Nach Mord in Wetzlar: Hauptangeklagter nimmt Schuld auf sich
Zum Auftakt des Prozesses am Limburger Landgericht um den Mord an einem Bad Kreuznacher Gastronom in Wetzlar hat der mutmaßliche Todesschütze die zwei Mitangeklagten entlastet.
WETZLAR/LIMBURG. Ein Geständnis zum Auftakt und ein erster tiefer Einblick in eine erbittert geführte Fehde innerhalb einer kurdischen Großfamilie: Vor dem Limburger Landgericht ist am Donnerstag der Prozess um die Bluttat von Wetzlar gestartet. Drei Männer zwischen 27 und 38 Jahren sind des gemeinschaftlichen Mordes an Hasan Yildiz angeklagt. Der Gastronom aus Bad Kreuznach war am 1. September im Wetzlarer Westend in seinem Auto auf offener Straße erschossen worden.
Zu Prozessbeginn ließ der mutmaßliche Todesschütze durch seinen Verteidiger erklären, dass er die Tat allein begangen habe. Die Mitangeklagten wären weder beteiligt gewesen, noch hätten sie von den Tötungsplänen gewusst, betonte der 28-Jährige. Ihm sei klar, dass er für die Tat verurteilt werden müsse, aber er habe nicht anders handeln können. „Die Ungerechtigkeit in der Türkei hat mich innerlich zerrissen“, erklärte er.
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Damit hat der 28-Jährige seine erste Aussage gegenüber der Polizei Anfang September, kurz nachdem er sich unter dem Druck der öffentlichen Fahndung gestellt hatte, widerrufen. Damals hatte er offenbar von Notwehr gesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat starke Zweifel auch an der neuen Version des Tatablaufs. Zunächst müsse der weitere Prozessverlauf abgewartet werden, sagte Staatsanwalt Daniel Faß.
Die Anklage geht von gemeinschaftlichem Mord aus Heimtücke aus, zudem von versuchtem Mord an dem Beifahrer von Hasan Yildiz. Der 50-Jährige hatte wie durch ein Wunder die sieben Schüsse, die aus nächster Nähe auf die Beifahrerseite des Porsche Cayenne abgefeuert worden waren, unverletzt überlebt. Als Motiv nannte Faß Rache, obendrein Habgier aufgrund von Schulden im Fall des 27-jährigen Mitangeklagten.
Der Mord in Wetzlar hat eine Vorgeschichte in der Türkei, im 400-Seelen-Dorf Yabanardi im kurdischen Siedlungsgebiet. Als am 16. April 2017 über das von Präsident Recep Tayyip Erdogan angestrengte Verfassungsreferendum abgestimmt werden sollte, wurden im Wahllokal von Yabanardi Großvater und Onkel des mutmaßlichen Haupttäters von Wetzlar erschossen – vom inzwischen verurteilten Bruder des getöteten Bad Kreuznacher Gastronomen.
Die drei Männer, alle innerhalb der kurdischen Großfamilie entfernt miteinander verwandt, sollen laut Anklage den Mordplan gemeinsam geschmiedet haben. Hasan Yildiz hatte sich am 1. September wegen einer Trauerfeier in Wetzlar aufgehalten. Am Nachmittag soll das Trio seinen Aufenthaltsort herausgefunden, der mutmaßliche Todesschütze soll dann in einem Versteck vor dem Haus auf Hasan Yildiz gewartet haben. Bis das Opfer um 18:57 herauskam und gemeinsam mit seinem Begleiter in den Porsche stieg. Das komplette Magazin seiner Pistole soll der 28-Jährige laut aus kurzer Distanz auf die Beifahrerseite des Porsche abgefeuert haben – sieben Schuss vom Kaliber 7,65. Drei Projektile durchschlugen Lunge und Herz von Hasan Yildiz. Er sei wenig später in einer Gießener Klinik innerlich verblutet, schilderte Faß.
Einer der Angeklagten soll die geladene Pistole der Marke Zawody mitgebracht haben, der andere den 28-Jährigen mit seinem 5er BMWzum Tatort gefahren und dort auch wieder abgeholt haben. Bei ihm sei der mutmaßliche Haupttäter zunächst untergetaucht, so der Staatsanwalt.
Den Doppelmord in dem türkischen Wahllokal an seinem Großvater und seinem Onkel gab auch der mutmaßliche Haupttäter als sein Motiv an. Der einzige Grund für die Tat im April 2017 sei gewesen, dass ein Teil der Familie nicht bereit gewesen sei, beim Referendum für Erdogan zu stimmen. Schon im Vorfeld habe es aus dem Umfeld des Bürgermeisters von Yabanardi, einem Erdogan-Unterstützer und Vater des in Wetzlar getöteten Hasan Yildiz, Drohungen gegeben, dass Blut fließen werde. „Seine Leute haben kaltblütig auf meine Familie und Unbeteiligte geschossen“, so der 28-Jährige. Doch allein der Täter sei anschließend verurteilt worden, es habe keine weitere Aufklärung stattgefunden. „Wären weitere Beteiligte in der Türkei bestraft worden, wäre es zu der Tat in Wetzlar nicht gekommen“, erklärte der Angeklagte.
Die beiden Mitangeklagten ließen ebenfalls durch ihre Verteidiger Erklärungen verlesen. Beide bestritten, im Vorfeld irgendetwas von den Mordplänen gewusst zu haben oder an der Tat beteiligt gewesen zu sein.
Der Prozess wird fortgesetzt, weitere elf Verhandlungstage sind angesetzt. Mit einem Urteil wird Anfang September gerechnet.