Streit um Corona-Finanzhilfen eskaliert im Hessen-Landtag

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BILDUNTERSCHRIFTE (NGen): 30.07.2013 - Ressort: wirt: Die Deutschenhaben laut Bundesbank mehr Geld und bauen Schulden ab.Foto: dpa 09.12.2014 - Ressort: wirt: Geldgibt es aktuell für sehr niedrige Zinsen.Foto: dpa CAPTION (NGen): 30.07.2013 - Ressort: wirt: ARCHIV - SYMBOLBILD - Banknoten von 50, 20 und 10 Euro, liegen am 29.09.2010 in Magdeburg auf einem Haufen. Das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland klettert ungebremst auf immer neue Rekordhöhen. Gleichzeitig bauen die Menschen Schulden ab, obwohl die Zinsen extrem niedrig sind. Foto: Jens Wolf/dpa (zu dpa "Geldvermögen der Deutschen klettert ungebremst weiter" vom 29.07.20139 +++(c) dpa - Bildfunk+++09.12.2014 - Ressort: wirt:

Bei einem halben Dutzend Gesprächen versuchten Regierung und die Opposition, sich auf Corona-Finanzhilfen zu einigen. Vergeblich. Nun wird der Streit im Parlament ausgetragen.

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WIESBADEN. CDU und Grüne im hessischen Landtag wollen mit großem Tempo ein Sondervermögen durchsetzen, mit dessen Hilfe Hessen vor den schlimmsten Auswirkungen der Corona-Krise bewahrt werden soll. Der Fonds, der von der Opposition als „vollständig kreditfinanzierter Schattenhaushalt“ kritisiert wird, hat ein Volumen von zwölf Milliarden Euro. Aus ihm heraus sollen Gelder bis 2023 bereitgestellt werden.

Das Rettungspaket, mit dem Steuerausfälle ausgeglichen und Kleinunternehmern unter die Arme gegriffen werden soll, ist hoch umstritten, vor allem weil in Hessen die Schuldenbremse in der Verfassung verankert ist. In einer Volksabstimmung hatten 70 Prozent dafür gestimmt.

Künftig soll eine einfache Mehrheit reichen

Die Schuldenbremse darf nach der aktuellen Gesetzeslage nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit gelockert werden. Weil die Opposition dazu nicht bereit ist, wollen CDU und Grüne nun das sogenannte Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse ändern. Damit wollen die Regierungsfraktionen erreichen, dass künftig eine einfache Mehrheit zum Lockern der Schuldenbremse reicht. Die Gesetzesänderung hierzu haben CDU und Grüne am Dienstag in den Landtag eingebracht. Sie soll noch vor der Sommerpause zusammen mit dem Sondervermögen beschlossen werden. Nötig dazu sind drei Sondersitzungen des Plenums am 30. Juni sowie am 2. und 4. Juli.

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Die Oppostion läuft Sturm gegen diese Planung, die für Schwarz-Grün riskant ist, weil die Koalition nur über eine Ein-Stimmen-Mehrheit verfügt. Vom Erreichen des Ziels hängt Einiges ab für die neue CDU-Fraktionsvorsitzende Ines Claus sowie für den neuen hessischen Finanzminister Michael Boddenberg (CDU).

Am Dienstag haben die Regierungsfraktionen indes eine erste Abstimmung klar gewonnen: Der Landtag stimmte mit 68 Ja- und nur 58 Nein-Stimmen der Dringlichkeit der geplanten Gesetzesänderung zu. Der Schritt ist nötig, um die auf die Tagesordnung zu setzen. Möglich geworden war das Abstimmungsergebnis, weil zahlreiche Abgeordnete der AfD, die das Sondervermögen eigentlich ablehnt, der Abstimmung ferngeblieben waren.

"Aushebelung von Parlamentsrechten“

„Große Krisen verlangen große Anstrengungen“, begründete Ines Claus den nunmehr eingeschlagenen Weg, den Oppositionsredner als „brutalstmögliche Aushebelung von Parlamentsrechten“ anprangerten. CDU und Grüne setzen darauf, dass das Sondervermögen mehrjährige Planungssicherheit garantiere. Mit diesem Argument lehnt die Koalition den Vorschlag von SPD und FDP ab, die der Coronakrise – ähnlich wie der Bund – mit zwei oder drei Nachtragshaushalten begegnen wollen. Nachtragshaushalte erforderten Beratungen alle paar Monate mit jeweils ungewissem Ausgang, warnt die CDU-Fraktionsvorsitzende.

Es hat Spekulationen gegeben, dass die Bildung eines so großen Sondervermögens verbunden mit der Lockerung der Schuldenbremse in der CDU-Fraktion nicht unumstritten sei – zumal es auch die Union gewesen war, die sich 2011 für eine solide, in der Verfassung verankerte Schuldenbremse eingesetzt hatte. Die damals propagierte Logik: Wenn das Land tatsächlich in die Lage geraten sollte, aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse von dem klar definierten Verbot des Schuldenmachens abweichen zu müssen, solle dies auch von einer breiten Mehrheit des Landtags getragen werden.

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Das war die Überzeugung, als die Zeiten noch besser waren. Heute sagt Ines Claus, ihre Fraktion habe in einer internen Beratung der Lockerung der Schuldenbremse einstimmig und ohne Enthaltungen zugestimmt. Sie versicherte gleichwohl, die Schuldenbremse bleibe bestehen.

Demgegenüber nannte es SPD-Chefin Nancy Faeser „unfassbar“, dass die Landesregierung den „Schattenhaushalt“ durchziehen wolle. Schwarz-Grün wolle die Corona-Krise nutzen, um in den kommenden Jahren viel Geld für die eigene politische Agenda beiseitezulegen. „Wir erleben einen Angriff auf die parlamentarische Kultur“. Statt Überzeugungsarbeit zu leisten, schaffe die Koalition Gesetz, die ihr im Wege stehen, einfach ab.

René Rock, Fraktionsvorsitzender der FDP, sagte, die Koalition missachte den Willen der Bürger, die sich mit großer Mehrheit für die Schuldenbremse ausgesprochen hatten. Die Linke sprach vom Eingeständnis, dass die Schuldenbremse gescheitert ist. Die AfD kritisierte den Politikstil von Schwarz-Grün.

Von Christoph Cuntz