WIESBADEN/KASSEL - Rechtsreferendarinnen islamischen Glaubens, die während ihrer Ausbildung ein Kopftuch tragen, dürfen keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie von Bürgern als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden oder wahrgenommen werden können. Mit dieser Entscheidung hat der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel das entsprechende Verbot der hessischen Landesregierung bestätigt (Aktenzeichen: 1 B 1056/17). Das höchste Verwaltungsgericht des Landes hob mit der Entscheidung ein Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 12. April auf, das für das Verbot keine gesetzliche Grundlage gesehen hatte. Der VGH-Beschluss ist nicht anfechtbar.
Landesregierung sieht sich nach Urteil bestätigt
In der Praxis bedeutet die Entscheidung, dass Referendarinnen, die ein Kopftuch tragen, bei Verhandlungen im Gerichtssaal nicht auf der Richterbank, sondern nur unter den Zuhörern sitzen dürfen. Außerdem dürfen sie keine Sitzung leiten und Beweisaufnahmen vornehmen oder die Staatsanwaltschaft vertreten.
Zur Begründung führte der VGH aus, insbesondere Verfahrensbeteiligte könnten sich durch eine Referendarin, die die staatliche Autorität repräsentiert und ein Kopftuch trage, beeinträchtigt fühlen oder aber Zweifel an der Neutralität dieser Person und damit eventuell auch an der Justiz haben. Da die Referendarinnen staatliche Funktionen ausübten, verstoße religiöse Kleidung gegen das Neutralitätsgebot in der Justiz. Es sei kaum ein Ort denkbar, an dem die Wahrung staatlicher Neutralität durch ihre Repräsentanten so bedeutsam sei wie vor Gericht, so die Kasseler Richter. Verfahrensbeteiligte erwarteten eine in jeder Hinsicht von weltanschaulichen, politischen oder religiösen Grundeinstellungen unabhängige Entscheidung.
Das Frankfurter Gericht hatte argumentiert, nach dem hessischen Beamtengesetz gelte die Neutralitätspflicht nur für Beamte und Referendare im schulischen Vorbereitungsdienst. Da Rechtsreferendare seit 2002 nicht mehr als Beamte auf Widerruf beschäftigt würden, existiere für sie keine entsprechende Regelung. In Bereichen, in denen die Grenzen der Religionsfreiheit bestimmt und sichergestellt werden müssten, seien Eingriffe nur sehr eingeschränkt und ausschließlich durch den parlamentarischen Gesetzgeber möglich. Allein ein Ministeriums-Erlass entspreche diesen Anforderungen nicht. Das Gericht hatte der Muslima vorläufigen Rechtsschutz gegen das Verbot gewährt.
In der Justiz wird demgegenüber vielfach die Auffassung vertreten, dass Referendare als staatliche Repräsentanten vor Gericht auch ohne formellen Beamtenstatus dem Richtergesetz unterliegen, dass das Tragen eines Kopftuchs in Ausübung des Amtes ausdrücklich verbietet.
Der VGH habe in sehr klaren Worten das Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen und damit die jahrelange Praxis in Hessen bestätigt, sagte Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU). Der VGH habe entschieden, dass es in Hessen eine ausreichende Rechtsgrundlage für das Kopftuchverbot bei Rechtsreferendarinnen gebe.
Mit der Entscheidung des VGH sei das Verfahren noch nicht beendet, erklärte der SPD-Abgeordnete Marius Weiß. Es gelte, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Überrascht zeigte sich Weiß darüber, dass der VGH sich nicht näher zu der von der Landesregierung herangezogenen gesetzlichen Grundlage für das Kopftuchverbot geäußert habe.