Wie lange essen wir noch Fleisch?

Der Fleischkonsum sinkt in Deutschland kontinuierlich jedes Jahr – und ebenso die Produktion. Foto: JanSommer - adobe.stock
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Immer häufiger wird Kritik an Fleisch laut und auch bei den Produzenten gibt es Probleme. Gibt es für Fleisch noch eine Zukunft und wie kann diese aussehen?

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WIESBADEN/MAINZ. Für viele gehört Fleisch zu einer vollwertigen Mahlzeit einfach dazu. Dennoch bekommt das beliebte Lebensmittel zunehmend Probleme – Kritik an Auswirkungen auf Gesundheit und Klima oder Konkurrenz durch Ersatzprodukte, um nur einige von ihnen zu nennen. Am 1. Oktober wurde sogar der Weltvegetariertag gefeiert, der seit den 70er-Jahren die Vorteile einer vegetarischen Ernährung zeigen will. Es lohnt sich also einen genaueren Blick auf die Probleme zu werfen, um zu sehen, ob und wie eine Zukunft mit Fleisch als festem Bestandteil der Ernährung aussehen kann.

Deutsche verzehren 55 Kilo Fleisch pro Kopf

Dabei muss gesagt werden, dass in Deutschland bereits weniger Fleisch konsumiert wird als früher. 2011 hat jeder Deutsche noch 62,8 Kilo Fleisch pro Kopf verzehrt, 2021 nur noch 55 Kilo. Das ist, wie Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) berichtet, der niedrigste Wert seit Beginn der Berechnungen 1989.

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Gleichzeitig geht beispielsweise in Rheinland-Pfalz und Hessen die Zahl der Fleischproduzenten stetig zurück. „Von 2010 bis 2020 haben in Rheinland-Pfalz 60 Prozent der Betriebe die Schweinehaltung aufgegeben. Im Mai 2022 gab es landesweit nur noch circa 100 landwirtschaftliche Betriebe mit rund 109.000 Schweinen“, erklärt Karin Bothe-Heinemann, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin beim Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau. Auch die Zahl an Rindern in Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen zehn Jahren abgenommen. Das liegt, wie Bothe-Heinemann beschreibt, unter anderem daran, dass die Erzeugerpreise nicht mit den Produktionskosten mithalten. Doch auch unterschiedliche Gesetze, beispielsweise in anderen EU-Ländern, kämen hinzu.

Ähnliches berichtet Marie-Claire von Spee, Pressesprecherin des Hessischen Bauernverbandes, für Hessen: Gab es im Mai 2011 noch 1600 Schweinehaltungen, sind es im Mai 2022 nur noch 600. „Im Gegensatz zu den Schweinen und Rindern nahm die Hühnerhaltung in Hessen in den vergangenen zehn Jahren deutlich zu“, sagt von Spee aber auch. Die Probleme für die Viehhalter sieht auch sie unter anderem in weniger strengen Richtlinien anderer Länder, aber auch im Fachkräftemangel.

Bothe-Heinemann und von Spee beschreiben aber auch Veränderungen beim Konsumenten. „Während der Corona-Pandemie wurde mehr Wert auf regionale und ökologische Produkte gelegt“, beschreibt von Spee. Mittlerweile habe sich das geändert. Spätestens seit Beginn des Ukrainekrieges ist festzustellen, dass der Verbraucher wieder stärker auf den Preis schaut, berichtet Bothe-Heinemann.

Produktion und Konsum von Fleisch bergen Risiken

Bisher bleibt festzuhalten, dass in der Region weniger Fleisch produziert wird und in ganz Deutschland zudem weniger davon gegessen wird. Außerdem gibt es Kritik am Fleischkonsum. Oft geht es dabei um dessen schlechte Klimabilanz. „Bei der Produktion tierischer Lebensmittel ist der Verbrauch von Ressourcen und der Ausstoß schädlicher Treibhausgase höher als bei der Produktion pflanzlicher Lebensmittel“, weiß Silke Restemeyer. So verursache beispielsweise ein Kilo Rindfleisch zwölf Kilo CO2-Äquivalente. Ein Kilo Linsen hingegen weniger als ein Kilo.

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Darüber hinaus kann Fleisch aber auch gesundheitliche Probleme verursachen. Denn Fleisch enthält Begleitstoffe wie Cholesterin oder gesättigte Fettsäuren, erklärt Restemeyer. Vor allem beim roten Fleisch – dem Fleisch von zum Beispiel Rindern oder Schweinen – gibt es noch weitere Risiken. „Wer viel rotes Fleisch und Wurst isst, hat ein höheres Risiko für Darmkrebs“, erläutert Restemeyer.

Fleischkonsum hat aber nicht nur Nachteile. „Fleisch enthält hochwertiges Protein und darüber hinaus vor allem verschiedene B-Vitamine, Eisen und Zink“, sagt Restemeyer. Die DGE empfehle nicht mehr als 300 Gramm pro Woche für Erwachsene mit geringem Kalorienverbrauch und 600 Gramm für Erwachsene mit hohem Kalorienverbrauch.

Und auch Fleischersatzprodukte haben nicht nur Vorteile. „Bei Fleischersatzprodukten handelt es sich teilweise um hoch verarbeitete Lebensmittel, die oftmals hohe Gehalte an Zucker, Speisesalz und Fett sowie zum Teil auch viele Zusatzstoffe enthalten können“, erklärt Silke Restemeyer. Allerdings hätten solche Produkte tendenziell eine bessere Gesamtzusammensetzung bei bestimmten Inhaltsstoffen. Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind sie dennoch nicht notwendig, lautet Restemeyers Fazit. Restemeyer verweist auf die Planetary Health Diet, ein von Wissenschaftlern und anderen Akteuren entwickeltes Ernährungskonzept. Wie die DGE-Ernährungsempfehlung beinhalte auch diese Ernährung größtenteils pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und hochwertiges Pflanzenöl. Auch geringe Mengen an Fisch und Geflügel seien inbegriffen, rotes Fleisch hingegen kaum. Eine Zukunft mit Fleisch ist also möglich – auch wenn der Konsum für viele vielleicht anders sein wird.