Mit dem Slogan „Wir produzieren klimaneutral“ werben Unternehmen gerne. Auch Kommunen und Staaten setzen sich klimaneutrale Ziele. Ein sinnvolles Instrument zum Klimaschutz?
Region. Klimaneutrales Knäckebrot, klimaneutrale Kaffeebecher oder das klimaneutral verschickte Paket: Zahlreiche Organisationen und Unternehmen scheinen bereits weiter zu sein als die gesamte Weltgemeinschaft. Sie streben demnächst Klimaneutralität in ihren Produkten und Dienstleistungen an oder haben sie laut eigenen Angaben bereits erreicht. Aber kann man den Werbeversprechen trauen? Das steckt hinter dem Begriff „Klimaneutralität“ und das sollten Verbraucher beachten.
Was bedeutet „klimaneutral“?
Zunächst einmal bedeutet „klimaneutral“ bei einem Produkt oder einer Dienstleistung, dass dadurch die Menge an klimaschädlichen Gasen in der Atmosphäre nicht erhöht wird. Laut Definition, die das Europäische Parlament erarbeitet hat, bedeutet „Klimaneutralität“ ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in sogenannten Kohlenstoffsenken. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen theoretisch alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden.
Nach Angaben des Europäischen Parlaments „entfernen“ natürliche Senken – wie Wälder, Böden, Moore und Ozeane – zwischen 9,5 und elf Gigatonnen Kohlendioxid pro Jahr. 2022 betrugen die jährlichen CO₂-Emissionen laut einem Bericht des „Global Carbon Projects“ weltweit 36,6 Gigatonnen. Die Natur kann den menschengemachten Treibhausgasausstoß also nicht ohne weiteres neutralisieren.
Das Problem: Noch gibt es keine künstlichen Kohlenstoffsenken, die Kohlenstoff in dem Maße aus der Atmosphäre entfernen können, wie es zur Bekämpfung der globalen Erwärmung erforderlich wäre. Und der in Wäldern gespeicherte Kohlenstoff wird beispielsweise durch Brände oder Abholzung wieder in die Atmosphäre abgegeben.
Unterschied von „klimaneutral“ und „CO₂-neutral“
Der präzise Begriff für das, was als „klimaneutral“ bezeichnet wird, ist „treibhausgasneutral“. Denn zum Klimawandel trägt beispielsweise auch Methan bei – und nicht nur Kohlendioxid. Der Begriff „CO₂-neutral“ klammert demnach andere Treibhausgase aus.
Keine rechtlich geschützte oder einheitliche Definition
Mittlerweile gibt es im Handel viele Produkte zu kaufen, die laut Herstellerangaben „klimaneutral“ produziert wurden. Das kann einerseits bedeuten, dass ein Produkt zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien hergestellt wurde und somit tatsächlich sehr geringe Mengen oder sogar überhaupt kein Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt ist. Es kann allerdings auch bedeuten, dass durchaus eine erhebliche Menge an Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt ist, aber der Hersteller Projekte unterstützt, bei denen gewährleistet sein soll, dass die gleiche Menge an Kohlendioxid wieder eingespart wird.
Um Klimaneutralität zu verwirklichen, ist also der Ausgleich von Emissionen in einem Sektor über Einsparungen von Treibhausgasen an anderer Stelle möglich. Helfen sollen Investitionen in erneuerbare Energien, mehr Energieeffizienz oder die Entwicklung sauberer und kohlenstoffarmer Technologien. Auch das Emissionshandelssystem der EU ist ein Instrument zur Klimakompensation. Markenrechtlich geschützt ist der Begriff „klimaneutral“ aber nicht.
Kompensation soll CO₂-Ausstoß neutralisieren
Bekannt ist die CO₂-Kompensation vor allem beim Fliegen: Bei einem Langstreckenflug etwa zahlen einige Reisende freiwillig mehr für ihr Ticket oder aber direkt Geld an eine Organisation. Diese investiert in Projekte, bei denen die gleiche Menge an CO₂ eingespart wird, die beim Flug entstanden ist. Das geschieht beispielsweise durch Aufforstung von Wäldern. In Schwellen- und Entwicklungsländern wird oftmals der Einsatz von Solarkochern gefördert, um das Abholzen von Wäldern zu minimieren. Somit wird der Flug „klimaneutral“ oder zumindest „CO₂-neutral“.
Allerdings: Die klimaschädlichen Gase werden nicht am Ort der Entstehung, sondern irgendwo anders in der Welt, wo es meist billiger ist, in gleicher Menge reduziert. Das Unternehmen zahlt einen vergleichsweise kleinen Betrag an eine Organisation, die dann ein Zertifikat ausstellt, das besagt, dass Emissionen kompensiert wurden. Die teurere und aufwendigere Kompensation von Treibhausgasen könnte das Unternehmen auch durch eine Anpassung seiner Prozesse erreichen und damit direkt vor Ort Kohlendioxid vermeiden.
Möchten Sie auch CO₂ kompensieren? Eine Anleitung, was es dabei zu beachten gilt.
Nach Meinung der Deutschen Umwelthilfe bringt die reine Kompensation von CO₂ „uns auf lange Sicht nicht weiter“, wie sie mitteilt. Denn Kompensation an einem weit entfernten Ort in der Welt bringe Deutschland und Europa beim Klimaschutz nicht entschieden voran. Dadurch würden Anreize für Veränderungen eines Produktionsprozesses sowie für einen klimafreundlicheren Lebensstil fehlen.
Zudem bestünden laut Umwelthilfe Zweifel und Unsicherheiten, „ob alle Angaben auch der Wahrheit entsprechen“. Hier sei vor allem Transparenz bei den Unternehmen und Kompensationsprojekten gefragt, um als Verbraucher ernsthaften Klimaschutz erkennen zu können – mit bereitgestellten Informationen zu Berechnungsgrundlagen, Zertifikaten und den einzelnen Kompensationsprojekten.