Immer mehr Tote werden im Hochwasser-Katastrophengebiet in Rheinland-Pfalz gefunden. Und noch sind die Rettungskräfte nicht fertig mit ihrer Arbeit.
MAINZ. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) rechnet bei den Bergungsarbeiten in Rheinland-Pfalz damit, dass Rettungskräfte weitere Tote finden. Die Zahl von 60 Toten sei inzwischen überschritten, sagte Lewentz am Freitag im Deutschlandfunk. Aus Sicht der Polizei würden knapp unter 100 Menschen vermisst.
Im Zusammenhang mit der Frage, wie sich die Zahl der Toten im Bundesland entwickeln könne, mache er sich Angaben zu insgesamt 1300 Vermissten nicht zu eigen. "Allerdings war das gestern auch ein Tag, wo die Übersicht sehr schwierig zu erlangen war", sagte er. Die Menschen hätten fluchtartig ihre Gebäude verlassen und seien umhergeirrt.
Lewentz: Zusätzliche Unterstützung nötig
"Man muss im Moment feststellen, mit dem Leerlaufen von Kellern oder dem Leerpumpen von Kellern stoßen wir immer wieder auf Menschen, die ihr Leben gelassen haben in diesen Fluten, so dass ich über die Zahl, wo wir dann am Schluss in etwa landen werden, gar nichts sagen kann", so Lewentz. "Aber das hier ist schon eine Katastrophe. Das ist dramatisch."
Auch die Helfer erlebten schlimme Szenen. "Das sind natürlich dramatische Bilder, die sich den ehrenamtlichen, aber auch den professionellen Rettern bieten. Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einen Keller, stehen noch teilweise im Wasser, es ist eine katastrophale Umgebung, und dann finden Sie eine Tote, einen Toten nach dem anderen. Das nimmt die Menschen, die helfen wollen, ganz enorm mit."
Der Innenminister erklärte, er halte zusätzliche Unterstützung für nötig. "Das ist eine lange Lage und das wird noch eine sehr lange Lage sein. Wir haben immer noch Dörfer, die wir kaum erreichen können. Das heißt, schweres Hilfsgerät kann noch gar nicht zugeführt werden", sagte er. "Wir haben Gebäudesituationen, die entweder einbrechen werden oder zum Einbruch gebracht werden müssen, weil sie keine Standsicherheit mehr haben." Wasser- Gas-, und Stromversorgung sowie das Telefonnetz seien vielerorts unterbrochen und zerstört.
Krankenhaus in Trier muss evakuiert werden
Stundenlanger Starkregen hatte zu einem verheerenden Hochwasser geführt. Schwerpunkt der Katastrophe ist der Kreis Ahrweiler. Allein im 700 Einwohner-Dorf Schuld an der Ahr wurden mehrere Häuser von den Wassermassen mitgerissen, zahlreiche weitere Gebäude teils schwer beschädigt. Erhebliche Schäden gab es auch in weiteren Regionen der Eifel sowie im Landkreis Trier-Saarburg.
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Die Aufräum- und Bergungsarbeiten nach der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz wurden am Freitagmorgen fortgesetzt. Auch Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind zur Unterstützung in die Hochwasserregionen gekommen.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) wollte sich am Freitagmorgen (8.30) in Trier über die Situation in ihrer Heimatstadt informieren. Wegen des starken Hochwassers im Mosel-Nebenfluss Kyll waren in Trier und Umgebung am Donnerstag Tausende Menschen in Sicherheit gebracht worden, auch ein Krankenhaus musste evakuiert werden.
Zwölf Menschen in Behinderteneinrichtung sterben
Unter den Todesopfern der Flutkatastrophe sind auch zwölf Bewohner einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung. Nach dem Unwetter in der Nacht zum Donnerstag wurden dort 13 Menschen vermisst. Einer von ihnen sei lebend gerettet und ins Krankenhaus gebracht worden, teilte am Freitag eine Sprecherin des Innenministeriums in Rheinland-Pfalz mit. Am Donnerstagabend waren zunächst neun Todesopfer in der Einrichtung bestätigt worden.
"Das Wasser drang innerhalb einer Minute bis an die Decke des Erdgeschosses", sagte der Geschäftsführer des Landesverbands der Lebenshilfe Rheinland-Pfalz, Matthias Mandos. Die Nachtwache habe es noch geschafft, mehrere Bewohner in den ersten Stock des an der Ahr gelegenen Wohnheims zu bringen. "Als er die nächsten holen wollte, kam er schon zu spät." Die Wassermassen seien so rasant in das Gebäude eingedrungen, dass es keine Chance gegeben habe.
Das Heim hat 34 Wohnplätze und befindet sich in einem tiefer gelegenen Wohnviertel der Stadt, die an der Mündung der Ahr in den Rhein liegt. Das Team im Haus sei völlig traumatisiert, sagte Mandos. Seelsorger bereiteten sich darauf vor, die überlebenden Bewohner behutsam über das schreckliche Geschehen aufzuklären. Am Freitag war an dem Gebäude eine etwa drei Meter hoch reichende Schlammschicht zu sehen, die über die Fenster des Erdgeschosses reichte.
Bundeswehr sendet weitere Soldaten
Unterdessen hat die Bundeswehr nach der Unwetterkatastrophe im Westen Deutschlands weitere Soldaten in den Hilfseinsatz geschickt. So helfen im Landkreis Ahrweiler 100 Soldaten. Sie nutzen fünf "tiefwatfähige Fahrzeuge", die also auch in überschwemmten Straßenzügen noch vorankommen, vier Radlader und 2 Rettungshubschrauber "SAR" der Bundeswehr. Insgesamt befanden sich nach Angaben der Bundeswehr dort elf Hubschrauber im Einsatz, auch um von den Fluten eingeschlossene Menschen zu retten.
Im Eifelkreis Bitburg-Prüm war die Bundeswehr mit fünf Krankenwagen und Besatzung unterwegs und errichtete auch sieben mobile Satellitenanlagen, um eine Kommunikation für abgeschnittene Orte wieder herzustellen. Im Raum Trier-Saarburg wurde bei der Evakuierung eines Altenheims geholfen. Dort wurden 110 Menschen in Sicherheit gebracht, darunter 45 bettlägerige Bewohner.
Im Raum Trier-Saarburg sind 40 Soldaten mit 12 Booten und einem "Jetlowsystem" - eine Art Fähre - unterwegs. Zudem war ein Lautsprechersystem-Dingo im Einsatz, um die Evakuierung der Dörfer Ralingen, Wintersdorf und Kordel zu unterstützten. Dabei ging es darum, 500 Menschen zu retten.
Von dpa