US-Regierung warnt vor russischem Angriff am Mittwoch

Die Situation in der Ukraine ist angespannt. Foto: dpa

Die USA warnen, dass Russland am 16. Februar die Ukraine angreifen könnte. Die Regierung ruft Amerikaner auf, das Land zu verlassen und verlegt 3000 weitere Soldaten nach Polen.

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WASHINGTON. Die US-Geheimdienste befürchten einen Angriff auf die Ukraine schon am kommenden Mittwoch. Die Nato-Alliierten wurden demnach vor einem unmittelbar bevorstehenden Angriff durch Russland auf die Ukraine gewarnt. Das berichtet der "Spiegel" am Freitag. Angesichts der Ukraine-Krise verlegen die US-Streitkräfte rund 3000 weitere Soldaten in den Nato-Partnerstaat Polen. Das habe Verteidigungsminister Lloyd Austin auf Geheiß von Präsident Joe Biden angeordnet, erklärte das Verteidigungsministerium in Washington am Freitag.

Invasion kann "jederzeit beginnen"

"Wir sehen weiterhin Anzeichen für eine russische Eskalation, einschließlich neuer Truppen, die an der ukrainischen Grenze eintreffen", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Freitag im Weißen Haus. Sullivan machte aber deutlich, dass er damit nicht sagen wolle, dass Putin eine Entscheidung für eine Invasion getroffen habe.

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"Wir befinden uns in einem Zeitfenster, in dem eine Invasion jederzeit beginnen könnte, sollte sich (der russische Präsident) Wladimir Putin dazu entschließen, sie anzuordnen", sagte Sullivan. "Ich werde mich nicht zu den Einzelheiten unserer Geheimdienstinformationen äußern. Aber ich möchte klarstellen, dass sie (die Invasion) während der Olympischen Spiele beginnen könnte, obwohl es viele Spekulationen gibt, dass sie erst nach den Olympischen Spielen stattfinden würde."

Zahlreiche Länder rufen Bürger auf, Ukraine zu verlassen

Angesichts des Konflikts mit Russland hat die US-Regierung amerikanische Staatsbürger in der Ukraine mit Nachdruck aufgefordert, das Land "so bald wie möglich" zu verlassen. "Wir wissen nicht genau, was passieren wird, aber das Risiko ist jetzt hoch genug", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Freitag im Weißen Haus. "Alle Amerikaner in der Ukraine sollten das Land so bald wie möglich verlassen – und auf jeden Fall in den nächsten 24 bis 48 Stunden", betonte Sullivan.

Angesicht des Ukraine-Konflikts raten die Niederlande ihren Staatsangehörigen dringend zum Verlassen des Landes, wenn ihre Anwesenheit dort nicht wirklich notwendig ist. Dies habe der niederländische Botschafter in Kiew am Freitag Landsleuten bei einer Online-Besprechung ans Herz gelegt, berichtete der Sender NOS. Für Niederländer, die die Ukraine verlassen wollten, richte die Botschaft demnach im Westen des Landes in Lviv nahe der polnischen Grenze einen Notstützpunkt ein, etwa für die Ausstellung von Notdokumenten und andere Hilfe. Von Reisen in die Grenzregion zu Russland und Belarus wird strikt abgeraten, diese seien gefährlich. Bei Problemen könnten die Niederlande Staatsangehörigen in der Ukraine wahrscheinlich nicht helfen.

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Auch Lettland hat vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen Russland und der Ukraine seine Staatsbürger in der Ukraine aufgefordert, das Land in "naher Zukunft" zu verlassen. Begründet wurde dies vom Außenministerium in Riga am Freitagabend mit der "ernsthaften Bedrohung der Sicherheit, die von Russland nahe der ukrainischen Grenze ausgeht, und einer glaubhaft drohenden Eskalation der Lage". Angesichts der ernsten Situation werde zum jetzigen Zeitpunkt von Reisen in die Ukraine abgeraten, hieß es weiter. Auch das Außenministerium des benachbarten Estland gab eine Warnung aus. "Aufgrund eines erhöhten Risikos einer Militäraktion durch Russland empfehlen wir, nicht notwendige Reisen in die Ukraine zu vermeiden", hieß es in einer Mitteilung aus Tallinn. Estnische Staatsbürger in Ukraine sollten die Notwendigkeit überdenken, im Land zu bleiben und nach Möglichkeit nach Estland zurückkehren.

Beginnen dürfte es mit Luftangriffen

Falls es zu einem russischen Einmarsch kommen sollte, dürfte es zunächst Luftangriffe und dann eine Bodenoffensive geben, weswegen es dann kaum mehr möglich sein dürfte, das Land zu verlassen, sagte Sullivan. "Niemand könnte sich auf Luft-, Eisenbahn- oder Landverbindungen verlassen, nachdem ein Militäreinsatz beginnt", sagte er. Es werde in einem solchen Fall keinen Evakuierungseinsatz des US-Militärs für Amerikaner in der Ukraine geben, fügte Sullivan hinzu. Präsident Joe Biden hatte amerikanische Staatsbürger bereits am Donnerstag aufgefordert, die Ukraine umgehend zu verlassen.

Lage "sehr sehr ernst"

Die westlichen Verbündeten haben in einer Schaltkonferenz zur Ukraine-Krise noch einmal ihre Entschlossenheit betont, mit schnellen und tiefgreifenden Sanktionen auf eine mögliche russische Invasion in der Ukraine zu reagieren. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es am Freitag anschließend, die Lage werde von den Teilnehmern aus Europäischer Union und Nato als "sehr, sehr ernst" eingeschätzt. Man wolle weiter versuchen, Russland mit diplomatischen Bemühungen zur Deeskalation zu bewegen. "Es gilt einen Krieg in Europa zu verhindern", schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf Twitter.

US-Präsident Joe Biden hatte sich am Freitagnachmittag mit Bundeskanzler Olaf Scholz und weiteren Verbündeten über den Ukraine- Konflikt ausgetauscht. Eingeladen waren auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratschef Charles Michel, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der britische Premierminister Boris Johnson, Polens Präsident Andrzej Duda, der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi und Kanadas Premier Justin Trudeau.

Das Weiße Haus hatte erklärt, in dem Gespräch solle es um die "gemeinsame Besorgnis über Russlands fortgesetzte militärische Aufstockung" an der ukrainischen Grenze gehen. Ziel sei es, sich weiter über die "Koordinierung von Diplomatie und Abschreckung" auszutauschen. Frankreich teilte nach dem Gespräch mit, Präsident Macron werde am Samstag erneut mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin sprechen. Die beiden hatten zuletzt mehrfach telefoniert. Am Montag war Macron zu Gesprächen nach Moskau gereist.

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Sorgen vor Ukraine-Krieg löst Talfahrt an der Wall Street aus

Die US-Börsen sind am Freitag im späteren Handelsverlauf kräftig abgesackt. Anleger flüchteten vor allem wegen des sich zuspitzenden Ukraine-Konflikts aus risikoreichen Aktien in als sicher empfundene Häfen wie Staatsanleihen oder Währungen wie den Yen und den US-Dollar.