Ein adliger „Reichsbürger” und seine Terrorgruppe

Bei einer Razzia gegen sogenannte „Reichsbürger“ wird Heinrich XIII. Prinz Reuß abgeführt.
© Boris Roessler/dpa

Großrazzia und 25 Festgenommene: Erneut gelingt den Sicherheitsbehörden ein Schlag gegen Extremisten, die die Regierung stürzen wollten. Fragen und Antworten zu dem Fall.

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Was wollte die Gruppe?

Ihr Ziel war laut Bundesanwaltschaft, mit militärischer Gewalt „die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen“. Dazu sei spätestens im November 2021 eine terroristische Vereinigung gegründet worden. Die Mitglieder seien fest davon überzeugt, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines „tiefen Staats“ regiert werde, und hingen „Verschwörungsmythen“ aus der „Reichsbürger“- und der „QAnon-Ideologie“ an.

Wie war sie organisiert?

Als Rädelsführer gelten Heinrich XIII. Prinz Reuß (siehe weiter unten im Text) und Rüdiger v. P., der nach ARD-Informationen Anfang der neunziger Jahre ein Fallschirmjägerbataillon kommandiert hat, bis dieses im „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) aufging. Er stand laut Bundesanwaltschaft nun an der Spitze des „militärischen Arms“ der Gruppe, der den Umsturz mit Gewalt durchsetzen sollte. Tötungen waren dabei einkalkuliert. Zentrales Gremium der Gruppe war der „Rat“ mit Heinrich XIII Prinz Preuß an der Spitze, dessen Mitglieder sich regelmäßig trafen, „um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen“. Die Gruppe hatte für die „Übergangsregierung“ auch schon die Ressorts und Posten verteilt, wie im Kabinett einer regulären Regierung.

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Welche Dimension hat der Einsatz, bundesweit sowie in Hessen und Rheinland-Pfalz?

Rund 3000 Polizeibeamte waren in elf Bundesländern im Einsatz. 22 Festgenommenen wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, drei die Unterstützung. Zudem gibt es 27 weitere Beschuldigte. Bei 150 Durchsuchungen wurden in mehreren Dutzend Objekten Waffen gefunden. Festnahmen gab es in Baden-Württemberg (8), Bayern (4), Niedersachsen (3), Sachsen (2), Thüringen (2) und Berlin (1) sowie jeweils eine Person in Österreich und Italien.  Zudem gab es in Hessen drei Festnahmen, neben Frankfurt auch im Kreis Bergstraße und im Lahn-Dill-Kreis. Bei der Aktion seien knapp 300 hessische Polizisten im Einsatz gewesen, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU). Beuth zufolge waren es Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes und Landeskriminalamtes, die erste Erkenntnisse zu der Gruppierung hatten. Der Festgenommene und mutmaßliche Kopf der Gruppe sei den hessischen Sicherheitsbehörden bereits seit Längerem bekannt. Durchsuchungen gab es auch in Rheinland-Pfalz, jedoch keine Festnahmen, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft gegenüber dieser Zeitung. Demnach wurden Objekte in Mainz, Mainz-Bingen, Kaiserslautern und Neustadt an der Weinstraße durchsucht, im Zuge der Ermittlungen gegen zwei Personen. Sie gehörten aber nicht zu den Beschuldigten.

Was ist über Heinrich XIII. Prinz Reuß bekann?

Ihn wollte die Gruppe laut Bundesanwaltschaft zum Staatsoberhaupt machen. Der Mann, ein 71-jähriger Unternehmer aus Frankfurt, der laut Webseite seines Büros die „Koordination geschäftlicher Interessen“ anbietet, hatte bereits in früheren Jahren öffentlich typische „Reichsbürger“-Thesen vertreten. Seine Wurzeln hat er in Thüringen, in Bad Lobenstein. Dort besitzt er noch immer ein Jagdschloss, auf dem sich die Terrorgruppe offenbar auch mehrmals traf.  Das Fürstenhaus Reuß hatte sich erst kürzlich von ihm distanziert – er sei ein „teilweise verwirrter” alter Mann, der „verschwörungstheoretischen Irrmeinungen” aufsitze, zitierte der MDR einen Sprecher. Er habe vor 14 Jahren auf eigenen Wunsch den Familienverbund verlassen. Nach einem „Zeit“-Bericht“ kämpfte er seit 1990 vor Gericht um die Rückgabe von Ländereien an seine Familie, die nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet und nach Hessen geflohen war. Anfangs habe er Erfolg gehabt, die späteren Prozesse soll er verloren haben. Laut Bundesanwaltschaft sollte seine Übergangsregierung nun die neue staatliche Ordnung in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandeln, als zentralen Ansprechpartner hatte die Gruppe die Russische Föderation im Blick. Der Beschuldigte habe dazu bereits Kontakt mit Vertretern der Russischen Föderation in Deutschland aufgenommen; „nach den bisherigen Ermittlungen gibt es allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ansprechpartner auf sein Ansinnen positiv reagiert haben“, erklärte die Bundesanwaltschaft. Der Kontakt lief offenbar über Vitalia B., laut „Spiegel“ seine 39-jährige Lebensgefährtin. Sie ist russische Staatsbürgerin und wurde ebenfalls festgenommen.

Welche Rolle spielte die beschuldigte AfD-Politikerin?

Die Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann (58) war von 2017 bis 2021 AfD-Bundestagsabgeordnete und sollte in der „Übergangsregierung“ das Justiz-Ressort übernehmen. Sie soll darauf gedrängt haben, die Aktion möglichst bald zu starten und könnte die Gruppe mit Kenntnissen zum Reichstagsgebäude versorgt haben. Laut „Spiegel“ war die Bundestagspolizei seit Wochen gewarnt, dass es Versuche zur Reichstagsstürmung geben könnte. Sie ist Sportschützin und besaß legal Waffen. Malsack-Winkemann wurde in Darmstadt geboren, studierte in Heidelberg, war ab 1993 Richterin in Berlin. 2013 trat sie in die AfD ein, wurde 2017 Abgeordnete – unter anderem warf sie in einer Rede der Regierung vor, die Bevölkerung nicht gegen angeblich durch Flüchtlinge eingeschleppte Krankheiten zu schützen. Bei der Wahl 2021 scheiterte sie auf Platz 5 der Landesliste am Wiedereinzug. Im März 2022 kehrte sie in den Richterdienst zurück und war wieder am Landgericht Berlin tätig – die Berliner Senatsjustizverwaltung und Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) hatten erfolglos ihre Rückkehr zu verhindern versucht und sie in den Ruhestand versetzen wollen. 

Welche Rolle spielten Soldaten in der Gruppe? 

Laut Bundesanwaltschaft sollten gezielt Angehörige der Bundeswehr und der Polizei für den Staatsumsturz rekrutiert werden. Unter den Festgenommenen sind drei Soldaten, darunter ein aktiver Bundeswehrangehöriger des „Kommandos Spezialkräfte“ und zwei nicht aktive. Der „militärische“ Arm der Gruppe habe auch schon Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ausgekundschaftet, um dort später eigene Truppen unterbringen zu können. Zu den Festgenommenen gehört auch der frühere Bundeswehr-Oberst Maximilian E., einst ein KSK-Gründungsmitglied. Er trat bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen in Erscheinung und zeigte sich auf der Bühne auch mit Barett, der Bundeswehr-Kopfbedeckung. Laut einem früheren ARD-Bericht hatten ihn die Sicherheitsbehörden spätestens seit Pfingsten 2021 auf dem Schirm, nachdem er bei einer Corona-Demo mobil gemacht hatte: „Man müsste das KSK mal nach Berlin schicken und hier ordentlich aufräumen, dann könnt ihr mal sehen, was die können”, sagte er demnach auf der Bühne. Im Interview mit dem Magazin „Kontraste“ verwies er damals darauf, dass seine „Freiheitsbewegung“ gegen die Verantwortlichen in der Corona-Krise „Beweise“ sammle. Und: Der Oberst a.D. gehörte auch zur Gruppe aus dem „Querdenker“-Milieu, die nach der Flutkatastrophe im Ahrtal als „Nothelfer“ im Einsatz war. In einer Grundschule in Ahrweiler „kommandierte“ Maximilian E. laut ARD einen Stab von zeitweilig Dutzenden Veteranen, trat auch dort in Uniform auf. Das Ganze geschah offenbar im Auftrag von Bodo Schiffmann, einem früher in Sinsheim praktizierenden HNO-Arzt und eine der bekanntesten Figuren aus dem Lager der „Querdenker“. Schiffmann hat sich inzwischen nach Tansania abgesetzt und betreibt dort ein Hotel.

Welche Verbindungen gibt es zu einer anderen Terrorgruppe?

Ausgangspunkt der Ermittlungen sollen die Verbindungen zu Angehörigen einer Gruppe sein, aus der vier Mitglieder im April festgenommen worden waren. Und in der sich ebenfalls Anhänger der „Reichsbürger“-Bewegung, radikale Coronamaßnahmen-Kritiker und andere zusammengetan hatten. Dazu gehörten auch Thomas O. aus dem pfälzischen Neustadt an der Weinstraße – ursprünglich stammt er aus Thüringen – und Sven B. aus Brandenburg. Beide sind ehemalige NVA-Soldaten. Im Oktober wurde dann noch Elisabeth R. in Sachsen festgenommen, eine 75-jährige pensionierte Religionslehrerin, die früher in Wiesbaden gelebt hat und bis 2004 an einem Gymnasium in Mainz tätig war. Auch diese Gruppe wollte die Regierung stürzen, einen „Blackout“ herbeiführen und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen, weil er wegen seiner Corona-Politik als meistgehasster Politiker galt. Sie hatte ebenfalls einen „militärischen“ Arm – nur dass Dimension, Mittel und Entschlossenheit der jetzt aufgeflogenen Gruppe offenbar nochmals deutlich größer waren.