
Besuch am Flughafen und bei Statistikern, Gespräch mit Einzelhändlern und Gastronomen – Scholz wird auf der Hessen-Tour immer wieder mit dem Fachkräftemangel konfrontiert.
Wiesbaden. Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf seiner Tour durch Hessen zusätzliche Erleichterungen für die Zuwanderung angekündigt. „Wir werden uns nicht auf dem beschlossenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz ausruhen, sondern weitere Hürden beseitigen“, betonte der SPD-Politiker vor etwa hundert Vertretern des Hotel- und Gaststättengewerbes sowie des Handels in Wiesbaden. Dabei brachte Scholz eine Reform der Ausländerbehörden ins Spiel. Bevor nach dem Frankreich-Urlaub das politische Tagesgeschäft wieder beginnt, legte der Bundeskanzler einen Hessen-Tag ein. Nach einem Besuch des Jubiläum feiernden Statistischen Bundesamtes ging es auf Wahlkampf-Tour durch das Rhein-Main-Gebiet. Mit dabei war Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) als Spitzenkandidatin zur Hessen-Wahl am 8. Oktober. Zum Abschluss des Tages war Scholz nach einem Gespräch mit Bürgern in Frankfurt Gast der Internet-Talkshow „Bembel und Gebabbel“.
Der Bundeskanzler nimmt die Arbeit der etwa 560 Ausländerbehörden ins Visier. Diese könnten den Zuzug von Arbeitskräften derzeit hinauszögern, indem sie im Einzelfall „Nein“ sagten. Dann müssten die Betroffenen warten, bis sich die Behörden mit dem Fall befasst hätten. „Brauchen wir das?“, fragte der Bundeskanzler. Es gebe noch viele weitere technische Regeln, die man beseitigen könne. Das werde zusammen mit den Bundesländern noch mal eine weitere Gesetzgebung erfordern. Das gelinge aber „nur in einem breiten gesellschaftlichen Konsens“. Auch die Bundesinnenministerin Faeser sprach sich für einen Abbau unnötiger Bürokratie aus.
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Das Thema Arbeitskräftemangel zog sich wie ein roter Faden durch die Gespräche an diesem Tag. Egal ob beim Flughafen, im Handel oder bei Hotels und Gaststätten – die Suche nach Beschäftigten bestimmt in vielen Branchen den Alltag. „Viele Restaurants und Händler müssen bereits ihre Öffnungszeiten einschränken, weil sie kein Personal finden“, warnte Gerald Kink, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Hessen. Handel und Gastronomie seien untrennbar verbunden. Weniger Angebot führe zu weniger Gästen und Kunden und damit zu geringeren Einnahmen. Es drohe eine Verödung der Innenstädte und des Angebots im ländlichen Raum.
Die notwendige Zuwanderung von Fachkräften werde aber nur gelingen, wenn sie sich gleich zu Beginn willkommen fühlen, betonte Dehoga-Vertreter Kink, der den Abbau von bürokratischen Hürden bei der Suche nach ausländischen Mitarbeitern fordert. Der Hotelier zeigte sich positiv überrascht von der Sachkenntnis des Kanzlers. Nur eine klare Aussage zur Forderung der Gastronomie nach einer dauerhaften Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen vermisste er. Die Abgabe auf Speisen war während der Pandemie von 19 auf 7 Prozent gesenkt worden.
Bundeskanzler Scholz besucht Statistisches Bundesamt in Wiesbaden
Begonnen hatte der Bundeskanzler die Hessen-Tour mit einem Besuch beim Statistischen Bundesamt, welches vor 75 Jahren gegründet wurde. „Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und die Blue Card zeigen eine positive Wirkung auf den Arbeitsmarkt. Das bestätigen die offiziellen Daten“, zeigte sich Scholz hoffnungsvoll nach dem einstündigen Fachgespräch mit den Statistikern. Demokratie lebe davon, dass „wir wissen, wie es wirklich in unserem Land zugeht“. Das helfe im Kampf gegen die Verbreitung von Fake-News. „Es ist schon ein Stück Rationalität, dass wir bekommen, wenn wir die Daten des Statistischen Bundesamtes haben. Die Wirklichkeit ist dann ja auch so, dass man nicht einfach behaupten kann, der Himmel ist grün, wenn er blau ist.“ Auch Amtsleiterin Ruth Brand betonte: „Unsere Unabhängigkeit ist unser größter Trumpf im Kampf gegen Desinformation.“
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Am Flughafen lässt sich Scholz neue Sicherheitskontrollen erklären
Nächste Station war der Frankfurter Flughafen, wo sich der Kanzler ein neues Sicherheitskontrollsystem des niederländischen Herstellers Vanderlande erklären lässt. Da Passagiere ihr Handgepäck parallel abgeben können, sparen diese weltweit erstmals installierten Kontrollspuren mächtig Zeit. Das folgende Gespräch mit Arbeitnehmervertretern der Vereinigung Cockpit sowie von Ufo, Komba und Verdi ist offensichtlich gut angekommen. Der Kanzler habe sich eindeutig zum Luftverkehr bekannt, berichtete VC-Generalsekretär Sebastian Roet. Man müsse sich für Wachstum an den Flughäfen nicht schämen, habe Scholz betont.
Am Flughafen ging es ebenfalls um den Arbeitskräftemangel. Sicherheitskontrolleure und Piloten übten beispielsweise keine anerkannten Berufe aus, erläuterte Roet. Das habe während der Pandemie zu vielen Problemen mit der deutschen Bürokratie geführt. Faeser und Scholz hätten dies als Hürde erkannt, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Auch sogenannte Wet-Lease-Verträge – also die Miete eines Flugzeugs einschließlich Cockpit-Crew, Kabinenpersonal, Wartung und Versicherung von einer anderen Fluggesellschaft – wurden thematisiert. Denn auf diesem Weg werde häufig Sozial-Dumping betrieben, betonte Roet.
Am Nachmittag löste Scholz ein Versprechen aus einer ZDF-Sendung vor der Bundestageswahl ein. Wolfgang Kramwinkel, Inhaber einer Schreinerei in Mühlheim am Main, hatte ihn damals zu einem Firmenbesuch und Realitätscheck vor Ort eingeladen. Im DGB-Haus in Frankfurt stellten sich Scholz und Faeser anschließend den Fragen von mehr als 250 Bürgern. Eher persönlich wurde es bei der Talkshow „Bembel und Gebabbel“ in Frankfurt. Auch dabei ging es um ein Versprechen aus Wahlkampfzeiten, als Scholz bereits Gast beim Internet-Talk von Moderator Bernd Reisig war. Der Ex-Nena-Manager und Fußballfunktionär hatte Scholz damals das Versprechen abgerungen: „Wenn Du Bundeskanzler wirst, kommst Du noch einmal in die Sendung.“