Die Anzeichen verdichten sich, dass die Bundesinnenministerin bei der Landtagswahl in ihrem Heimatland antritt.
Wiesbaden. Am 3. Februar wollen die hessischen Sozialdemokraten das Geheimnis lüften, wer Spitzenkandidat oder -kandidatin für die Landtagswahl im Herbst 2023 wird. An diesem Abend beginnt der „Hessen-Gipfel”, wie immer im Schlosshotel im osthessischen Friedewald, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer ist als Ehrengast eingeladen. Erst am Vormittag, so der offizielle Fahrplan der Partei, entscheiden die Gremien – Präsidium, Vorstand und Parteirat – über die wichtige Personalie. Bis dahin werde man sich nicht an Spekulationen beteiligen, betont Christoph Gehring, Sprecher von Landesverband und Landtagsfraktion, am Freitag auf Nachfrage. Ein Name fiel in dieser Woche in der Plenardebatte des Landtags ungewöhnlich häufig: der von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, der ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden, die vor gut einem Jahr in Olaf Scholz’ (SPD) Bundeskabinett einzog.
CDU nimmt die Bundesinnenministerin immer öfter ins Visier
Für sie rückte damals Günter Rudolph als Fraktionschef nach – das Amt lebt der Nordhesse als „Abteilung Attacke”. Doch in der Generaldebatte zum Haushalt am Dienstag musste Rudolph selbst Spott und Häme einstecken, nachdem er erneut das „Projekt Regierungswechsel” ausgerufen hatte. „Sie wissen, wie die Wahl ausgeht, aber haben noch nicht mal eine Spitzenkandidatin”, ätzte Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner. Seine Empfehlung: den Namen des Spitzenkandidaten vor der Wahl bekannt geben. Auch die Vorsitzende der anderen Regierungsfraktion, Ines Claus (CDU), arbeitete sich an der Kandidatenfrage der Sozialdemokraten ab. Zuvor hatte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) in dieselbe Kerbe gehauen und kein gutes Haar an der Bundesregierung gelassen, vor allem an der Verteidigungspolitik von Christine Lambrecht (SPD) und dem Entlastungspaket der Ampel, das die Sportvereine vergessen habe – das Ressort der Sportministerin und SPD-Landesvorsitzenden Faeser.
Innenminister Peter Beuth (CDU) übt mittlerweile bei jeder sich bietenden Gelegenheit harsche Kritik an der Bundesinnenministerin aus Hessen: ob es das Aus für den Ski-Nordisch-Bundesstützpunkt in Willingen und Winterberg ist, fehlende Finanzhilfen für die Kommunen in der Flüchtlingsbetreuung oder Faesers Etatentwurf, in dem der „dicke Rotstift” beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe angesetzt werde. CDU-Generalsekretär Manfred Pentz geißelte jüngst erneut die angebliche Verstrickung Faesers in die Awo-Affäre um den ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD), der derzeit wegen Korruptionsverdachts vor Gericht steht. Die SPD konterte, Pentz „blamiert sich mit dem Versuch, aus einer Massenmail einen Skandal zu machen”.
„Bild” berichtete jetzt aus einer internen Personalversammlung: „Die Entscheidung treffen natürlich die Parteigremien – und nicht ich alleine”, soll Faeser dort gesagt haben, berichtet die Zeitung und beruft sich auf einen angeblichen Mitschnitt. Das spräche zumindest dafür, dass Faeser Ambitionen hat. Derartiges war bereits im Mai ruchbar geworden – ausgerechnet durch ihre Ministerkollegin Lambrecht, die zweite Hessin im Ampel-Kabinett. „Ich setze darauf, dass Nancy Faeser im nächsten Jahr nicht nur Spitzenkandidatin der SPD in Hessen wird, sondern auch erste Ministerpräsidentin in Hessen”, sagte die Südhessin damals. Faser dementierte umgehend. Kurz zuvor hatte sie beim Parteitag in Marburg anlässlich ihrer Wiederwahl gesagt, ihr Herz schlage in Hessen. Ja, wie denn nun?
SPD-Sprecher Gehring betont, man bleibe beim vereinbarten Fahrplan. Über die Feiertage werde sich das Thema ohnehin beruhigen, hofft man bei der Partei. Fakt ist: Das Personaltableau ist eher dünn. Mit der Landrätin des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Kirsten Fründt, starb Anfang des Jahres eine der Hoffnungsträgerinnen. Fraktionschef Rudolph wird im Jahr 2024 68 Jahre alt und soll keine allzu großen Ambitionen hegen, außerdem möchten die Genossen gern mit einer Frau ins Rennen gegen die beiden anderen Spitzenkandidaten Rhein und Tarek Al-Wazir (Grüne) gehen. Dass man sich im Wahlkampf auf die Themen soziale und innere Sicherheit konzentrieren werde, wie die „FAZ” erfahren haben möchte, passt zu Faesers Profil. Den Kampf gegen den Rechtsextremismus hat die 52-jährige Bad Sodenerin sich als Priorität gesetzt – und in dieser Woche mit der Razzia gegen umstürzlerische „Reichsbürger” für Schlagzeilen gesorgt. In Hessen gäbe es mit rechtsextremen Chats von Polizisten und Untersuchungsausschüssen zum Mord an Walter Lübcke und dem rassistischen Terror von Hanau genug zu tun.