„Sind fassungslos“: Evangelisches Dekanat Wiesbaden wehrt sich gegen Unterstellung, Flüchtlinge ließen sich aus „asyltaktischen Gründen“ taufen
Von Christoph Cuntz
Redakteur Politik
Farhad Mostaschari bei der Taufe eines Iraners in der evangelischen Auferstehungsgemeinde in Wiesbaden-Schierstein: Seitdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Zweifel am Bekenntnis der Neu-Christen hegt, fühlen sich evangelische Gemeinden in ein falsches Licht gerückt. Foto: Evangelisches Dekanat Wiesbaden
( Foto: Evangelisches Dekanat Wiesbaden)
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WIESBADEN - Das evangelische Dekanat Wiesbaden wehrt sich gegen Vorwürfe, Iraner würden aus „asyltaktischen Gründen“ zum Christentum übertreten und sich taufen lassen. In der evangelischen Auferstehungsgemeinde Wiesbaden-Schierstein gebe es bereits seit sechs Jahren einen persischsprachigen Gottesdienst. Mehr als 100 Frauen und Männer hätten seither zum christlichen Glauben gefunden. Der überwiegende Teil sei aus politischen und oder religiösen Gründen aus dem Iran oder Afghanistan geflohen. Die Annahme, diese Flüchtlinge ließen sich aus „asyltaktischen Gründen“ taufen, mache ihn fassungslos, so Farhad Mostaschari, der selbst Iraner und Mitglied im Vorstand der Auferstehungsgemeinde ist. „Ich bin schockiert. Diese Vorwürfe treffen in unserer Gemeinde absolut nicht zu“, sagt Mostaschari.
Entscheider haben Zweifel an Beweggründen
Wie berichtet, haben Entscheider des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Asylverfahren immer wieder Zweifel am Bekenntnis der vermeintlichen Neu-Christen.
Wie oft solche Zweifel die Ablehnung eines Asylantrags begründen: Darüber führt das BAMF keine Statistik. Doch allein bei einer Kammer des Verwaltungsgericht Frankfurt stapeln sich die Klagen von 300 iranischen Flüchtlingen: Der überwiegende Teil von ihnen hat die BAMF-Entscheider nicht davon überzeugen können, dass sie mittlerweile gläubige Christen sind. Und das, obwohl rund ein Drittel von ihnen eine Taufurkunde vorlegen konnte.
Wer vom Islam abgefallen ist, hat sich aus Sicht des Iran der Apostasie schuldig gemacht und wird mit lebenslanger Haft, selten auch mit dem Tode bestraft. Damit ist der Glaubensübertritt in Deutschland ein Asylgrund. Das BAMF prüft freilich die Glaubwürdigkeit der Angaben und lotet aus, wie wichtig den Konvertiten ihre neue Religion sei und was sie über das Christentum wissen. Es wird erwartet, dass sie die Gründe ihres Glaubenswechsel schildern können und welche Bedeutung das Christentum für sie persönlich hat.
In der Auferstehungsgemeinde beteuert man: Wer hier getauft wird, hat zuvor mehrere Wochen lang den persischsprachigen Gottesdienst besucht, um zum Taufunterricht zugelassen zu werden. Der Taufunterricht finde jeweils sonntags statt und dauere 90 Minuten. Zur Taufe werde nur zugelassen, wer mindestens sechs Monate lang regelmäßig am Unterricht teilnimmt. Und das auch nur dann, wenn Vorstandsmitglied Mostashari den Eindruck gewonnen hat, dass es der potenzielle Konvertit ernst meint. Blieben Restzweifel, könne der Taufuntericht bis zu zwölf Monate dauern. Mostashari: „Ich schaue mir genau an, ob sich die Menschen in der Gemeinde engagieren, wo und wie sie mithelfen und ob sie es ernst meinen mit dem Glauben.“
Roland Falk ist Pfarrer der Auferstehungsgemeinde. Auch er hat den Eindruck, dass viele der am Christentum Interessierten sich den Schritt zum Glaubensübertritt reiflich überlegt haben. Sie seien an einem religiösen Neuanfang interessiert. „Das habe ich bei etlichen Iranern und Afghanen, die den Unterricht absolviert haben und die ich getauft habe, erfahren.“
Neuchristen sollen für ihren Glauben einstehen
Die Taufvorbereitung biete den Menschen die Möglichkeit, eigene Standpunkte im christlichen Glaube zu finden, heißt es bei der Auferstehungsgemeinde. Und Pfarrer Falk ist überzeugt: So würden die Neu-Christen vorbereitet, für ihren Glauben einzustehen. „Dies mag in der Auseinandersetzung mit dem Bundesamt hilfreich sein”.
Für den evangelischen Dekan in Wiesbaden, Martin Mencke, ist klar: „Uns ist bei jeder Erwachsenentaufe wichtig, dass die Menschen wissen, worum es bei der Taufe geht. In jedem Fall ist die Einbindung in eine Gemeinde und einen gottesdienstlichen Lebenskontext wichtig.“