinfuhren aus Russland können vorerst nicht durch höhere Pipeline-Lieferungen ersetzt werden. „Der europäische Bedarf nach LNG steigt deutlich“, betont Kehler. Dabei könnten Lieferungen aus den USA die größte Rolle auf dem europäischen Markt übernehmen, ist der Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas überzeugt. Sollte zwischen Russland und der EU kein Gas gehandelt werden, würden laut der Studie Lieferungen aus den USA einen Anteil an den Gesamtimporten der EU von etwa 39 Prozent erreichen. Katar würde zwar ebenfalls seine Exporte nach Europa ausweiten, sei jedoch durch langfristige Lieferverträge an asiatische Länder gebunden. Mögliche zusätzliche Importe aus anderen LNG-Lieferländern wie Australien oder Kanada bedienten ebenfalls hauptsächlich Asien und werden für die EU zunächst nicht einspringen können.

Russland werde seine Exporte verlagern und die Ausfuhren nach China bis zum Jahr 2026 mindestens verdoppeln oder sogar versechsfachen, berichtet Çam. Ein Großteil könnte über die Pipeline Power of Siberia geliefert werden, die im Jahr 2021 nur zu weniger als 20 Prozent ausgelastet war. „Dadurch würde das russische Gasgeschäft vollständig von Europa nach Asien verschoben und China der wichtigste Handelspartner.“

Gas-Infrastruktur muss ausgebaut werden

Die Erhöhung der LNG-Importe aus den USA setzt allerdings den Bau von Gas-Verflüssigungsanlagen dort voraus. „Wir hören von Handelspartnern aus den Vereinigten Staaten, dass derartige Investitionen von Abnahmezusagen über mindestens 15 Jahre abhängen“, betont der Branchenvertreter Kehler. Da die Erdgasnachfrage in Europa vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele mittel- bis langfristig abnehmen wird, sind die US-Firmen unsicher, ob sich die Investitionen auszahlen.

Wenn Flüssiggas an einem LNG-Terminal im Hafen ankommt, muss es wieder in die gasförmige Form gebracht werden, um über Pipelines transportiert werden zu können. Diese Kapazitäten sind in Europa regional ungünstig verteilt. Die Anlagen auf der Iberischen Halbinsel haben noch Kapazitäten. Aufgrund fehlender Pipelines in den Norden können sie aber nicht zur Entlastung in Zentraleuropa genutzt werden. In Deutschland müssen dagegen LNG-Terminals erst aufgebaut werden.