Warnstreik: Zahlreiche Fluggäste stranden in Frankfurt

Passagiere stehen dicht gedrängt im Abflugbereich des Frankfurter Flughafens an den Schaltern für die wenigen Flüge, die an diesem Tag stattfinden. Wegen des Verdi-Warnstreiks hat die Lufthansa für Mittwoch nahezu ihren kompletten Flugplan abgesagt.  Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Gleich der erste Streik nach dem Corona-Schock hat Lufthansa und ihre Passagiere hart getroffen. Nach mehr als 1000 Flugabsagen könnte eine Einigung aber ganz schnell kommen.

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FRANKFURT. Mitten in der Ferienzeit hat die Gewerkschaft Verdi mit einem Warnstreik des Bodenpersonals die Lufthansa lahmgelegt. Nach der Absage von mehr als 1000 Flügen ging am Mittwoch an den Drehkreuzen Frankfurt und München fast gar nichts mehr, rund 134.000 Passagiere mussten ihre Reisepläne ändern. Während laut Verdi rund 5000 Beschäftigte sich an den Aktionen beteiligten und für höhere Gehälter demonstrierten, bangten in den Terminals zahlreiche Passagiere um ihre Möglichkeiten zum Weiterflug.

Zahlreiche Passagiere sind wegen des Streiks am Frankfurter Flughafen gestrandet. Nach anfänglicher Leere im Terminal bildeten sich am Mittwochvormittag vor den wenigen besetzten Schaltern lange Schlangen von Reisenden. Es handelte sich Augenzeugen zufolge meist um ausländische Touristen, die ihren Weiterflug umbuchen wollten. Den Kunden seien je nach Flugziel unterschiedliche Lösungen angeboten worden, sagte eine Lufthansa-Sprecherin. Man habe extra Personal für diese Aufgabe eingeplant, die damit händelbar geblieben sei. Grundsätzlich können Passagiere auf spätere Lufthansa-Flüge oder andere Gesellschaften umgebucht werden, wobei jedoch die freien Plätze meist knapp waren.

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Lufthansa hatte bereits am Vortag die Passagiere gebeten, sich möglichst auf digitalen Wegen mit dem Unternehmen in Verbindung zu setzen, um neue Flüge oder zwischenzeitliche Unterkünfte zu organisieren. "Hier am Flughafen können wir derzeit leider kaum helfen", sagte ein Unternehmenssprecher vor Ort. Es sei zudem wegen der meist stark gebuchten Flüge sehr schwierig, in den kommenden Tagen alternative Reisemöglichkeiten zu finden. In einzelnen Fällen könne es sein, dass Gäste mehrere Tage lang auf ihren Weiterflug warten müssten.

Gähnende Leere nur am Morgen

Wegen des Warnstreiks bei der Lufthansa herrschte am Frankfurter Flughafen am Mittwochmorgen in vielen Bereichen zunächst gähnende Leere. Am größten deutschen Airport wurden für den Tag 725 von 1160 geplanten Flügen abgesagt, wie ein Sprecher des Betreibers Fraport erklärte. Damit sind auch Flüge anderer Gesellschaften betroffen, die üblicherweise vom Lufthansa-Bodenpersonal mitbetreut werden. Lufthansa selbst hatte für Mittwoch die Zahl von 646 streikbedingten Flugabsagen genannt.

Im vorwiegend von Lufthansa genutzten Terminal 1 sei es sehr ruhig, sagte der Sprecher. Die meisten Schalter sind geschlossen, nur wenige Passagiere waren angereist. Ein etwas lebhafteres Bild zeigte sich am Terminal 2, das Gesellschaften vorbehalten ist, die nicht zum Lufthansa-Bündnis Star Alliance gehören.

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Bundesweit hat Verdi rund 20.000 Bodenbeschäftigte der Lufthansa zum Streik aufgerufen. In Frankfurt schätzt die Gewerkschaft die Zahl der Lufthansa-Mitarbeiter am Boden auf rund 10.000, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Allerdings gehe man nicht davon aus, dass sich alle am Streik beteiligen.

Lufthansa hat den betroffenen Passagieren davon abgeraten, zu den Flughäfen zu kommen, weil dort die meisten Schalter ohnehin nicht besetzt seien. Bereits bei vorangegangenen Arbeitskämpfen waren die Terminals am Streiktag selbst weitgehend leer geblieben. Bestreikt werden laut Verdi am Mittwoch seit 3.45 Uhr verschiedene Lufthansa-Gesellschaften an den Drehkreuzen Frankfurt und München sowie in Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Bremen, Hannover, Stuttgart und Köln. Aufgerufen sind ganz unterschiedliche Beschäftigtengruppen wie das Schalterpersonal, Flugzeugtechniker und die Fahrer der riesigen Schlepper, die Flugzeuge am Flughafen auf die richtigen Positionen bringen. Der Ausstand soll bis Donnerstag, 6 Uhr, dauern. Verdi hat zu Kundgebungen an den Flughäfen Frankfurt, Hamburg und München aufgerufen.

An den dezentralen Flughäfen fallen voraussichtlich jeweils nur die Lufthansa-Flüge von und nach München und Frankfurt aus. Neben den 1023 abgesagten Flügen mit LH-Flugnummer können weitere Verbindungen von Konzerngesellschaften wie Swiss, Austrian und Air Dolomiti kommen, da sie an den Drehkreuzen von Lufthansa-Bodenpersonal abgefertigt werden. Die nicht bestreikte Direktflug-Tochter Eurowings geht hingegen von einem weitgehend normalen Flugbetrieb im gesamten Netz aus.

Nächster Verhandlungstermin am 3. August

Verdi und Lufthansa hielten sich gegenseitig vor, für die Lage verantwortlich zu sein. Das Unternehmen habe bewusst darauf verzichtet, nach der Warnstreikankündigung noch einmal zu verhandeln, sagte Verdi-Streikleiter Marvin Reschinsky. Er hoffe nun auf ein schnelles, gutes Ergebnis. "Wir erwarten ganz klar, dass Lufthansa in der nächsten Woche nachlegt, damit der Luftverkehr wieder läuft." Ein hoher Abschluss sei auch ein Entlastungssignal an das Bestandspersonal, wenn Lufthansa attraktivere Jobs für Neueinsteiger anbiete. "Die werden dringend gebraucht."

Personalvorstand Michael Niggemann erntete vor der Lufthansa-Verwaltung ein gellendes Pfeifkonzert, als er vor den protestierenden Verdi-Gewerkschaftern sagte: "Diesen Warnstreik halte ich für vollkommen unzumutbar." Seine Respekt-Bekundungen für die Arbeit der Beschäftigten wurden teilweise mit höhnischem Gelächter beantwortet, die Stimmung war aufgeheizt.

Schon im ZDF-Morgenmagazin hatte die Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle erklärt, dass es bis zum nächsten Verhandlungstermin am kommenden Mittwoch (3. August) keinen weiteren Streik des Bodenpersonals geben werde. Ein erstes Angebot hat Verdi als zu niedrig abgelehnt. Die Gewerkschaft verlangt 9,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 350 Euro. Die Parteien haben sich für die Gespräche zwei Tage Zeit eingeräumt, was allein schon auf einen gewissen Abschlusswillen deutet. Davon unabhängig läuft unter den Lufthansa-Piloten der Vereinigung Cockpit (VC) eine Urabstimmung, die ab August unbefristete Streiks möglich machen würde.

Das rät die Verbraucherzentrale Flugreisenden

Welche Rechte haben die Passagiere? Grundsätzlich ist die Fluglinie bei einem streikbedingten Flugausfall oder -verspätung von mehr als drei Stunden dazu verpflichtet, den Reisenden eine andere Beförderung anzubieten, eben durch eine Umbuchung, heißt es bei der Verbraucherzentrale. Geht der Ersatzflug erst am Tag danach, müsse die Airline für ein Hotelzimmer sowie für die Fahrt dorthin und zurück zum Flughafen sorgen. Zudem können Betroffene bei einer Annullierung die Rückerstattung des Flugpreises fordern. Einen Reisegutschein müssen sie nicht akzeptieren.

Diese Ausgleichsleistungen waren jahrelang ein Streitpunkt, aber nach neuerer europäischer Rechtsprechung gilt ein innerbetrieblicher Streik wie nun bei der Lufthansa nicht mehr als „außergewöhnlicher Umstand“, bei dem die Reisenden auf ihren Kosten sitzenbleiben. Was die Frage aufwirft, was für die Passagiere anderer Linien gilt, die eventuell von den Auswirkungen des Streiks bei der Lufthansa betroffen sind - hier drohen also längere Diskussionen und eventuell auch ein juristischer Streit, sofern keine Lösung gefunden wird.

Bei Pauschalreisen wiederum - bei denen der Flug nur ein Teil des Angebots ist - müssen sich Urlauber an ihren Reiseveranstalter wenden und auf eine Lösung mit einer anderen Airline oder späteren Flügen drängen. Laut Verbraucherzentrale sind die Veranstalter auch bei Streiks in der Verantwortung für Kosten, die Urlaubern durch eine Verspätung entstehen.

Personalengpässe sorgen für Flugstreichungen

Der erste Streik bei Lufthansa nach dem Corona-Schock kommt vor dem Hintergrund eines teilweise chaotisch verlaufenen Neustarts der Branche. Personalengpässe und eine starke Urlaubsnachfrage haben schon ohne Streiks zu erheblichen Abfertigungsproblemen in diesem Sommer geführt. Verdi macht dafür vor allem Missmanagement und überzogenen Personalabbau bei Flughäfen und Airlines verantwortlich.