Gastkommentar von Necla Kelek: Freiheit für Frauen und Mädchen
Von Necla Kelek
Necla Kelek ist preisgekrönte Publizistin, Menschenrechtlerin und profilierte Kritikerin des politischen Islam.
(Foto: Cyrel Schirmbeck)
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Als Alice Schwarzer im Jahr 1977 in ihrer Zeitschrift „Emma“ das erste Mal über die weibliche Genitalverstümmelung berichtete, gab es einen Aufschrei unter Frauen und es gründeten sich in der Folge unter anderem Frauenmenschenrechtsvereine wie „Terre des Femmes“, die seitdem gegen diese über 200 Millionen Frauen betreffende Menschenrechtsverletzung mobilisieren. Schon damals wurde dies vor allem von Linken und Kulturrelativisten kritisiert, weil man reklamierte, dass andere „Kulturen und Sitten“ nicht zu kritisieren und solche Ansichten „eurozentristisch“ seien.
Dieser Streit über religiöse, kulturelle Eigenheiten und die Werte und Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft wird seitdem an fast jeder durch die Migration aufgeworfenen Frage geführt. Genitalverstümmelung wurde nach jahrzehntelangem Kampf 2013 auch gesetzlich geächtet und unter Strafe gestellt. Allerdings ist das Problem damit nicht erledigt und auch in Deutschland stellt sich das Thema immer wieder. 2017 führte „Terre des Femmes“ mit Integra eine Untersuchung durch, finanziert vom Bundesfamilienministerium, nach der in Deutschland 58.000 Mädchen und Frauen betroffen waren.
Als ich 2005 darüber schrieb, dass in Deutschland vor allem in der türkischen Community der Zwang zur Ehe, arrangierte Ehen und Zwangsverheiratungen üblich seien, war das einerseits ein Tabubruch, der von der deutschen Öffentlichkeit mit Entsetzen zur Kenntnis genommen wurde, andererseits vor allem von Muslimen als Verrat an der Umma, von den Türken als Verunglimpfung der Nation, verstanden wurde. Eine SPD-Bundestagsabgeordnete warf mir vor, zu pauschalisieren, denn sie sei auch Türkin und habe aus Liebe geheiratet. Die Migrationsforschung, Linke und Grüne lehnten ab, das Problem mit dem Islam in Verbindung zu bringen. Menschenrechtsverstöße, fehlende Integration oder Parallelgesellschaften hätten ausschließlich soziale Gründe und seien auf mangelnde Bildung zurückzuführen. Seit 2011 sind Zwangsverheiratungen per Gesetz verboten. Als 2015 vermehrt Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Deutschland kamen, kam damit auch eine neue Form der Unterdrückung und Bevormundung in größerem Ausmaß ins Land, die Kinderehe. Auch hier musste erst der Widerstand führender Sozialdemokraten überwunden werden, damit sie gesetzlich geächtet wurde. Es wird gern relativiert, und der Schutz anderer Kulturen per se als vorrangig angesehen. Die jungen Mädchen seien doch ohne Schutz, wenn man ihre Ehe mit einem viel älteren Mann annuliere. Es ist das immer wiederkehrende Element, dass die Minderheit als Gruppe in ihren religiösen oder traditionellen Rechten nicht eingeschränkt werden soll. Unsere Gesellschaftsordnung, sprich die Grundrechte, werden da schon mal als „verhandelbar“ dargestellt.
UNSERE GASTAUTORIN
Necla Kelek ist Soziologin und Autorin. Sie findet: Wir müssen gegen das Kopftuch bei Kindern, gegen Kinderehen, Verwandtenehen und Polygamie eintreten.
Ähnlich ist das Argumentationsmuster, wenn es um das Kopftuch bei Kindern geht. Frauenrechtlerinnen fordern in einer Petition das Recht auf Kindheit ein und wollen, dass Mädchen in der Schule „den Kopf frei“ haben dürfen. Mädchen sollen nicht in die Rolle als Sexualobjekt gedrängt werden. Denn das Kopftuch stigmatisiert das Mädchen als Wesen, das verführerisch ist und sich deshalb verhüllen muss. Es ist kein Zeichen von Religiosität.
Auch hier wird von Muslimvertreterinnen, ihren Freunden bei den eigentlich areligiösen Linken, aber auch den Grünen argumentiert, ein Kopftuchverbot verstieße gegen die „Freiheit“ oder die „Demokratie“. Es ist schon absurd, die Linken verteidigen das Kopftuch als „Religionsfreiheit“, dabei ist es ein Zeichen von Frauenapartheid. Dabei geht es diesen Islamverstehern meist nur um die Befindlichkeit der sogenannten „Betroffenen“. Wir sollten nicht auf diese Kulturrelativierer hören, sondern weiter unbeirrt Verantwortung für die Freiheit der Frauen und Mädchen von Bevormundung übernehmen und gegen das Kopftuch bei Kindern, gegen Kinderehen, Verwandtenehen und Polygamie eintreten. Letztlich wird es gelingen.